Befristung von Arbeitsverhältnissen

Inhalt

Aktuelles

Neue Probezeit-Regelung für befristete Beschäftigungen
Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union im Bereich des Zivilrechts und zur Übertragung von Aufgaben an die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau enthält in Artikel 7 Änderungen am Teilzeit- und Befristungsgesetz.
Das Gesetz wurde am 26.07.2022 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und tritt am 1. August 2022 in Kraft.

Im § 15 TzBfG wird nach Absatz 2 folgender Absatz 3 eingefügt:

Wird für ein befristetes Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart, so muss diese im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen.

Damit darf die Probezeit beim Abschluss eines befristeten Vertrags nicht mehr pauschal sechs Monate betragen, sondern Arbeitgeber müssen im Einzelfall abwägen und festlegen, welche Probezeit angemessen ist. Genaue zeitliche Vorgaben macht der Gesetzgeber nicht.
Während einer Probezeit gilt sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer eine verkürzte Kündigungsfrist von zwei Wochen.


Im Rahmen der IAB-Stellenerhebung gaben die Betriebe an, dass im Jahr 2021 mindestens 32 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Neueinstellungen zunächst befristet erfolgten. Dieser Anteil liegt im langfristigen Vergleich weiter auf einem niedrigen Niveau. Gegenüber dem Vorjahr ist der Befristungsanteil bei den Neueinstellungen um 2 Prozentpunkte gesunken (Quelle: Presseinformation des Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vom 13. Mai 2022).


Unwirksame Befristung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund elektronischer Signatur - Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 28.09.2021 (36 Ca 15296/20)

Grundsätzliches

Den Begriff des befristet beschäftigten Arbeitnehmers definiert § 3 Abs. 1 TzBfG:

Befristet beschäftigt ist ein Arbeitnehmer mit einem auf bestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsvertrag. Ein auf bestimmte Zeit geschlossener Arbeitsvertrag (befristeter Arbeitsvertrag) liegt vor, wenn seine Dauer kalendermäßig bestimmt ist (kalendermäßig befristeter Arbeitsvertrag) oder sich aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt (zweckbefristeter Arbeitsvertrag).

Damit ist ein Arbeitnehmer befristet beschäftigt, wenn sein Arbeitsvertrag auf bestimmte Zeit abgeschlossenen wurde (Dauer ist kalendermäßig bestimmt; Befristung ohne sachlichen Grund nach § 14 Abs. 2 TzBfG) oder sich die Dauer aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt (zweckbefristeter Arbeitsvertrag; Befristung durch einen sachlichen Grund nach § 14 Abs. 1 TzBfG).

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge regelt das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG). Mit diesem Gesetz soll die Diskriminierung von befristet beschäftigten Arbeitnehmern verhindert werden.
§ 4 Abs. 2 TzBfG:

Ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Befristung des Arbeitsvertrages nicht schlechter behandelt werden, als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung, die für einen bestimmten Bemessungszeitraum gewährt wird, mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Beschäftigungsdauer am Bemessungszeitraum entspricht. Sind bestimmte Beschäftigungsbedingungen von der Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen abhängig, so sind für befristet beschäftigte Arbeitnehmer dieselben Zeiten zu berücksichtigen wie für unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer, es sei denn, dass eine unterschiedliche Berücksichtigung aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist.

Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Zulässige befristete Arbeitsverträge enden mit Ablauf der Zeit, für die sie eingegangen wurden, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Wurde ein Arbeitsvertrag allerdings unzulässig befristet, gilt er als unbefristeter Arbeitsvertrag und muss als solcher unter Einhaltung der Kündigungsfristen und Beachtung von Kündigungsschutzvorschriften gekündigt werden.

Die Beendigung des Dienstverhältnisses regelt der § 620 BGB:

(1) Das Dienstverhältnis endigt mit dem Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist.
(2) Ist die Dauer des Dienstverhältnisses weder bestimmt noch aus der Beschaffenheit oder dem Zwecke der Dienste zu entnehmen, so kann jeder Teil das Dienstverhältnis nach Maßgabe der §§ 621 bis 623 kündigen.
(3) Für Arbeitsverträge, die auf bestimmte Zeit abgeschlossen werden, gilt das Teilzeit- und Befristungsgesetz.
....

Der Arbeitgeber muss die befristet Beschäftigten über unbefristete Stellen informieren. Ein Rechtsanspruch auf Übernahme in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis ergibt sich dadurch nicht.
§ 18 TzBfG:

(1) Der Arbeitgeber hat die befristet beschäftigten Arbeitnehmer über entsprechende unbefristete Arbeitsplätze zu informieren, die besetzt werden sollen. Die Information kann durch allgemeine Bekanntgabe an geeigneter, den Arbeitnehmern zugänglicher Stelle im Betrieb und Unternehmen erfolgen.
(2) Der Arbeitgeber hat einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden und der ihm in Textform den Wunsch nach einem auf unbestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsvertrag angezeigt hat, innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige eine begründete Antwort in Textform mitzuteilen. Satz 1 gilt nicht, sofern der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber diesen Wunsch in den letzten zwölf Monaten vor Zugang der Anzeige bereits einmal angezeigt hat.

Befristet Beschäftigte haben häufig geringere Einkommen, schlechtere Arbeitsbedingungen, verringerte Aufstiegschancen und ein erhöhtes Risiko, arbeitslos zu werden als unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer. Arbeitsverhältnisse mit befristetem Arbeitsvertrag zählen zu den atypischen Beschäftigungsverhältnissen (Prekäre Arbeitsverhältnisse).

Arbeitgeber wollen mit befristeten Arbeitsverhältnissen flexibel auf konjunkturelle Schwankungen reagieren können. Sie vermeiden im Trennungsfall teure und aufwendige Kündigungsprozeduren.

Befristete Beschäftigung: Keine Entschädigung
Der Europäische Gerichtshof hat am 21.11.2018 in der Rechtssache C-619/17 entschieden, dass einem Arbeitnehmer der zur Vertretung befristet eingestellt wurde, nach dem Ende der Beschäftigung keine Entlassentschädigung zusteht. Eine gegenüber Dauerbeschäftigten abweichende Handhabung ist zulässig. Dies darf jedoch nicht zum Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge führen.

Befristet Beschäftigte können auch Kurzarbeitergeld erhalten.

Klage gegen eine Befristung - Entfristungsklage - Befristungskontrollklage (3-Wochenfrist einer Entfristung)

Es gilt § 17 TzBfG:

Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung nicht beendet ist. Die §§ 5 bis 7 des Kündigungsschutzgesetzes gelten entsprechend. Wird das Arbeitsverhältnis nach dem vereinbarten Ende fortgesetzt, so beginnt die Frist nach Satz 1 mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung beendet sei.

Damit beginnt die dreiwöchige Klagefrist für eine Befristungskontrollklage mit dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages.

Befristung durch einen sachlichen Grund (§ 14 Abs. 1 TzBfG)

Nach den gesetzlichen Vorschriften sind befristete Arbeitsverträge regelmäßig nur zulässig, wenn die Befristung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge ermöglicht unter engen Voraussetzungen auch eine sachgrundlose Befristung für die Höchstdauer von zwei Jahren.

