Stundenlöhne im Niedriglohnsektor - Niedriglohnbeschäftigung

Zur Bestimmung des Umfangs der Niedriglohnbeschäftigung wird in der Regel eine Niedriglohnschwelle von zwei Dritteln des mittleren Stundenlohns (Median) verwendet (Niedriglohndefinition der OECD).

  • Die Niedriglohngrenze lag 2014 bei einem Bruttoverdienst von 10,00 Euro pro Stunde. Insgesamt erhielten etwa 21% aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Verdienst unterhalb dieser Grenze (Quelle: Statistisches Bundesamt, Verdienste auf einen Blick, 2017).
  • Im April 2022 lag die Niedriglohngrenze bei einem Bruttoverdienst von 12,50 Euro pro Stunde. Der Medianverdienst lag bei 18,75 Euro (Quelle: Statistisches Bundesamt, Verdiensterhebung April 2022).
  • Im April 2023 lag die Niedriglohngrenze bei einem Bruttoverdienst von 13,04 Euro pro Stunde. Der Medianverdienst lag bei 19,56 Euro (Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 050 vom 8. Februar 2024).

Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 050 vom 8. Februar 2024 des Statistischen Bundesamtes:

Knapp jede und jeder sechste abhängig Beschäftigte (16 %) in Deutschland arbeitete im April 2023 im Niedriglohnsektor. Damit lag der Verdienst von rund 6,4 Millionen Jobs unterhalb der Niedriglohnschwelle von 13,04 Euro brutto je Stunde. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, waren das 1,1 Millionen Niedriglohnjobs weniger als im April 2022 (7,5 Millionen). Der Anteil dieser Jobs an allen Beschäftigungsverhältnissen sank somit bundesweit von 19 % auf 16 %. Eine Erklärung für diese Entwicklung ist der zwischen Januar und Oktober 2022 von 9,82 Euro auf 12,00 Euro gestiegene Mindestlohn.

Das Institut Arbeit und Qualifikation - IAQ der Universität Duisburg-Essen verwendet auch eine Niedriglohnschwelle von zwei Dritteln des mittleren Stundenlohns.
Die Analysen zur Entwicklung der Niedriglohnbeschäftigung beziehen sich auf alle abhängig Beschäftigten (einschließlich sozialversicherungspflichtiger Teilzeitarbeit und Minijobs). Selbständige und Freiberufler_innen sowie mithelfende Familienangehörige wurden ausgeschlossen, da sich für sie ein Stundenlohn nicht sinnvoll berechnen lässt. Nicht berücksichtigt wurden darüber hinaus auch Auszubildende, Praktikanten, Personen in Rehabilitation, Umschulung sowie in weiteren arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, Beschäftigte in Behindertenwerkstätten, Personen im Bundesfreiwilligendienst sowie Beschäftigte in Altersteilzeit. Zudem bezieht sich die Auswertung auf Personen, die mindestens 18 Jahre alt sind.
Auszug aus dem IAQ-Report 2023-02:

Bei der Entwicklung der Niedriglohnschwelle in Deutschland lassen sich im Rückblick drei unterschiedliche Phasen erkennen (Abbildung 1): Von 1995 bis 2003 war die Niedriglohnschwelle in Deutschland mit Ausnahme des Jahres 2000 durchgängig gestiegen. Von 2004 bis 2013 erhöhte sich die Niedriglohnschwelle hingegen kaum und sank in den Jahren 2006 und 2010 sogar. Von 2014 bis 2019 war die Niedriglohnschwelle dann jedoch meist stärker gestiegen als in den Vorjahren. Die deutlichsten Erhöhungen waren zuvor im Jahr 2014 (+0,39 €) und im Jahr 2018 (+0,42 €) zu verzeichnen. Im Jahr 2020 hat sich die Niedriglohnschwelle sogar um 0,57 € pro Stunde auf 12,07 € erhöht.

