Mindestlohnregelungen in der Pflegebranche

Aktuelles

Sechste Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche am 04.12.2023 im Bundesgesetzblatt verkündet.
Diese Verordnung tritt am 1. Februar 2024 in Kraft und mit Ablauf des 30. Juni 2026 außer Kraft.
Die Pflegekommission hatte sich einstimmig für höhere Mindestlöhne für Beschäftigte in der Altenpflege ausgesprochen.
Damit gilt:

  • Für Pflegehilfskräfte:
    • ab 01.02.2024: 14,15 € (Fortsetzung der auslaufenden Fünften Verordnung)
    • ab 01.05.2024: 15,50 €
    • ab 01.07.2025: 16,10 €
  • Für qualifizierte Pflegehilfskräfte (Pflegekräfte mit einer mindestens 1-jährigen Ausbildung und einer entsprechenden Tätigkeit):
    • ab 01.02.2024: 15,25 € (Fortsetzung der auslaufenden Fünften Verordnung)
    • ab 01.05.2024: 16,50 €
    • ab 01.07.2025: 17,35 €
  • Für Pflegefachkräfte:
    • ab 01.02.2024: 18,25 € (Fortsetzung der auslaufenden Fünften Verordnung)
    • ab 01.05.2024: 19,50 €
    • ab 01.07.2025: 20,50 €

Beschäftigte in der Altenpflege haben weiterhin einen Anspruch auf zusätzlichen bezahlten Urlaub über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinaus in Höhe von jeweils neun Tagen pro Kalenderjahr (bei einer 5-Tage-Woche).

Mindestlöhne für Beschäftigte in der Pflegebranche


Die Fünfte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Fünfte Pflegearbeitsbedingungenverordnung) wurde am 26.04.2022 im Bundesanzeiger veröffentlicht.
Diese Verordnung tritt am 1. Mai 2022 in Kraft und mit Ablauf des 31. Januar 2024 außer Kraft.
Mindestlöhne für Beschäftigte in der Pflegebranche


Ausländische Pflegekräfte bekommen den Mindestlohn auch für Bereitschaftsdienst - Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Juni 2021 (5 AZR 505/20) - LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. September 2022, 21 Sa 1900/19
Mit dem Urteil wird die 24-Stunden-Pflege zu Hause als Alternative zum Heim für die allermeisten unbezahlbar.
Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 16/21 des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Juni 2021:

Nach Deutschland in einen Privathaushalt entsandte ausländische Betreuungskräfte haben Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für geleistete Arbeitsstunden. Dazu gehört auch Bereitschaftsdienst. Ein solcher kann darin bestehen, dass die Betreuungskraft im Haushalt der zu betreuenden Person wohnen muss und grundsätzlich verpflichtet ist, zu allen Tag- und Nachtstunden bei Bedarf Arbeit zu leisten.

Mit dem Urteil vom 24. Juni 2021 hat das Bundesarbeitsgericht die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme hat das Landesarbeitsgericht der Klägerin den geforderten Mindestlohn erneut im Wesentlichen zugesprochen.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. September 2022, 21 Sa 1900/19
Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 22/22 vom 06.09.2022 des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg:

Die Betreuung der älteren, pflegebedürftigen Dame habe 24 Stunden am Tag sichergestellt werden müssen. Die Klägerin habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme neben ihren vergüteten Arbeitszeiten in erheblichem Umfang vergütungspflichtige Bereitschaftszeiten zur Sicherstellung der Betreuung erbringen müssen. In den Zeiten, zu denen sich keine andere Person zur Betreuung in der Wohnung der älteren Dame aufgehalten habe, sei die Klägerin verpflichtet gewesen, die Betreuung für den Fall der Fälle sicherzustellen.

Das Landesarbeitsgericht ist hierbei davon ausgegangen, dass die Klägerin die Beweislast für die erbrachten Bereitschaftszeiten trage. Für einen kleinen Teil der eingeklagten Zahlungen hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Für diese Zeiten ist das Landesarbeitsgericht nach der Beweisaufnahme nicht davon überzeugt gewesen, dass die Klägerin Bereitschaftszeiten geleistet habe. Hierbei handele es sich um Zeiten, die die ältere Dame mit Familienangehörigen in ihrer Wohnung oder im Restaurant verbracht habe.