Nach § 14 Abs. 1 TzBfG ermöglichen insbesondere folgende sachliche Gründe die Befristung eines Arbeitsvertrages:

  • Der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung besteht nur vorübergehend.
    • Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 20.02.2008; 7 AZR 950/06) - Auszug:
      Der vorübergehende betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung kann sich aus unterschiedlichen Sachverhalten ergeben, zB aus der Tatsache, dass für einen begrenzten Zeitraum in dem Betrieb zusätzliche Arbeiten anfallen, die mit dem Stammpersonal allein nicht erledigt werden können, oder daraus, dass sich der Arbeitskräftebedarf künftig verringert, zB wegen der Inbetriebnahme einer neuen technischen Anlage (vgl. hierzu BT-Drucks. 14/4374 S. 19). Der vorübergehende Bedarf kann einmalige oder wiederkehrend auszuführende Daueraufgaben des Arbeitgebers oder eine zeitweise übernommene Sonderaufgabe betreffen, für deren Erledigung das vorhandene Stammpersonal nicht ausreicht.
    • Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 17.03.2010; 7 AZR 640/08) - Leitsätze:
      Ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags wegen eines nur vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG liegt nicht vor, wenn dem Arbeitnehmer Daueraufgaben übertragen werden, die von dem in der Dienststelle beschäftigten Stammpersonal wegen einer von vornherein unzureichenden Personalausstattung nicht erledigt werden können.
    • Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 21.11.2018; 7 AZR 234/17) - Auszug aus den Entscheidungsgründen:
      Ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf kann sowohl durch einen vorübergehenden Anstieg des Arbeitsvolumens im Bereich der Daueraufgaben des Arbeitgebers entstehen als auch durch die Übernahme eines Projekts oder einer Zusatzaufgabe, für deren Erledigung das vorhandene Stammpersonal nicht ausreicht (vgl. etwa BAG 16. Januar 2018 - 7 AZR 21/16 - Rn. 16; 27. Juli 2016 - 7 AZR 545/14 - Rn. 17 mwN). Der Sachgrund setzt voraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr besteht. Hierüber hat der Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags eine Prognose zu erstellen, der konkrete Anhaltspunkte zugrunde liegen müssen. Die Prognose ist Teil des Sachgrunds für die Befristung. ....
      Für das Vorliegen eines Projekts spricht es regelmäßig, wenn dem Arbeitgeber für die Durchführung der in dem Projekt verfolgten Tätigkeiten von einem Dritten finanzielle Mittel oder Sachleistungen zur Verfügung gestellt werden. Wird ein Arbeitnehmer für die Mitwirkung an einem Projekt befristet eingestellt, muss im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu erwarten sein, dass die im Rahmen des Projekts durchgeführten Aufgaben nicht dauerhaft anfallen. ....
      Im Bereich der Daueraufgaben kann sich der Arbeitgeber nicht dadurch Befristungsmöglichkeiten schaffen, dass er diese Aufgaben künstlich in "Projekte" zergliedert. Kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Betriebszwecks einen im Wesentlichen unveränderten Personalbedarf prognostizieren und einschätzen, ist es ihm regelmäßig verwehrt, diesen Arbeitsanfall unter Berufung auf den Sachgrund der Projektbefristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG mit befristet beschäftigten Arbeitnehmern zu bewältigen.
  • Die Befristung erfolgt im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern.
    • Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 24.08.2011; 7 AZR 368/10) - Auszug aus den Entscheidungsgründen:

      Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG vor, wenn die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern.

      Nach der Rechtsprechung des Senats folgt aus dem Tatbestandsmerkmal "Anschluss" in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG, dass es sich um die Befristung des ersten Arbeitsvertrags handeln muss, den der Arbeitnehmer nach dem Ende der Ausbildung oder des Studiums abschließt. Ein zwischenzeitliches Arbeitsverhältnis schließt daher eine Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG aus.

  • Der Arbeitnehmer wird zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt.
    • Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 13.02.2013; 7 AZR 324/11) - Auszug aus den Entscheidungsgründen:

      Bereits der Wortsinn des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG spricht dafür, dass der Sachgrund der Vertretung nicht notwendig die vollständige Abwesenheit des "anderen Arbeitnehmers" vom Betrieb oder Unternehmen voraussetzt, sondern es genügt, wenn dieser - gleich aus welchem Grund - an der Erbringung der "eigentlich" geschuldeten Arbeitsleistung verhindert ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Arbeitsleistung im Wege der unmittelbaren Vertretung dem Vertreter übertragen wird. Dieser wird dann "zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers" beschäftigt. Insbesondere kommt es nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht darauf an, ob der Vertretungsbedarf seinen Grund in der Sphäre des zu vertretenden Arbeitnehmers oder in der Sphäre des Arbeitgebers hat.

      Die Gesetzesgeschichte bestätigt diese Auslegung. In der amtlichen Begründung zu § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG heißt es, ein Vertretungsfall liege vor, wenn durch den zeitweiligen Ausfall eines Arbeitnehmers, zB aufgrund "Krankheit, Beurlaubung, Einberufung zum Wehrdienst, Abordnung ins Ausland", ein vorübergehender Bedarf zur Beschäftigung eines anderen Arbeitnehmers entsteht (BT-Drucks. 14/4374 S. 19). Das letzte Beispiel zeigt, dass der Sachgrund der Vertretung nicht nur in Fällen der vom Arbeitgeber nicht beeinflussbaren Abwesenheit der Stammkraft, sondern auch dann in Betracht kommt, wenn die Abwesenheit der Stammkraft von "ihrem" Stammarbeitsplatz auf einer Entscheidung des Arbeitgebers beruht. Da die genannten Beispielfälle nicht abschließend sind, kann auch nicht angenommen werden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers ein Vertretungsfall nur bei einer Abordnung ins Ausland vorliegen könne. Vielmehr besteht der Bedarf, die Arbeitsleistung des abgeordneten Arbeitnehmers zu ersetzen, auch bei einer Abordnung im Inland.

    • Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 26.10.2016; 7 AZR 135/15) - Auszug aus den Entscheidungsgründen:
      Ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Der Sachgrund der Vertretung wird durch § 21 Abs. 1 BEEG konkretisiert (BAG 29. April 2015 - 7 AZR 310/13 - Rn. 16; vgl. zur Vorgängerregelung in § 21 BErzGG: BAG 19. Februar 2014 - 7 AZR 260/12 - Rn. 27; 12. Januar 2011 - 7 AZR 194/09 - Rn. 13). Danach besteht ein sachlicher Grund, der die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigt, ua. dann, wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers oder einer anderen Arbeitnehmerin für die Dauer eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz, einer Elternzeit oder einer auf Tarifvertrag oder einzelvertraglicher Vereinbarung beruhenden Arbeitsfreistellung zur Betreuung eines Kindes eingestellt wird. Der Grund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet.
  • Die Eigenart der Arbeitsleistung rechtfertigt die Befristung.
    • Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 13.12.2017; 7 AZR 369/16) - Auszug aus den Entscheidungsgründen:
      In § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG ist nicht näher bestimmt, welche Eigenarten der Arbeitsleistung die Befristung eines Arbeitsvertrags rechtfertigen. Den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass mit dem Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG vor allem verfassungsrechtlichen, sich aus der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und der Freiheit der Kunst (Art. 5 Abs. 3 GG) ergebenden Besonderheiten Rechnung getragen werden soll (BT-Drs. 14/4374 S. 19). Die Regelung ist daher geeignet, die Befristung von Arbeitsverträgen mit programmgestaltenden Mitarbeitern bei Rundfunkanstalten oder mit Bühnenkünstlern zu rechtfertigen (BAG 18. Mai 2016 - 7 AZR 533/14 - Rn. 18, BAGE 155, 101).
    • Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 16.01.2018; 7 AZR 312/16) - Leitsätze:
      Die Befristung des Arbeitsvertrags eines Lizenzspielers der 1. Fußball-Bundesliga ist regelmäßig nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG durch die Eigenart der Arbeitsleistung sachlich gerechtfertigt.
  • Die Befristung erfolgt zur Erprobung.
    • Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 24.01.2008; 6 AZR 519/07) - Auszug aus den Entscheidungsgründen:
      Im Unterschied zu diesen kündigungsrechtlichen Bestimmungen enthält die Befristungsregelung in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG keine konkrete zeitliche Vorgabe zur Befristungsdauer. Daher ist einzelfallbezogen zu prüfen, ob die vereinbarte Dauer der Erprobungszeit in einem angemessenen Verhältnis zu der in Aussicht genommenen Tätigkeit steht . Hierbei werden aus der sechsmonatigen Wartezeit in § 1 Abs. 1 KSchG und aus § 622 Abs. 3 BGB Anhaltspunkte gewonnen. Branchenüblichkeit und Person des Arbeitnehmers können kürzere, aber auch längere Probezeiten rechtfertigen (vgl. Dörner Der befristete Arbeitsvertrag Rn. 191 f.; ErfK/Müller-Glöge 8. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 49 f.; Schaub/Koch Arbeitsrechts-Handbuch 12. Aufl. § 40 Rn. 34) . Dass Fälle schwer feststellbarer Eignung und Leistungsfähigkeit als sachlicher Grund für eine längere Befristungsdauer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG in Betracht kommen, im Rahmen der Probezeit nach § 622 Abs. 3 BGB jedoch keine Berücksichtigung finden, macht deutlich, dass der Gesetzgeber hier der Rechtssicherheit eine höhere Bedeutung beigemessen hat als einer möglichst weitgehenden Einzelfallgerechtigkeit.
    • Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 02.06.2010; 7 AZR 85/09) - Auszug aus den Entscheidungsgründen:
      Entgegen der Befürchtung der Revision droht bei einer Einbeziehung persönlicher Besonderheiten des Arbeitnehmers bei der Prüfung des Befristungsgrundes der Erprobung kein "uferloses Verständnis" von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG. Bei der Erprobungsbefristung können in der Person des Arbeitnehmers liegende Umstände berücksichtigt werden. Die Eignung eines Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber während der Probezeit berechtigterweise prüfen will, hängt ua. von den für die Arbeitsleistung relevanten persönlichen Fähigkeiten ab. Im Streitfall konnte trotz der vorangegangenen Beschäftigung im unbefristeten Arbeitsverhältnis noch nicht von einer ausreichenden Erprobung des Klägers ausgegangen werden, weil seine Kompetenzen für die zu erfüllende Arbeitsaufgabe zwar möglicherweise vorhanden sein, aber erst mit besonderer, leidensgerechter Hilfestellung abgerufen werden konnten.
  • In der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe rechtfertigen die Befristung.
    • Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 11.02.2015; 7 AZR 17/13) - Auszug aus den Entscheidungsgründen:
      Die Befristung eines Arbeitsvertrags kann aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG sachlich gerechtfertigt sein, wenn das Interesse des Arbeitgebers, aus sozialen Erwägungen mit dem betreffenden Arbeitnehmer nur einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen, auch angesichts des Interesses des Arbeitnehmers an einer unbefristeten Beschäftigung schutzwürdig ist. Das ist der Fall, wenn es ohne den in der Person des Arbeitnehmers begründeten sozialen Zweck überhaupt nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrags, auch nicht eines befristeten Arbeitsvertrags, gekommen wäre. In diesem Fall liegt es auch im objektiven Interesse des Arbeitnehmers, wenigstens für eine begrenzte Zeit bei diesem Arbeitgeber einen Arbeitsplatz zu erhalten. Die sozialen Erwägungen müssen das überwiegende Motiv des Arbeitgebers sein. An einem sozialen Beweggrund für den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags fehlt es, wenn die Interessen des Betriebs oder der Dienststelle und nicht die Berücksichtigung der sozialen Belange des Arbeitnehmers für den Abschluss des Arbeitsvertrags ausschlaggebend waren.
    • Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 18.01.2017; 7 AZR 236/15) - Auszug aus den Entscheidungsgründen:
      Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Wunsch des Arbeitnehmers nach einer nur zeitlich begrenzten Beschäftigung die Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG sachlich rechtfertigen. Allein aus dem durch Unterzeichnung des Arbeitsvertrags dokumentierten Einverständnis des Arbeitnehmers mit dem befristeten Vertragsschluss kann allerdings nicht auf einen entsprechenden Wunsch geschlossen werden, weil anderenfalls bei keiner Befristung eine Sachgrundkontrolle erforderlich wäre. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses müssen vielmehr objektive Anhaltspunkte vorliegen, aus denen ein Interesse des Arbeitnehmers gerade an einer befristeten Beschäftigung folgt. Solche objektiven Umstände können zB in familiären Verpflichtungen, noch nicht abgeschlossener Ausbildung oder einem Heimkehrwunsch eines ausländischen Arbeitnehmers liegen.
  • Der Arbeitnehmer wird aus Haushaltsmitteln vergütet, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er wird auch entsprechend beschäftigt (sog. Haushaltsbefristung).
    Der Grund ist nur für öffentlich-rechtliche Arbeitgeber nutzbar. Damit hat sich die öffentliche Hand einen eigenen unkomplizierten und rechtssicheren Rechtfertigungsgrund für Befristungen geschaffen.
    • Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 07.07.1999; 7 AZR 609/97)
      Leitsätze:
      1. Haushaltsrechtliche Gründe können die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtfertigen, wenn der öffentliche Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aufgrund konkreter Tatsachen die Prognose erstellen kann, daß für die Beschäftigung des Arbeitnehmers Haushaltsmittel nur vorübergehend zur Verfügung stehen.
      2. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Haushaltsgesetzgeber eine für die Beschäftigung eines Beamten bestimmte Planstelle nur vorübergehend für die Besetzung mit einem Angestellten freigegeben hat.
    • Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 18.10.2006; 7 AZR 419/05)
      Leitsätze:
      1. Ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG vor, wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und der Arbeitnehmer zu Lasten dieser Mittel eingestellt und entsprechend beschäftigt wird.
      2. Für den Sachgrund in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG ist es erforderlich, dass die für eine befristete Beschäftigung bestimmten Haushaltsmittel mit einer Zwecksetzung für die Erledigung von nur vorübergehenden Aufgaben ausgebracht werden.
  • Die Befristung beruht auf einem gerichtlichen Vergleich.
    • Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 21.03.2017; 7 AZR 369/15) - Auszug aus den Entscheidungsgründen:
      Voraussetzung für den Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG ist die Vereinbarung einer Befristung des Arbeitsverhältnisses in einem gerichtlichen Vergleich, soweit die Parteien darin zur Beendigung eines Kündigungsschutzverfahrens oder eines sonstigen Feststellungsrechtsstreits über den Fortbestand oder die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eine Einigung erzielen (vgl. BAG 8. Juni 2016 - 7 AZR 339/14 - Rn. 14; 14. Januar 2015 - 7 AZR 2/14 - Rn. 23; 12. November 2014 - 7 AZR 891/12 - Rn. 13, BAGE 150, 8; 15. Februar 2012 - 7 AZR 734/10 - Rn. 13, BAGE 140, 368). Der gerichtliche Vergleich, mit dem die Parteien zur Beilegung einer derartigen Rechtsstreitigkeit ein befristetes oder auflösend bedingtes Arbeitsverhältnis vereinbaren, unterliegt keiner weiteren Befristungskontrolle. Deren Funktion erfüllt das Arbeitsgericht durch seine ordnungsgemäße Mitwirkung beim Zustandekommen des Vergleichs.

Diese Gründe sind nicht abschließend, sondern nur eine Reihe von Beispielen. Der sachliche Grund für die Befristung muss im Arbeitsvertrag schriftlich fixiert werden.

Befristung - mittelbare Vertretung - Kausalzusammenhang
Der Sachgrund der Vertretung setzt einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung der Vertretungskraft voraus. Der Bedarf für die Beschäftigung des Vertreters muss auf die Abwesenheit des zeitweilig ausgefallenen Arbeitnehmers zurückzuführen sein.
Bundesarbeitsgericht Urteil vom 21.02.2018 (7 AZR 696/16)
Auszug aus den Entscheidungsgründen:

Der Kausalzusammenhang kann auch gegeben sein, wenn der Vertreter nicht unmittelbar die Aufgaben des vertretenen Mitarbeiters übernimmt. Die befristete Beschäftigung zur Vertretung lässt die Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt. Wird die Tätigkeit des zeitweise ausgefallenen Mitarbeiters nicht von dem Vertreter, sondern von einem anderen Arbeitnehmer oder von mehreren anderen Arbeitnehmern ausgeübt und deren Tätigkeit dem Vertreter übertragen (mittelbare Vertretung), hat der Arbeitgeber zur Darstellung des Kausalzusammenhangs grundsätzlich die Vertretungskette zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter darzulegen.

Die Befristung mit einem sachlichen Grund ist auch im Anschluss an einen befristeten Arbeitsvertrag, der ohne sachlichen Grund wirksam geschlossen worden ist, möglich.

An eine befristete Beschäftigung aus sachlichem Grund eine befristete Beschäftigung ohne sachlichen Grund bei demselben Arbeitgeber anzuschließen ist unzulässig.

Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 08.02.2010 (16 Sa 1032/09)
Nachträgliche Vereinbarung einer Befristung - Saisonarbeitsverhältnis

Orientierungssatz:
1. Bei Vorliegen eines die Befristung rechtfertigenden sachlichen Grundes kann ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nachträglich befristet werden (BAG 16.4.2008 - 7 AZR 1048/06).
2. Bei einem Sportler-Camp am ..., das von März bis November für Gäste geöffnet ist, handelt es sich um einen Saisonbetrieb. Die Wirksamkeit der Befristung nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG scheitert nicht daran, dass eine alternative Vertragsgestaltung denkbar ist, nämlich die Vereinbarung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses, das während der Winterzeit ruht (vgl. BAG 11.2.2004 - 7 AZR 362/03).
Auszug aus den Entscheidungsgründen:
Die Befristung des Arbeitsverhältnisses ist durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt, weil der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht, § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG. Dies ist bei Saisonbetrieben, in denen die Struktur darin besteht, während einer bestimmten Zeit des Jahres mit mehr Mitarbeitern als der Stammbelegschaft zu arbeiten, der Fall (Dörner, Der befristeter Arbeitsvertrag, 2003, Randnummer 292). Um einen derartigen Betrieb handelt es sich bei dem vom Beklagten betriebenen Camp. Dieses ist nur in der Zeit von März bis November für Gäste geöffnet. Während dieser Zeit ist die Saison. Die Arbeit der Klägerin als Reinigungskraft ist auch saisonbedingt, da sie nur anfällt wenn Gäste die Einrichtung des Beklagten besuchen.

Saisonarbeitsverhältnis - Begrenzte Beschäftigung in einem unbefristeten Arbeitsvertrag

Der Kläger war als vollbeschäftigter Arbeitnehmer jeweils für die Saison vom 1. April bis zum 31. Oktober eines jeden Kalenderjahres eingestellt.

Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass hier kein befristeter Arbeitsvertrag vorlag. Der Arbeitsvertrag war nach Ansicht der Richter unbefristet. Lediglich die Arbeits- und Vergütungspflicht war auf die Monate April bis Oktober eines jeden Jahres begrenzt.

Unbefristetes Arbeitsverhältnis mit wirksamer Begrenzung auf einen Jahreszeitraum - Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. November 2019 - 7 AZR 582/17
Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 39/19 des Bundesarbeitsgerichts:

Die Vereinbarung einer auf die Badesaison begrenzten Beschäftigung im unbefristeten Arbeitsvertrag eines in einem Freibad beschäftigten Arbeitnehmers kann jedenfalls dann wirksam sein, wenn für den Arbeitnehmer außerhalb der Badesaison kein Beschäftigungsbedarf besteht.
....

Die Parteien haben in dem Vertrag vom 1. April 2006 nicht eine Vielzahl befristeter Arbeitsverhältnisse für die künftigen Jahre vereinbart. Vielmehr ist das Arbeitverhältnis unbefristet, lediglich die Arbeits- und Vergütungspflicht ist auf die Monate April bis Oktober eines jeden Jahres begrenzt. Diese Vereinbarung ist wirksam. Der Kläger wird dadurch nicht nach § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt, da die Beklagte bei Abschluss des Arbeitsvertrags davon ausgehen durfte, nur während der Badesaison Beschäftigungsbedarf für den Kläger zu haben.

Wiederholte Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags - Kettenbefristung

Nach einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (C-586/10 vom 26.01.2012) kann die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge auch dann durch einen Vertretungsbedarf gerechtfertigt sein, wenn sich dieser Bedarf als wiederkehrend oder sogar ständig erweist. Der Einsatz dieser aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträge kann jedoch gegebenenfalls unter Berücksichtigung ihrer Zahl und Gesamtdauer einer Missbrauchskontrolle unterzogen werden

Hintergrund:
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens Frau Kücük war über einen Zeitraum von elf Jahren auf der Grundlage von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen beim Land Nordrhein-Westfalen als Justizangestellte im Geschäftsstellenbereich des Amtsgerichts Köln tätig. Alle diese Verträge wurden zur Vertretung unbefristet eingestellter Justizangestellter geschlossen, die sich vorübergehend (beispielsweise im Rahmen der Elternzeit) hatten beurlauben lassen.
Das Bundesarbeitsgericht hat den Gerichtshof der Europäischen Union nach der Auslegung der einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts gefragt.

Gerichtshof der Europäischen Union
PRESSEMITTEILUNG Nr. 4/12
Luxemburg, den 26. Januar 2012
Urteil in der Rechtssache C-586/10 Bianca Kücük
Auszug:

Aus dem bloßen Umstand, dass ein Arbeitgeber gezwungen sein mag, wiederholt oder sogar dauerhaft auf befristete Vertretungen zurückzugreifen, und dass diese Vertretungen auch durch die Einstellung von Arbeitnehmern mit unbefristeten Arbeitsverträgen gedeckt werden könnten, folgt weder, dass kein solcher sachlicher Grund gegeben ist, noch das Vorliegen eines Missbrauchs. Automatisch den Abschluss unbefristeter Verträge zu verlangen, wenn die Größe des betroffenen Unternehmens oder der betroffenen Einrichtung und die Zusammensetzung des Personals darauf schließen lassen, dass der Arbeitgeber mit einem wiederholten oder ständigen Bedarf an Vertretungskräften konfrontiert ist, ginge nämlich über die Ziele hinaus, die mit der durch das Unionsrecht umgesetzten Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner verfolgt werden, und würde somit den Wertungsspielraum verletzen, der den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern eingeräumt wird.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags im Einzelfall durch einen sachlichen Grund wie den vorübergehenden Bedarf an Vertretungskräften gerechtfertigt ist, müssen die nationalen Behörden jedoch alle Umstände dieses Einzelfalls einschließlich der Zahl und der Gesamtdauer der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen befristeten Verträge berücksichtigen.

Bundesarbeitsgericht - "Kettenbefristung" und Rechtsmissbrauch

Ausgehend vom Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union, entschied das Bundesarbeitsgericht, dass das Vorliegen eines ständigen Vertretungsbedarfs der Annahme des Sachgrunds der Vertretung nicht entgegensteht, sondern an den Grundsätzen der Sachgrundprüfung uneingeschränkt festgehalten werden kann.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Kettenbefristung von Arbeitsverträgen aber erschwert. Kettenarbeitsverträge müssen begründet werden.

Bundesarbeitsgericht Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 443/09
Rechtsmissbrauchskontrolle bei Vertretungsbefristung - Anforderungen an den Sachgrund der Vertretung
Leitsätze:

Die Gerichte dürfen sich bei der Befristungskontrolle nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds der Vertretung beschränken. Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, alle Umstände des Einzelfalls und dabei namentlich die Gesamtdauer und die Zahl der mit derselben Person zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge zu berücksichtigen, um auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen. Diese zusätzliche Prüfung ist im deutschen Recht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorzunehmen.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

Vorliegend spricht die elf Jahre übersteigende Gesamtdauer der insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträge dafür, dass der bei der letzten Befristungsabrede vorhandene Sachgrund der Vertretung missbräuchlich eingesetzt wurde.
....
Auch die Ausnutzung der durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten kann unter bestimmten Voraussetzungen rechtsmissbräuchlich sein, etwa wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeber in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem Arbeitnehmer aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge nur abschließen, um auf diese Weise über die nach § 14 Abs. 2 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können ....
....
Die Gesamtdauer von mehr als elf Jahren und die Anzahl von 13 Befristungen sprechen vorliegend dafür, dass das beklagte Land die an sich eröffnete Möglichkeit der Vertretungsbefristung rechtsmissbräuchlich ausgenutzt hat.

Der Rechtsstreit wurde damit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Später erfolgte eine außergerichtliche Einigung.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit dem Urteil 7 AZR 135/15 vom 26.10.2016 klargestellt, ab wann eine weitere Befristung des Arbeitsvertrags noch möglich ist und ab wann eine weitere Befristung besser vermieden werden sollte.
Bundesarbeitsgericht - Urteil 7 AZR 135/15 vom 26.10.2016
Befristung - institutioneller Rechtsmissbrauch

Leitsatz:

1. Besteht ein Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 TzBfG, ist eine umfassende Kontrolle nach den Grundsätzen eines institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) idR geboten, wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses acht Jahre überschreitet oder mehr als zwölf Verlängerungen des befristeten Arbeitsvertrags vereinbart wurden oder wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses sechs Jahre überschreitet und mehr als neun Vertragsverlängerungen vereinbart wurden. Unter diesen Voraussetzungen hängt es von weiteren, zunächst vom Kläger vorzutragenden Umständen ab, ob ein Missbrauch der Befristungsmöglichkeit anzunehmen ist.