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Im Jahr 2020 arbeiteten noch 27,4 % der Beschäftigten in Ostdeutschland und 18,5 % der Beschäftigten in Westdeutschland für einen Stundenlohn unterhalb der Niedriglohnschwelle von 12,07 € brutto pro Stunde. Insgesamt waren damit im Jahr 2020 noch rund 7,2 Millionen Beschäftigte in Deutschland in einem Niedriglohnjob tätig. Dies entspricht einem Niedriglohnanteil von 20 % bundesweit und liegt damit nach wie vor deutlich über dem Durchschnitt der EU-Länder (15 %) (Eurostat 2021).

Wichtige Einflussfaktoren auf die Lohnhöhe am unteren Einkommensrand sind vor allem die Höhe der Tarifbindung und die aktuelle Höhe des gesetzlichen Mindestlohns. Um die im Ländervergleich zuvor eher geringe Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland zu steigern, war in den letzten Jahren oftmals gefordert worden, diesen einmalig oder ggf. auch in zwei Stufen überproportional anzuheben. Dieser wichtige Schritt ist nunmehr mit der Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 € brutto pro Stunde in Deutschland seit 1. Oktober 2022 umgesetzt worden.

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Von einem gesetzlichen Mindestlohn allein ist nicht zu erwarten, dass der Umfang des Niedriglohnsektors deutlich zurückgeht, weil alle gesetzlichen Mindestlöhne in Europa unterhalb der Niedriglohnschwelle von zwei Dritteln des jeweiligen nationalen Medians liegen. Noch wirkungsvoller wäre, wenn es mittels geeigneter Maßnahmen zusätzlich auch gelänge, die seit Jahren rückläufige Tarifbindung in Deutschland wieder zu stärken. Die internationale Mindestlohnforschung wie auch unsere eigenen Studien haben mehrfach belegt, dass die Höhe der Tarifbindung einen deutlich stärkeren Einfluss auf den Umfang der Niedriglohnbeschäftigung entfaltet als die Existenz oder Höhe eines gesetzlichen Mindestlohns.

Für einen Stundenlohn unterhalb der Niedriglohnschwelle arbeiteten nach Berechnungen des IAQ im Jahr 2020 gut 84% der Minijobber/innen, fast 52% der Jüngeren (unter 25 Jahre), 43% der Beschäftigten ohne abgeschlossene Berufsausbildung, 40% der befristet Beschäftigten und gut 29% der Ausländer/innen.

Der Mindestlohn hat also zu einer Kompression der Lohnstruktur unterhalb der Niedriglohnschwelle geführt und das "Ausfransen" der Löhne nach unten gebremst. Die durchschnittlichen Stundenlöhne im Niedriglohnbereich waren nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Januar 2015 stärker gestiegen als die Niedriglohnschwelle (Quelle: IAQ-Report 2023-02).

Der DIW Wochenbericht 5 / 2024 enthält einen Bericht mit dem Thema: "Niedriglohnsektor in Deutschland schrumpft seit 2017"
Kernaussagen:

  • Bruttostundenlöhne sind zwischen 1995 und 2021 inflationsbereinigt um 16,5 Prozent gestiegen
  • Vor allem im untersten Lohndezil haben sie sich durch Einführung des Mindestlohns und veränderter Lohnpolitik der Gewerkschaften erhöht
  • Niedriglohnsektor ist dadurch von 23,5 Prozent im Jahr 2007 auf 15,2 Prozent im Jahr 2022 geschrumpft
  • Haushaltsnettoeinkommen sind zwischen 1995 und 2020 durchschnittlich um ein Drittel gewachsen; im untersten Dezil um nur vier Prozent, im obersten um 50 Prozent
  • Um gestiegene Einkommensungleichheit zu bekämpfen, müssen Arbeitsmarktintegration von Zugewanderten verbessert und junge Menschen ohne Berufsabschluss gezielter qualifiziert werden

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