Die Vierte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Vierte Pflegearbeitsbedingungenverordnung) wurde am 28.04.2020 im Bundesanzeiger veröffentlicht.
Ab dem 1. September 2021 gelten bundeseinheitliche Regelungen (Ost-West-Angleichung).
Die Pflegekommission hat darüber hinaus zum ersten Mal auch einen Pflegemindestlohn für qualifizierte Pflegehilfskräfte (ab 01.04.2021) und für Pflegefachkräfte (ab 01.07.2021) festgelegt.
Zusätzlich zum gesetzlichen Urlaubsanspruch gibt es für alle Beschäftigte in der Pflege weitere bezahlte Urlaubstage.


Der Bundesrat hat am 8. November 2019 das Pflegelöhneverbesserungsgesetz gebilligt. Das Gesetz wurde am 28.11.2019 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Es tritt damit am 29.11.2019 in Kraft.
Damit sich die Entlohnung der Pflegekräfte verbessert, ermöglicht das Gesetz dem Bundesarbeitsministerium, eine Tarifvereinbarung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der Pflegebranche für allgemeinverbindlich zu erklären.
Zusätzlich dazu wird die Pflegekommission gestärkt. Sie soll künftig ausdrücklich Empfehlungen zu Arbeitsbedingungen aussprechen und Mindestlöhne definieren. Das Bundesarbeitsministerium kann diese Empfehlungen wiederum per Verordnung für allgemeinverbindlich erklären, wenn für den Bereich nicht bereits ein Tarifvertrag gilt. Weiter beruft das Gesetz die Kommission zu einem ständigen Gremium mit einer fünfjährigen Amtszeit und verbessert ihre Beschlussfähigkeit.
Darüber hinaus hat der Bundestag beschlossen, dass Arbeitgeber weiterhin drei Jahre einen Eingliederungszuschuss erhalten, wenn sie ältere Arbeitsnehmer mit Vermittlungshemmnissen beschäftigen. Damit hat er die geltende Vorschrift um vier Jahre verlängert (Quelle: Bundesrat, Mitteilung vom 08.11.2019).

Hintergrund

Seit dem 01.08.2010 gibt es in der Pflegebranche einen Mindestlohn im Rahmen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes.

Schritte:

  • Der Gesetzgeber hat zum 24. April 2009 die Aufnahme der Pflegebranche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz beschlossen. Dabei wurde ein eigener Abschnitt "Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche" (§§ 10-13 AEntG) aufgenommen.
  • Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat Mitte 2009 auf Antrag mehrerer kollektivrechtlicher Parteien eine Pflegekommission eingerichtet. Die Pflegekommission besteht aus 8 Mitgliedern:
    • Nichtkirchliche Pflegedienste: 2 Arbeitnehmervertreter und 2 Vertreter der Arbeitgeberverbände
    • Kirchliche Pflegedienste: Je zwei Vertreter der Dienstnehmer- und Dienstgeberseite
  • Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die Empfehlungen der Pflegekommission mit der "Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Pflegearbeitsbedingungenverordnung - PflegeArbbV)" umgesetzt. Diese Verordnung ist am 1. August 2010 in Kraft getreten (gilt bis zum 31. Dezember 2014). Der § 2 definiert das Mindestentgelt.
  • Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter im Deutschen Caritasverband haben am 02.10.2013 beim Bundesarbeitsministerium die Einrichtung einer neuen Pflegekommission beantragt.
  • Die Zweite Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Zweite Pflegearbeitsbedingungenverordnung) ist am 1. Januar 2015 in Kraft getreten. Sie ist am 31. Oktober 2017 außer Kraft getreten.
  • Die Dritte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Dritte Pflegearbeitsbedingungenverordnung) ist am 1. November 2017 in Kraft getreten. Sie ist am 30. April 2020 außer Kraft getreten.
  • Die Vierte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Vierte Pflegearbeitsbedingungenverordnung) ist am 1. Mai 2020 in Kraft getreten. Sie ist am 30. April 2022 außer Kraft getreten.
  • Die Fünfte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Fünfte Pflegearbeitsbedingungenverordnung) ist am 1. Mai 2022 in Kraft getreten. Sie tritt am 31. Januar 2024 außer Kraft.
  • Die Sechste Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Sechste Pflegearbeitsbedingungenverordnung) tritt am 1. Februar 2024 in Kraft und mit Ablauf des 30. Juni 2026 außer Kraft.

Arbeitnehmer-Entsendegesetz - Abschnitt 4
Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche
§ 10 Anwendungsbereich:

Dieser Abschnitt findet Anwendung auf die Pflegebranche. Diese umfasst Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die überwiegend ambulante, teilstationäre oder stationäre Pflegeleistungen oder ambulante Krankenpflegeleistungen für Pflegebedürftige erbringen (Pflegebetriebe). Pflegebedürftig sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen, deshalb vorübergehend oder auf Dauer der Hilfe durch andere bedürfen und körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Keine Pflegebetriebe im Sinne des Satzes 2 sind Einrichtungen, in denen die Leistungen zur medizinischen Vorsorge, zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung kranker oder behinderter Menschen im Vordergrund des Zweckes der Einrichtung stehen, sowie Krankenhäuser.