2. Von einem indizierten Rechtsmissbrauch ist idR auszugehen, wenn die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses zehn Jahre überschreitet oder mehr als 15 Vertragsverlängerungen vereinbart wurden oder wenn mehr als zwölf Vertragsverlängerungen bei einer Gesamtdauer von mehr als acht Jahren vorliegen. In einem solchen Fall hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften.

Damit gibt es drei Bereiche:

  1. Verdacht auf einen Rechtsmissbrauch. Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften.
    • Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses überschreitet zehn Jahre oder
    • mehr als 15 Vertragsverlängerungen wurden vereinbart oder
    • es liegen mehr als zwölf Vertragsverlängerungen bei einer Gesamtdauer von mehr als acht Jahren vor.
  2. Das ist ein sog. gelber Bereich. Im Streitfall findet vor dem Arbeitsgericht eine Missbrauchskontrolle statt. Unter diesen Voraussetzungen hängt es von weiteren, zunächst vom Kläger vorzutragenden Umständen ab, ob ein Missbrauch der Befristungsmöglichkeit anzunehmen ist.
    • Die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses überschreitet acht Jahre oder
    • es wurden mehr als zwölf Verlängerungen des befristeten Arbeitsvertrags vereinbart oder
    • die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses überschreitet sechs Jahre und es wurden mehr als neun Vertragsverlängerungen vereinbart.
  3. Wenn die genannten Grenzen zur Vertragsdauer und die Anzahl der Befristungen nicht überschritten werden, ist im Streitfall vor dem Arbeitsgericht keine Missbrauchskontrolle durchzuführen.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

Die Bestimmung der Schwelle eines institutionellen Rechtsmissbrauchs hängt maßgeblich von der Gesamtdauer der befristeten Verträge sowie der Anzahl der Vertragsverlängerungen ab. Ist danach die Prüfung eines institutionellen Rechtsmissbrauchs veranlasst, sind weitere Umstände zu berücksichtigen. Dabei kann von Bedeutung sein, ob der Arbeitnehmer stets auf demselben Arbeitsplatz mit denselben Aufgaben beschäftigt wurde oder ob es sich um wechselnde, ganz unterschiedliche Aufgaben handelt. Bei zunehmender Anzahl befristeter Verträge und Dauer der befristeten Beschäftigung eines Arbeitnehmers kann es zudem für eine missbräuchliche Ausnutzung der dem Arbeitgeber an sich rechtlich eröffneten Befristungsmöglichkeit sprechen, wenn er gegenüber einem bereits langjährig beschäftigten Arbeitnehmer trotz der tatsächlich vorhandenen Möglichkeit einer dauerhaften Einstellung immer wieder auf befristete Verträge zurückgreift (BAG 19. Februar 2014 - 7 AZR 260/12 - Rn. 36 mwN). Die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs bei aneinandergereihten befristeten Arbeitsverträgen zur Vertretung liegt näher, wenn die Laufzeit der Verträge wiederholt hinter der prognostizierten Dauer des Vertretungsbedarfs zurückbleibt, ohne dass dafür ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers erkennbar ist (vgl. grundsätzlich BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 46, BAGE 142, 308). Anhaltspunkte für und gegen einen Rechtsmissbrauch können sich auch aus der Art der Vertretung ergeben; regelmäßig erweist sich etwa eine Befristung zur unmittelbaren Vertretung gegenüber einer mittelbaren Vertretung oder einer Vertretung nach dem Modell der sog. gedanklichen Zuordnung als weniger missbrauchsanfällig (vgl. dazu BAG 7. Oktober 2015 - 7 AZR 944/13 - Rn. 22; 11. Februar 2015 - 7 AZR 113/13 - Rn. 20 f.). Die Anzahl und Dauer etwaiger Unterbrechungen zwischen den befristeten Arbeitsverträgen können gegen einen Rechtsmissbrauch sprechen (vgl. BAG 10. Juli 2013 - 7 AZR 761/11 - Rn. 27). Bei der Gesamtwürdigung können daneben weitere Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Grundrechtlich gewährleistete Freiheiten können ebenso von Bedeutung sein (BAG 29. April 2015 - 7 AZR 310/13 - Rn. 25; 24. September 2014 - 7 AZR 987/12 - Rn. 38; 19. Februar 2014 - 7 AZR 260/12 - Rn. 36; 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 47, aaO) wie besondere Anforderungen der in Rede stehenden Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien zu berücksichtigen sind, sofern dies objektiv gerechtfertigt ist (EuGH 26. Februar 2015 - C-238/14 - Rn. 40; BAG 7. Oktober 2015 - 7 AZR 944/13 - Rn. 15).

Befristung ohne sachlichen Grund (§ 14 Abs. 2 TzBfG)

Eine sachgrundlose Befristung ist grundsätzlich nur zulässig, wenn zuvor keine Beschäftigung beim selben Arbeitgeber bestand.

Die Befristung ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes darf insgesamt die Höchstdauer von zwei Jahren nicht überschreiten. Zulässig ist es jedoch innerhalb dieses Zweijahreszeitraums einen einmal befristeten Arbeitsvertrag bis zu dreimal zu verlängern (§ 14 Abs. 2 TzBfG).

Die früher geltende Regelung, nach der Arbeitnehmer, die bereits das 52. Lebensjahr vollendet haben, ohne sachlichen Grund und ohne zeitliche Begrenzung mit jeweils befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt werden dürfen, wurde vom Europäischen Gerichtshof für rechtswidrig erklärt. Daraufhin wurde der § 14 Abs. 3 TzBfG geändert.

Jetzt ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme teilgenommen hat. Bis zu einer Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.

Eine weitere Ausnahme besteht für Existenzgründer. Diese dürfen in den ersten vier Jahren nach der Gründung ihres Unternehmens Arbeitsverträge ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren kalendermäßig befristen. Bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig (§ 14 Abs. 2a TzBfG).


Überschreitung der Höchstbefristungsdauer

Es besteht schon dann eine unwirksame Befristung und damit ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, wenn sich der Arbeitgeber bei der Befristung nur um einen Tag verrechnet hat. Der Arbeitgeber kann den Vertrag nicht anfechten.
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern 2. Kammer, Urteil vom 17.04.2013, 2 Sa 237/12:

Überschreitet der Verlängerungsvertrag gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG den Zwei-Jahres-Zeit-Raum um einen Tag ist eine Anfechtung des Arbeitsvertrages unter dem Gesichtspunkt des Erklärungs- oder Inhaltsirrtums grundsätzlich nicht gegeben.
Es liegt ein unbeachtlicher Kalkulationsirrtum vor.

Diese Auffassung wurde auch vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf im Urteil 10 Sa 252/19 vom 21.02.2020 vertreten:

1. Einigen sich die Vertragsparteien darüber, dass der Arbeitnehmer zu einer im betrieblichen Interesse erforderlichen und angeordneten Schulung, die am frühen Morgen des Tages beginnen soll, der zunächst als Vertragsbeginn vorgesehen war, bereits am Vortag anreist, weil der Schulungsort so weit vom Dienstort entfernt liegt, dass anderenfalls eine rechtzeitige Anreise nicht möglich oder unzumutbar wäre, handelt es sich bei der Fahrtzeit für die dienstlich erforderliche Anreise um Arbeitszeit im arbeitsvertragsrechtlichen Sinne. Der Arbeitnehmer erbringt damit bereits die versprochenen Dienste im Sinne von § 611 Abs. 1 BGB (a.F.). Vertragsrechtliche Arbeitszeit ohne Arbeitsvertrag gibt es nicht (Im Anschluss an Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 09. April 2019 - 3 Sa 1126/18 -, juris).

2. Die Einigung über vertragsrechtliche Arbeitszeit am Vortag des ursprünglich vorgesehenen Vertragsbeginns führt zur einvernehmlichen Vorverlegung des Beginns des Arbeitsverhältnisses auf den Tag der Dienstreise.

