Prekäre Arbeitsverhältnisse

Aktuelles

Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie - Gesetzliche Neuregelungen zeigen laut wissenschaftlicher Evaluation Wirkung


Weniger atypische Beschäftigung - Ausgabe Böckler Impuls 19/2023
Das Normalarbeitsverhältnis ist auf dem Vormarsch, atypische Beschäftigung geht zurück.

Grundsätzliches

Der Arbeitsmarkt unterlag in den letzten Jahren auch im Hinblick auf die Beschäftigungsverhältnisse einem grundlegenden Wandel. Berufstätigkeit ist längst nicht mehr mit "Normalarbeitsverhältnissen" gleichzusetzen. Ein Normalarbeitsverhältnis hat folgende Eigenschaften:

  • unselbstständig (oft auch als Festanstellung bezeichnet),
  • unbefristet (von Stabilität und längerer Dauer gekennzeichnet),
  • Vollzeittätigkeit oder Teilzeittätigkeit mit mindestens der Hälfte der üblichen vollen Wochenarbeitszeit
  • geregeltes Entgelt,
  • der Arbeitnehmer ist in die betrieblichen Strukturen des jeweiligen Unternehmens eingegliedert,
  • Sozialversicherungspflichtig

Das Statistische Bundesamt beschreibt ein Normalarbeitsverhältnis wie folgt:

Unter einem Normalarbeitsverhältnis wird ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis verstanden, das in Vollzeit oder in Teilzeit ab 21 Wochenstunden und unbefristet ausgeübt wird. Ein Normalarbeitnehmer arbeitet zudem direkt in dem Unternehmen, mit dem er einen Arbeitsvertrag hat. Bei Zeitarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern, die von ihrem Arbeitgeber - der Zeitarbeitsfirma - an andere Unternehmen verliehen werden, ist das nicht der Fall.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Normalarbeitsverhältnis sind voll in die sozialen Sicherungssysteme wie Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung und Krankenversicherung integriert. Das heißt, sie erwerben über die von ihrem Erwerbseinkommen abgeführten Beiträge Ansprüche auf Leistungen aus den Versicherungen (oder haben entsprechende Ansprüche als Beamter).

Atypisch Beschäftigte sind abhängig Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis eines oder mehrere der folgenden Merkmale aufweist:

Das Teilzeit- und Befristungsgesetz verbietet Lohnabschläge aufgrund kürzerer Arbeitszeiten. Damit haben Minijob-Beschäftigte Anspruch auf die gleichen Bruttostundenlöhne wie in einer vergleichbaren sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. In der Praxis verdienen sie aber häufig weniger. Für die große Mehrheit der geringfügig Beschäftigten wird der Minijob damit zur Niedriglohnfalle.

Atypische Beschäftigung ist mit prekärer Beschäftigung nicht gleichzusetzen. Als prekär gelten Arbeitsverhältnisse, wenn der Lohn die Existenz nicht sichern kann.

Prekär bedeutet widerruflich, unsicher aber auch schwierig. Als prekäre Arbeitsverhältnisse, gelten alle die Arbeitsverhältnisse, die mit einem höheren Unsicherheitspotenzial einhergehen, als das klassische Normalarbeitsverhältnis (die soziale Absicherung und die üblichen Arbeitnehmerrechte wie Kündigungsschutz oder Betriebsratswahlrecht sind eingeschränkt beziehungsweise gar nicht vorhanden).

Da viele atypische Beschäftigungsverhältnisse gleichzeitig prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind, werden die Begriffe häufig gleichgesetzt.

Die Erwerbsformen kann man in folgende Risikoskala einreihen:

Integration Normalarbeitsverhältnis
Gefährdung Vollzeitarbeit (nicht Existenzsichernd)
Zeitarbeit (Arbeitnehmerüberlassung, Leiharbeit oder Personalleasing)
Geringfügige Beschäftigung
Teilzeitarbeit (nicht Existenzsichernd)
Scheinselbständigkeit
Befristete Beschäftigung
Ausgrenzung Beschäftigte von Werkvertragsunternehmen
Beschäftigte in "Arbeit auf Abruf"
Crowdworker (Plattformarbeiter)
Arbeitslosigkeit (ALG I)
Grundsicherung für Arbeitssuchende (Hartz IV bzw. ALG II)

Weniger atypische Beschäftigung - Ausgabe Böckler Impuls 19/2023
Auszug:

Das Normalarbeitsverhältnis ist auf dem Vormarsch, atypische Beschäftigung geht zurück: Machten Minijobs, Leiharbeit, befristete Beschäftigung oder kurze Teilzeit im Jahr 2007 noch knapp 27 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse aus, waren es 2022 nur noch gut 21 Prozent. Das geht aus einer Auswertung des Arbeitsmarktexperten Bernd Keller und des früheren WSI-Leiters Hartmut Seifert hervor. Neben der besseren Lage am Arbeitsmarkt hat die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns dazu beigetragen, unsichere Jobs zurückzudrängen, so die Forscher.