Dort, wo der spezielle Pflegemindestlohn nicht zur Anwendung kommt (zum Beispiel in Privathaushalten), gilt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn.
Privathaushalte als Arbeitgeber sind kein Pflegebetrieb gemäß der Verordnung und sind daher auch nicht vom Pflegemindestlohn erfasst.

Mindestlohnhöhe in der Pflegebranche bis März 2021 (§ 2 Pflegearbeitsbedingungenverordnung)

Zeitraum Alte Bundesländer einschl. Berlin Neue Bundesländer
08/2010 - 12/2011 8,50 € 7,50 €
01/2012 - 06/2013 8,75 € 7,75 €
07/2013 - 12/2014 9,00 € 8,00 €
01/2015 - 12/2015 9,40 € 8,65 €
01/2016 - 12/2016 9,75 € 9,00 €
01/2017 - 12/2017 10,20 € 9,50 €
01/2018 - 12/2018 10,55 € 10,05 €
01/2019 - 12/2019 11,05 € 10,55 €
01/2020 - 06/2020 11,35 € 10,85 €
07/2020 - 03/2021 11,60 € 11,20 €

Mindestlöhne von April 2021 bis August 2021

Ab dem 01.04.2021 wird zwischen Pflegehilfskräften und qualifizierten Pflegehilfskräften (Pflegekräfte mit einer mindestens 1-jährigen Ausbildung und einer entsprechenden Tätigkeit) unterschieden.
Ab dem 01.07.2021 kommt bei der Festlegung von Mindestlöhnen die Gruppe der Pflegefachkräfte dazu.

Pflegekräfte mit einer mindestens einjährigen Ausbildung sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die eine Ausbildung zu einem Assistenz- und Helferberuf oder eine vergleichbare Ausbildung in der Pflege abgeschlossen haben.
Pflegefachkräfte sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die über eine Qualifikation verfügen, die sie zur Ausübung von Tätigkeiten gemäß § 4 des Pflegeberufegesetzes berechtigt.

Mindestlohn für Pflegehilfskräfte

Zeitraum Alte Bundesländer einschl. Berlin Neue Bundesländer
04/2021 - 08/2021 11,80 € 11,50 €

Mindestlohn für qualifizierte Pflegehilfskräfte (Pflegekräfte mit einer mindestens 1-jährigen Ausbildung und einer entsprechenden Tätigkeit)

Zeitraum Alte Bundesländer einschl. Berlin Neue Bundesländer
04/2021 - 08/2021 12,50 € 12,20 €

Mindestlohn für Pflegefachkräfte

Zeitraum Bundesweit
07/2021 - 08/2021 15,00 €

Bundesweite Mindestlöhne ab September 2021

Zeitraum Pflegehilfskräfte qualifizierte Pflegehilfskräfte
(Pflegekräfte mit einer mindestens 1-jährigen Ausbildung und einer entsprechenden Tätigkeit)
Pflegefachkräfte
09/2021 - 03/2022 12,00 € 12,50 € 15,00 €
04/2022 12,55 € 13,20 € 15,40 €
05/2022 - 08/2022 12,55 € 13,20 € 15,40 €
09/2022 - 04/2023 13,70 € 14,60 € 17,10 €
05/2023 - 11/2023 13,90 € 14,90 € 17,65 €
12/2023 - 01/2024 14,15 € 15,25 € 18,25 €
02/2024 - 04/2024 (Fortsetzung der auslaufenden Fünften Verordnung) 14,15 € 15,25 € 18,25 €
05/2024 - 06/2025 15,50 € 16,50 € 19,50 €
ab 07/2025 16,10 € 17,35 € 20,50 €

Mehrurlaub
Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer hat Anspruch auf zusätzlichen bezahlten Erholungsurlaub, der, ausgehend von einer jahresdurchschnittlichen Verteilung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage, im Kalenderjahr 2022 sieben Tage und ab dem Kalenderjahr 2023 jeweils neun Tage beträgt (Mehrurlaub). Verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit im Jahresdurchschnitt auf mehr oder weniger als fünf Tage in der Woche, erhöht oder verringert sich der Anspruch auf Mehrurlaub entsprechend.
Soweit tarifliche, betriebliche, arbeitsvertragliche oder sonstige Regelungen insgesamt einen über den gesetzlichen Erholungsurlaub hinausgehenden Anspruch auf bezahlten Urlaub vorsehen, entsteht der Anspruch auf Mehrurlaub nicht. Gesetzlicher Erholungsurlaub ist der bezahlte Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz sowie nach anderen Gesetzen.