3. Beginnt das Arbeitsverhältnis dementsprechend am 04.09.2016, überschreitet eine bis 04.09.2018 vereinbarte Befristung den für sachgrundlose Befristungen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG maximal zulässigen Zeitraum von zwei Jahren um einen Tag. Rechtsfolge ist die Unwirksamkeit der Befristungsabrede und das Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.


Der § 14 Abs. 2 TzBfG enthält für Tarifverträge eine Sonderregelung:

Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

Die Vorschrift erlaubt den Tarifvertragsparteien nicht nur, entweder Gesamtdauer oder Anzahl der Verlängerungen, sondern beides zugleich auch zuungunsten der Arbeitnehmer abweichend vom Gesetz zu regeln. Dazu gibt es ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15. August 2012 (7 AZR 184/11). Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 57/12 - Tarifvertragliche Regelungen über sachgrundlose Befristung:

Der Kläger war bei der Beklagten - einem Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes - aufgrund eines befristeten, mehrfach verlängerten Arbeitsvertrags vom 3. April 2006 bis zum 2. Oktober 2009 als Transportfahrer beschäftigt. Im ersten Vertrag und in den Verlängerungsverträgen war die Anwendung des Manteltarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland (MRTV) vereinbart. Nach § 2 Nr. 6 Sätze 1 und 2 MRTV sind ohne sachlichen Grund sowohl die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags bis zur Dauer von 42 Monaten als auch bis zu dieser Gesamtdauer die höchstens viermalige Verlängerung zulässig. Der Kläger hält die tarifliche Bestimmung für unwirksam und griff daher die darauf gestützte Befristung seines Arbeitsvertrags zum 2. Oktober 2009 an. Seine Klage hatte - wie schon in den Vorinstanzen - auch beim Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Regelung des MRTV ist wirksam. Sie ist durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG gedeckt. Der Fall verlangte keine Entscheidung, wo die möglichen Grenzen der gesetzlich eröffneten Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien liegen.

Zum gleichen Ergebnis kam das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 26. Oktober 2016 (7 AZR 140/15) in einem ähnlichen Fall.
Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 58/16 - Tarifvertragliche Regelungen über sachgrundlose Befristungen:

Eine tarifliche Regelung, die die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen bis zu einer Gesamtdauer von fünf Jahren bei fünfmaliger Verlängerungsmöglichkeit zulässt, ist wirksam.
....
Diese Befugnis der Tarifvertragsparteien gilt aus verfassungs- und unionsrechtlichen Gründen nicht schrankenlos. Der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffnete Gestaltungsrahmen der Tarifvertragsparteien ermöglicht nur Regelungen, durch die die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Werte für die Höchstdauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags und die Anzahl der möglichen Vertragsverlängerungen nicht um mehr als das Dreifache überschritten werden.

Ein Hindernis zur Befristung wurde im Jahr 2011 (scheinbar) beseitigt.

Kurzer Abriss der Entwicklung:
Nach alter Auffassung durfte nie zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber bestanden haben, um einen befristeten Arbeitsvertrag ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zu schließen.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit dem Urteil vom 06.04.2011 (7 AZR 716/09) die sachgrundlose Befristung trotz Vorbeschäftigung ermöglicht. Nach Auffassung des BAG ist der § 14 Abs. 2 TzBfG verfassungskonform auszulegen.
§ 14 Abs. 2 TzBfG:

Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. ....

Eine "Zuvor-Beschäftigung" im Sinne dieser Vorschrift liegt nach Auffassung des BAG nicht vor, wenn ein früheres Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt.

Mit dem Urteil vom 21.09.2011 (7 AZR 375/10) legt das BAG fest, dass ein Berufsausbildungsverhältnis kein Arbeitsverhältnis iSd. Vorbeschäftigungsverbots für eine sachgrundlose Befristung ist.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg stellt sich mit seiner Entscheidung (Urteil vom 26.9.2013, 6 Sa 28/13) ausdrücklich gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Landesarbeitsgericht hält die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung durch das Bundesarbeitsgericht für überschritten.
Mit dem Urteil vom 21.02.2014 (7 Sa 64/13) stellt sich das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg erneut gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Das Arbeitsgericht Braunschweig hatte über die Wirksamkeit einer Befristung zu entscheiden. Das Arbeitsgericht Braunschweig setzte das Verfahren aus und rief das Bundesverfassungsgericht am 3. April 2014 zu der Frage an, ob § 14 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) in der Fassung vom 20. Dezember 2011 mit Artikel 12 Absatz 1 , Artikel 2 Absatz 1, Artikel 3 Absatz 1 GG unvereinbar und deshalb nichtig ist.
Der Bundesrat hat in seiner 930. Sitzung am 6. Februar 2015 beschlossen, zu den in der Drucksache 12/15 (dazu gehört der Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig) näher bezeichneten Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht von einer Äußerung und einem Beitritt abzusehen.

Das Bundesverfassungsgericht hat am 06.06.2018 eine Entscheidung zum Anschlussverbot bei sachgrundlosen Befristungen gefällt. Danach ist eine sachgrundlose Befristung grundsätzlich nur zulässig, wenn zuvor keine Beschäftigung beim selben Arbeitgeber bestand. Damit hat das Bundesverfassungsgericht dem vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Modell, wonach mit Abstand von drei Jahren immer wieder eine sachgrundlose Befristung möglich sein sollte, eine Absage erteilt. Gerichte können aber in wenigen Ausnahmefällen davon abweichen.
Leitsätze zum Beschluss des Ersten Senats vom 6. Juni 2018 (1 BvL 7/14; 1 BvR 1375/14):

  1. Die gesetzliche Beschränkung befristeter Beschäftigungsformen und die Sicherung der unbefristeten Dauerbeschäftigung als Regelbeschäftigungsform trägt der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Pflicht des Staates zum Schutz der strukturell unterlegenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und dem Sozialstaatsprinzip der Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG Rechnung.
  2. Die mit einer Beschränkung der sachgrundlosen Befristung auf die erstmalige Beschäftigung bei dem jeweiligen Arbeitgeber einhergehende Beeinträchtigung der individuellen Berufsfreiheit ist insoweit gerechtfertigt, als dies für den Schutz vor der Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung einer strukturellen Unterlegenheit und zur Sicherung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses als Regelfall bedarf.
  3. Richterliche Rechtsfortbildung darf den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen.

Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 47/2018 des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juni 2018:

Unzumutbar ist ein generelles Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber allerdings, wenn und soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Das können bestimmte geringfügige Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studienzeit oder der Familienzeit sein, die Tätigkeit von Werkstudierenden oder die lang zurückliegende Beschäftigung von Menschen, die sich später beruflich völlig neu orientieren. Die Fachgerichte können und müssen in solchen Fällen den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einschränken.

Die Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG durch das Bundesarbeitsgericht ist allerdings mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht zu vereinbaren. Die Annahme, eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrages sei immer dann zulässig, wenn eine Vorbeschäftigung mehr als drei Jahre zurückliege, überschreitet die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, weil der Gesetzgeber sich hier erkennbar gegen eine solche Befristung entschieden hatte. Die Auslegung der Gesetze durch die Fachgerichte muss die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren. Dazu muss sie auch die Gesetzesmaterialien in Betracht ziehen. In Betracht zu ziehen sind hier die Begründung eines Gesetzentwurfes, der unverändert verabschiedet worden ist, die darauf bezogenen Stellungnahmen von Bundesrat und Bundesregierung und die Stellungnahmen, Beschlussempfehlungen und Berichte der Ausschüsse. Diese zeigten hier deutlich auf, dass eine sachgrundlose Befristung zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich nur einmal und nur bei der erstmaligen Einstellung zulässig sein soll. Das damit klar erkennbare gesetzliche Regelungskonzept darf von den Fachgerichten nicht übergangen und durch ein eigenes Konzept ersetzt werden.

Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.06.2018 wurde die folgende Entscheidungsformel am 28.06.2018 im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2018 Teil I Nr. 22 veröffentlicht:

§ 14 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) vom 21. Dezember 2000 (Bundesgesetzblatt I Seite 1966), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2011 (Bundesgesetzblatt I Seite 2854), ist nach Maßgabe der Gründe mit dem Grundgesetz vereinbar.

Die vorstehende Entscheidungsformel hat gemäß § 31 Absatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Gesetzeskraft.

Arbeitgeber sollten sich bei künftigen sachgrundlos befristeten Einstellungen absichern. Vom Bewerber sollte eine Erklärung verlangt werden, dass er noch nie zuvor beim selben Arbeitgeber beschäftigt war. Wenn der Bewerber eine falsche Erklärung abgibt, kann das Arbeitsverhältnis später angefochten oder gekündigt werden.

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts mit zahlreichen Befristungskontrollklagen zu befassen. Es gab dabei seine Rechtsprechung auf. In vielen Fällen ging es um die Konkretisierung des Vorbeschäftigungsverbots. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht näher definiert, wann eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet oder von sehr kurzer Dauer war.

Sachgrundlose Befristung - Vorbeschäftigung - Bundesarbeitsgericht Urteil vom 23. Januar 2019 (7 AZR 733/16) - 8 Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung nicht ausreichend
Leitsätze:

1. Die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 TzBfG ist bei der erneuten Einstellung eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber nur zulässig, wenn die Anwendung des in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bestimmten Verbots der sachgrundlosen Befristung bei einer Vorbeschäftigung für die Arbeitsvertragsparteien unzumutbar wäre. In einem solchen Fall ist der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Wege verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift einzuschränken. Dazu genügt allein ein Zeitablauf von acht Jahren seit dem Ende der Vorbeschäftigung nicht. Der Senat gibt seine Rechtsprechung, wonach die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig ist, wenn die Vorbeschäftigung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber mehr als drei Jahre zurückliegt (BAG 21. September 2011 - 7 AZR 375/10 - BAGE 139, 213; 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - BAGE 137, 275), auf.
2. Ein Arbeitgeber, der im Hinblick auf die Rechtsprechung des Senats eine sachgrundlose Befristung mit einem Arbeitnehmer vereinbart hat, der bereits länger als drei Jahre zuvor bei ihm beschäftigt war, kann sich nicht auf ein rechtlich schützenswertes Vertrauen in die Senatsrechtsprechung berufen.

Sachgrundlose Befristung - Vorbeschäftigung - Bundesarbeitsgericht Urteil vom 17.04.2019 (7 AZR 323/17) - 15 Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung nicht ausreichend
Auszug aus den Entscheidungsgründen:

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts genügt es nicht, dass das Vorbeschäftigungsverhältnis lang zurückliegt, es muss vielmehr sehr lang zurückliegen. Das kann bei einem Zeitraum von ca. 15 Jahren - ohne das Hinzutreten besonderer Umstände - grundsätzlich nicht angenommen werden. Allein aufgrund dieses Zeitablaufs ist das Verbot der sachgrundlosen Befristung für die Arbeitsvertragsparteien nicht unzumutbar. Zwar dürfte bei dieser Zeitspanne eine Gefahr der Kettenbefristung nicht bestehen. Allerdings würde die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung bei einer erneuten Einstellung 15 Jahre nach dem Ende der Vorbeschäftigung allein wegen des Zeitablaufs den vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten Zweck, das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten, gefährden.

Sachgrundlose Befristung - Vorbeschäftigung - Bundesarbeitsgericht Urteil vom 21.08.2019 (7 AZR 452/17) - 22 Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung ist ausreichend
Leitsätze:

Nach Ablauf von 22 Jahren seit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann bei der erneuten Einstellung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber in der Regel eine Befristung ohne Sachgrund vereinbart werden. In einem solchen Fall ist es geboten, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift nicht anzuwenden, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Anwendung des Verbots dennoch gebieten könnten.

Sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis im Anschluss an ein Heimarbeitsverhältnis

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitsvertrag auch dann ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren kalendermäßig befristet werden, wenn zwischen den Parteien zuvor ein Heimarbeitsverhältnis bestanden hat (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 24. August 2016 - 7 AZR 342/14).
Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 43/16 des Bundesarbeitsgerichts vom 24.08.2016:

Ein Arbeitsvertrag kann auch dann ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren kalendermäßig befristet werden, wenn zwischen den Parteien zuvor ein Heimarbeitsverhältnis bestanden hat.
....
Die Befristung des Arbeitsvertrags ist wirksam. Der Arbeitsvertrag konnte nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für die Dauer von zwei Jahren ohne Vorliegen eines sachlichen Grunds befristet werden. Eine sachgrundlose Befristung ist zwar nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Ein Heimarbeitsverhältnis nach § 2 Abs. 1 HAG ist jedoch kein Arbeitsverhältnis im Sinne von § 14 Abs. 2 TzBfG.

Befristete Beschäftigung von Arbeitnehmern mit Erreichen der Regelaltersgrenze zulässig

Die befristete Anstellung eines Arbeitnehmers mit Erreichen der Regelaltersgrenze steht nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Einklang mit EU-Recht (Urteil vom 28.02.2018, Rechtssache C-46/17).

Im Prinzip ging es um die Frage, ob eine Befristung nach § 41 SGB VI altersdiskriminierend ist. In der seit dem 23. Juni 2014 geltenden Fassung bestimmt Satz 3:

Sieht eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vor, können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, gegebenenfalls auch mehrfach, hinausschieben.

Diese Regelung erlaubt es den Vertragsparteien, den Zeitpunkt für das Ende des Arbeitsverhältnisses auch über die Regelaltersgrenze hinauszuschieben. Das Landesarbeitsgericht Bremen fragte den Europäischen Gerichtshof, ob die deutsche Regelung mit dem unionsrechtlichen Verbot der Diskriminierung wegen des Alters und mit der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vereinbar ist.

Am 28.02.2018 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags nach dem Erreichen des Renteneintritts zulässig ist und die deutsche Regelung im SGB VI konform mit dem Europarecht ist. Ältere Arbeitnehmer würden damit nicht gegenüber jüngeren Kollegen diskriminiert.

Nach Ansicht der Richter kann die streitige Bestimmung als zulässige Ausnahme vom Grundsatz der automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses beim Erreichen der Regelaltersgrenze angesehen werden. Denn anders als jüngere Arbeitnehmer kann ein Arbeitnehmer, der die Regelaltersgrenze erreicht, zwischen der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses und dem völligen Ausscheiden aus dem Berufsleben wählen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

  1. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung nicht entgegensteht, die wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, bei Arbeitnehmern, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, das Hinausschieben des Zeitpunkts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von einer befristet erteilten Zustimmung des Arbeitgebers abhängig macht.
  2. Paragraf 5 Nr. 1 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung nicht entgegensteht, die es wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, den Arbeitsvertragsparteien ohne weitere Voraussetzungen zeitlich unbegrenzt ermöglicht, die vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses, gegebenenfalls auch mehrfach, hinauszuschieben, nur weil der Arbeitnehmer durch Erreichen der Regelaltersgrenze einen Anspruch auf Altersrente hat.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 19. Dezember 2018 (7 AZR 70/17) bestätigt, dass die Regelaltersgrenze zum Beschäftigungsende führen darf.
Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 69/18:

Die Regelung in § 41 Satz 3 SGB VI, die es den Arbeitsvertragsparteien ermöglicht, im Falle der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersgrenze den Beendigungszeitpunkt durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses hinauszuschieben, ist wirksam. Sie ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

Sachgrundlose Befristung eines Betriebsratsmitglieds

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts können auch die Arbeitsverträge von Betriebsratsmitgliedern wirksam ohne Sachgrund befristet werden.
Bundesarbeitsgericht Urteil vom 05.12.2012, 7 AZR 698/11
Sachgrundlose Befristung eines Betriebsratsmitglieds - Zulässigkeit der Tariföffnungsklausel - wirksame Befristung nach MTV-Wach- und Sicherheitsgewerbe
Leitsätze:

Die nach § 14 Abs. 2 TzBfG sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisse von Betriebsratsmitgliedern enden ebenso wie diejenigen anderer Arbeitnehmer mit Ablauf der vereinbarten Befristung. Der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 TzBfG ist nicht etwa aus unionsrechtlichen Gründen teleologisch zu reduzieren.