Das Mindestentgelt ist auch für Wegezeiten zwischen mehreren aufzusuchenden Patientinnen oder Patienten sowie gegebenenfalls für Wegezeiten zwischen diesen und den Geschäftsräumen des Pflegebetriebs zu zahlen.

Bereitschaftsdienste

Das Mindestentgelt für die Pflegebranche ist nicht nur für Vollarbeit, sondern auch für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst zu zahlen. Das hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 19. November 2014 (5 AZR 1101/12) entschieden.
Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 63/14 des Bundesarbeitsgerichts vom 19. November 2014:

Das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV ist "je Stunde" festgelegt und knüpft damit an die vergütungspflichtige Arbeitszeit an. Dazu gehören nicht nur die Vollarbeit, sondern auch die Arbeitsbereitschaft und der Bereitschaftsdienst. Während beider muss sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereithalten, um im Bedarfsfalle unverzüglich die Arbeit aufzunehmen. Zwar kann dafür ein geringeres Entgelt als für Vollarbeit bestimmt werden. Von dieser Möglichkeit hat der Verordnungsgeber im Bereich der Pflege aber keinen Gebrauch gemacht. Deshalb sind arbeitsvertragliche Vereinbarungen, die für Bereitschaftsdienst in der Pflege ein geringeres als das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV vorsehen, unwirksam.

Die Auswirkungen der Entscheidung wurden jedoch mit Inkrafttreten der 2. PflegeArbbV am 1. Januar 2015 deutlich relativiert.
Es wurden Regelungen zur Zahlung eines Mindestentgelt für Zeiten des Bereitschaftsdienstes aufgenommen (§ 2 Abs. 3 und Abs. 4 der 2. PflegeArbbV).
Diese Regelungen wurden fortlaufend präzisiert.
Regelung der 5. PflegeArbbV im § 2:

(5) Für Zeiten des Bereitschaftsdienstes wird ein Mindestentgelt gemäß den nachstehenden Grundsätzen gezahlt. Die monatlich gezahlte Bruttovergütung geteilt durch die geleisteten Arbeitsstunden einschließlich der Bereitschaftsstunden muss stets mindestens die jeweilige Höhe des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns nach § 1 Absatz 2 Satz 1 des Mindestlohngesetzes in Verbindung mit der auf der Grundlage des § 11 Absatz 1 Satz 1 des Mindestlohngesetzes jeweils erlassenen Verordnung erreichen. Bereitschaftsdienste leisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb ihrer regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung mindestens 75 Prozent beträgt. Sie sind im Dienstplan zu hinterlegen. Zum Zwecke der Entgeltberechnung kann die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit auf der Grundlage einer kollektivrechtlichen oder einer schriftlichen einzelvertraglichen Regelung zu mindestens 40 Prozent als Arbeitszeit bewertet werden. Zeiten des Bereitschaftsdienstes, deren Umfang über 64 Stunden im Kalendermonat hinausgeht, werden mit dem Mindestentgelt nach Absatz 1 vergütet. Wenn die Arbeitsleistung innerhalb eines Bereitschaftsdienstes mehr als 25 Prozent umfasst, so ist die gesamte Zeit dieses Bereitschaftsdienstes mit dem Mindestentgelt nach Absatz 1 zu vergüten.
(6) Von dieser Verordnung werden Zeiten der Rufbereitschaft nicht erfasst. Rufbereitschaft im Sinne des Satzes 1 leisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. Das Vorliegen von Rufbereitschaft in diesem Sinne wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom Arbeitgeber mit einem Mobiltelefon oder einem vergleichbaren technischen Hilfsmittel ausgestattet sind. Im Fall einer Arbeitsaufnahme wird die geleistete Arbeitszeit einschließlich der hierfür erforderlichen Wegezeiten mindestens in Höhe des Mindestentgelts nach Absatz 1 vergütet.
(7) Die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes bleiben unberührt.

Damit muss Arbeitnehmern für Zeiten des Bereitschaftsdienstes nicht die volle, sondern grundsätzlich nur mindestens 40 Prozent des Mindestentgelts gezahlt werden. Wenn der Arbeitnehmer mehr als 25 Prozent des Bereitschaftsdienstes arbeitet oder mehr als 64 Stunden im Kalendermonat Bereitschaftsdienst hat, ist das volle Mindestentgelt fällig. Für die Reduzierung der Bereitschaftsdienstvergütung auf 40 Prozent ist eine kollektivrechtliche oder schriftliche einzelvertragliche Regelung mit dem Arbeitnehmer erforderlich.
Die monatlich ausgezahlte Bruttovergütung geteilt durch die geleisteten Arbeitsstunden einschließlich der Bereitschaftsstunden muss stets mindestens die jeweilige Höhe des gesetzlichen Mindestlohns nach dem Mindestlohngesetz erreichen.

Für Zeiten der Rufbereitschaft ist kein Mindestentgelt zu zahlen. Nur für die Zeiten in denen der Arbeitnehmer tätig wird, muss der Arbeitgeber die Mindestvergütung in voller Höhe entrichten.

Neben der Pflegearbeitsbedingungenverordnung ist seit dem 01.01.2015 auch das Mindestlohngesetz zu beachten. Das Mindestlohngesetz nimmt Bereitschaftszeiten nicht explizit aus. Bereitschaftszeiten sind daher mit dem Mindestlohn zu vergüten, soweit sie nach der Rechtsprechung als vergütungspflichtige Arbeitszeit anzusehen sind.
Der § 1 Abs. 3 Mindestlohngesetz schreibt vor: Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet.

Die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes bleiben durch die Pflegearbeitsbedingungenverordnung unberührt. 24 Stunden Dienste durch eine Person verstoßen damit gegen das Arbeitszeitgesetz.

Mindestlohn - arbeitsvertragliche Ausschlussfrist

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 24.08.2016 (5 AZR 703/15) entschieden, dass eine vom Arbeitgeber vorgegebene Ausschlussklausel, die den Anspruch auf den Pflegemindestlohn nicht ausdrücklich ausklammert, unwirksam ist.
Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 44/16 des Bundesarbeitsgerichts:

Eine vom Arbeitgeber als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellte arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung, die auch den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 der am 1. August 2010 in Kraft getretenen Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV) erfasst, verstößt im Anwendungsbereich dieser Verordnung gegen § 9 Satz 3 in Verbindung mit § 13 AEntG.

Diese Sichtweise wurde durch das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 18. September 2018 (9 AZR 162/18) bestätigt. Dabei ging es um den ab dem 01.01.2015 von § 1 MiLoG garantierten gesetzlichen Mindestlohn.

Analysen zum Mindestlohn in der Pflegebranche

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im Dezember 2010 das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) beauftragt, die Evaluation des Mindestlohns in der Pflegebranche durchzuführen.

IW policy paper 19/2013 des Instituts der deutschen Wirtschaft vom 16. Oktober 2013
Auszug aus dem Inhalt:

Insgesamt gesehen können keine signifikanten Effekte für die finanzielle noch für die personelle Betroffenheit der Beschäftigten vom Mindestlohn festgestellt werden (Harsch/Verbeek, 2012, 371). Zudem haben die Effekte für Ost- und für Westdeutschland gegensätzliche Vorzeichen. Die nicht eindeutigen Effekte könnten am Fachkräftemangel in der Branche liegen (Harsch/Verbeek, 2012, 371).
....
Der Pflegesektor stellt einen Sonderfall dar, da es sich um eine Wachstumsbranche mit Fachkräftemangel handelt.

Forschungsauftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) - Abschlussbericht vom 31.08.2011
Evaluation bestehender Mindestlohnregelungen
Branche: Pflege
Auszug aus dem Inhalt:

Der positive Lohneffekt im Mindestlohntarifgebiet Ost kann auf der Grundlage der qualitativen Untersuchungsschritte bestätigt werden. Zugleich gibt es vereinzelte Hinweise, dass Löhne zum Zeitpunkt der Einführung des Mindestlohns auf das Mindestlohnniveau abgesenkt wurden. Grundsätzlich gehen die Experten von geringen bis nicht vorhandenen Beschäftigungseffekten aus, da die Pflegebranche ein wachsender Markt ist und der Mindestlohn in den meisten Fällen ohnehin zu niedrig ist, um qualifiziertes Personal zu gewinnen.
....
Der Mindestlohn kommt fast ausschließlich für Pflegehilfskräfte zur Anwendung, da Pflegefachkräfte infolge des Fachkräftemangels höher bezahlt werden müssen. In diesem Fall bestimmt die Nachfrage nach Pflegefachkräften die Lohnhöhe, so dass die Höhe des Mindestlohns für Pflegefachkräfte weit unterhalb der Effektivlöhne liegt.

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