Diese Auffassung bestätigte das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 25.06.2014 (7 AZR 847/12). In dem Fall war eine Arbeitnehmerin zunächst sachgrundlos befristet eingestellt worden. Danach wurde sie in den Betriebsrat gewählt. Später wurde der Arbeitsvertrag befristet verlängert. Nach dessen Ablauf lehnte der Arbeitgeber den Abschluss eines weiteren Vertrags ab. Die Arbeitnehmerin sah darin eine unzulässige Benachteiligung wegen ihrer Betriebsratstätigkeit. Das Landesarbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht sahen das aber anders. Im Prozess liegt die Beweislast für eine unzulässige Benachteiligung bei dem Betriebsratsmitglied.

Es ist als Arbeitnehmer mit einem befristeten Arbeitsvertrag also nicht möglich, über die Wahl in den Betriebsrat, einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu erzwingen.

Häufige Fehler bei befristeten Arbeitsverträgen

Schriftformerfordernis

Gesetzlich vorgeschrieben ist eine schriftliche Zusammenfassung der wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber hat spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag hilft bei der Vermeidung späteren Streits.

Nach § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Der Arbeitsvertrag kann zwar bis einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses nachgereicht werden, die Befristungsabrede ist aber vor Arbeitsbeginn schriftlich festzuhalten. Wird das nicht eingehalten, ist die Befristung unwirksam.
Eine elektronische Unterschrift verletzt bei einem befristetem Arbeitsvertrag u. U. die Schriftform.
Unwirksame Befristung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund elektronischer Signatur - Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 28.09.2021 (36 Ca 15296/20)
Leitsatz:

Dem Schriftformerfordernis gem. § 14 Abs. 4 TzBfG genügt eine elektronische Signatur jedenfalls dann nicht, wenn diese unter Verwendung eines Systems ohne eine nach Art. 26 eIDAS-VO erforderliche Zertifizierung erstellt wurde.

Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 43/21 des Arbeitsgerichts Berlin vom 26.10.2021:

Gemäß § 14 Absatz 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall haben der Arbeitnehmer und die Arbeitgeberin einen befristeten Arbeitsvertrag als Mechatroniker nicht durch eigenhändige Namensunterschrift auf dem Vertrag abgeschlossen, sondern unter Verwendung einer elektronischen Signatur. Das Arbeitsgericht hat entschieden, dass jedenfalls die hier verwendete Form der Signatur dem Schriftformerfordernis nicht genüge. Auch wenn man annehme, dass eine qualifizierte elektronische Signatur im Sinne des § 126a Bürgerliches Gesetzbuch zur wirksamen Vereinbarung einer Befristung ausreiche, liege in diesem Fall keine solche vor. Für eine qualifizierte elektronische Signatur sei eine Zertifizierung des genutzten Systems gemäß Artikel 30 der Verordnung (EU) vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt erforderlich. Eine solche Zertifizierung durch die gemäß § 17 Vertrauensdienstgesetz zuständige Bundesnetzagentur biete das verwendete System nicht. Entsprechend sei die Vereinbarung der Befristung mangels Einhaltung der Schriftform unwirksam, der Arbeitsvertrag gelte gemäß § 16 Teilzeit- und Befristungsgesetz als auf unbestimmte Zeit geschlossen.

Gegen die Entscheidung ist das Rechtsmittel der Berufung zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gegeben.

Befristung trotz Vorbeschäftigung

Bei einer Befristung ohne sachlichen Grund ist unbedingt zu klären ob schon ein Arbeitsverhältnis beim einstellenden Arbeitgeber bestanden hat (vom Bewerber eine Erklärung verlangen).

Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers nach dem Befristungsende

Im Eifer des Gefechts wird ein Mitarbeiter auch schon mal nach seinem Befristungsende weiterbeschäftigt. Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wissentlich weiterbeschäftigt, entsteht automatisch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.
Es gilt § 15 Abs. 6 TzBfG:

Wird das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist, oder nach Zweckerreichung mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt, so gilt es als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn der Arbeitgeber nicht unverzüglich widerspricht oder dem Arbeitnehmer die Zweckerreichung nicht unverzüglich mitteilt.

Wird einem Arbeitnehmer für die Zeit nach Ablauf seines befristeten Arbeitsverhältnisses Urlaub gewährt, führt das nicht zur Entfristung (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.02.2023 - 7 AZR 266/22).
Die Urlaubsgewährung stelle keine ausreichende Fortsetzungshandlung iSv. § 15 Abs. 6 TzBfG dar. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses setzt eine Fortsetzung der Tätigkeit ("Weiterarbeit") durch den Arbeitnehmer voraus.

Vorzeitige Kündigung eines befristeten Arbeitsvertrages

Auch in ein befristetes Arbeitsverhältnis kann eine Kündigungsklausel aufgenommen werden. Davon sollte unbedingt Gebrauch gemacht werden.
§ 15 Abs. 4 TzBfG:

Ein befristetes Arbeitsverhältnis unterliegt nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn dies einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist.

Wenn der Arbeitsvertrag keine entsprechende Regelung enthält muss der Arbeitgeber das Ende der Befristung abwarten. Eine vorzeitige Kündigung scheidet in diesem Fall aus.

Betriebliche Altersversorgung und befristet beschäftigte Arbeitnehmer

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts verstößt der Ausschluss von befristet Beschäftigten aus der betrieblichen Altersversorgung eines Arbeitgebers nicht gegen den § 4 Abs. 2 TzBfG. Die Richter sehen auch keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der Ausschluss ist damit sachlich gerechtfertigt.
Bundesarbeitsgericht Urteil vom 15.1.2013, 3 AZR 4/11
Auszug aus den Entscheidungsgründen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist es sachlich gerechtfertigt, nur vorübergehend beschäftigte Arbeitnehmer von betrieblichen Versorgungsleistungen auszuschließen. Die betriebliche Altersversorgung bezweckt unter anderem, die Betriebstreue des Arbeitnehmers zu fördern und zu belohnen. Bei nur vorübergehender Beschäftigung ist der Arbeitgeber nicht daran interessiert, den Arbeitnehmer an den Betrieb zu binden (BAG 19. April 2005 - 3 AZR 128/04 - zu II 2 der Gründe mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Post Nr. 7; 20. August 2002 - 3 AZR 14/01 - zu B IV 3 a der Gründe mwN, AP BetrAVG § 1 Überversorgung Nr. 9; 26. Januar 1999 - 3 AZR 381/97 - zu B II 2 b bb (2) der Gründe mwN, BAGE 90, 377). Erst mit der Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses entsteht nach der Versorgungsvereinbarung eine gesicherte betriebsrentenrechtliche Rechtsposition des Arbeitnehmers. Die während des befristeten Arbeitsverhältnisses erbrachte Betriebstreue wird dadurch ausreichend berücksichtigt, dass die im befristeten Arbeitsverhältnis zurückgelegte Beschäftigungszeit bei der Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angerechnet wird. Wenn sich das unbefristete Arbeitsverhältnis unmittelbar anschließt, rechnet die Beschäftigungszeit vom Beginn der ununterbrochenen Tätigkeit an (BAG 20. August 2002 - 3 AZR 14/01 - zu B IV 3 a der Gründe, aaO). Damit ist die Regelung in § 1 Abs. 1 der Dienstvereinbarung vom 7. März 1985, wonach nur unbefristet Beschäftigten Versorgungszusagen erteilt wurden, rechtlich nicht zu beanstanden.

Schlüsselverzeichnis (Tätigkeitsschlüssel) 2010 für Meldungen ab 01.12.2011

Der neue Tätigkeitsschlüssel ist 9-stellig und wird ab 01.12.2011 verbindlich eingeführt. Für die 9. Stelle - Vertragsform - gilt folgende Schlüsselübersicht:

Schlüsselzahl Personenkreis
1 unbefristeter Arbeitsvertrag - Vollzeit
2 unbefristeter Arbeitsvertrag - Teilzeit
3 befristeter Arbeitsvertrag - Vollzeit
4 befristeter Arbeitsvertrag - Teilzeit

© 2007-2024 A.Liebig - Impressum - Kontakt - Datenschutz - Inhaltsverzeichnis (Sitemap) - Lohnlexikon