Systeme zur gegenseitigen Mitarbeiterbewertung

Unternehmen wie Zalando und Amazon nutzen seit geraumer Zeit Systeme zur gegenseitigen Mitarbeiterbewertung. Dabei handelt es sich um Formen der digital gestützten Leistungskontrolle. Im Kern geht es darum, Beschäftigte permanent zu bewerten, zu kontrollieren und zu sanktionieren (Quelle: Ratings als arbeitspolitisches Konfliktfeld. Das Beispiel ZONAR - Studie der Hans-Böckler-Stiftung Nr 429, September 2019).
Auszug aus der Studie:

Die Bewertung Zonars durch die Beschäftigten war jedenfalls - so viel sei der detaillierten Analyse vorweggenommen - wesentlich komplexer als die recht einseitige Darstellung des Unternehmens. Vor allem wurden andere, von Zalando unbenannte Aspekte als wesentlich herausgestellt und kritisiert. Am häufigsten bezeichneten Beschäftigte Zonar als ein System der Arbeits- und Leistungskontrolle, wobei die Allgegenwärtigkeit der Überwachung durch Kolleg_innen im Alltag eine große Rolle spielt und die Wahrnehmung der Beschäftigten maßgeblich prägt. Die Aufforderung, Belege für jedes Feedback zu sammeln, verstärkt die gegenseitige Kontrolle deutlich, da im Prinzip jede_r Beschäftigte dazu angehalten wird, permanent Aufzeichnungen zum Verhalten der Kolleg_innen anzufertigen. Ebenfalls für Unmut in der Belegschaft sorgt, dass alle erhobenen Informationen seit Zonar 1.0 ohne formale Einwilligung gespeichert und dem Unternehmen somit dauerhaft verfügbar gemacht werden.
 

Aus Beschäftigtenperspektive ist diese Konstruktion betrieblicher Kontrolle mit negativen Effekten für Betriebsklima und Arbeitsqualität verbunden. Mitarbeiter_innen von Zalando beschreiben Zonar beispielsweise als "360-Grad-Überwachung" oder als "System der kompletten Kontrolle". Es entsteht dabei vielfach das Gefühl, der Bewertung durch Kolleg_innen zu jeder Zeit ausgeliefert zu sein, was als Quelle von Arbeitsdruck und -stress beschrieben wird.

Das ganze Prozedere erinnert an Stasi-Methoden oder Praktiken der Gestapo. Bei der Stasi bzw. der Gestapo ging es um die flächendeckende Organisation zur Bespitzelung der Bevölkerung und Ausschaltung von Regimegegnern. Bei der digital gestützten Leistungskontrolle könnte man annehmen, dass es um die unternehmensweite Organisation zur Bespitzelung der Belegschaft und Ausschaltung von gewerkschaftlicher Organisation geht. Die Firmen fahnden mit diesen fragwürdigen Tools nach "Minderleistern" und spalten so die Belegschaft.

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Arbeitsbedingungen in der Zustellbranche - Paketboten-Schutz-Gesetz beschlossen

Kurzer Abriss der Entwicklung:

Die Niedersächsische Landesregierung hatte eine Bundesratsinitiative zur Nachunternehmerhaftung in der Paketbranche gestartet:
Die Länder appellieren an die Bundesregierung, die Arbeitsbedingungen von Paketzustellern zu verbessern. In einer am 12. April 2019 gefassten Entschließung fordern sie, in der Zustellbranche die so genannte Nachunternehmerhaftung für Sozialversicherungsbeiträge einzuführen.
Entschließung des Bundesrates: "Arbeitnehmerrechte für Paketbotinnen und Paketboten sichern; Nachunternehmerhaftung für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge auf die Unternehmen der Zustellbranche ausweiten"
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, umgehend die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Nachunternehmerhaftung in der Zustellbranche analog zu den heutigen Regelungen in der Fleischwirtschaft zu schaffen. Zur Stärkung der Arbeitnehmerrechte sind dabei insbesondere die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge zu sichern und die Dokumentationspflichten zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit zu erweitern.

Die Zollbeamten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit haben am 8. Februar 2019 eine bundesweite Prüfung der Paket- und Kurierdienstbranche durchgeführt.
Ergebnis: Fahren ohne Führerschein, gefälschte Pässe, Ausländer ohne erforderliche Arbeitspapiere, Missbrauch von Sozialleistungen, fehlende beziehungsweise falsche Meldungen zur Sozialversicherung, Lohndumping, ....
Nach diesen Ergebnissen bleiben die Paketzusteller auch weiterhin eine Schwerpunktbranche für den Zoll.

Das Bundeskabinett hat am 18. September 2019 das Paketboten-Schutz-Gesetz beschlossen.
Ziel ist, die Nachunternehmerhaftung, die bereits seit Jahren in der Fleischwirtschaft und am Bau wirkt, auf die Paketbranche auszuweiten. Die Neuregelung soll künftig die korrekte Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge sicherstellen.
Auszug aus der Begründung zum Gesetzentwurf:

Bei den Kurier-, Express- und Paketdiensten (KEP-Dienste), namentlich bei den Paketdiensten, kommt es zu Verstößen gegen die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns und gegen sozialversicherungsrechtliche Pflichten, im Speziellen gegen die korrekte Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen durch dort besonders häufig eingesetzte Nachunternehmer. Erkenntnisse der Zollverwaltung, unter anderem aus Schwerpunktprüfungen, lassen hier zum Teil auf kriminelle Strukturen schließen, auch unter der Verwendung von Nachunternehmerketten. Deshalb wird nun nach dem Vorbild der Baubranche und der Fleischwirtschaft auch für diese Branche die Nachunternehmerhaftung für Sozialversicherungsbeiträge eingeführt. Sie dient neben dem Einzug ausstehender Beiträge, die der Solidargemeinschaft ansonsten entzogen würden, dazu, die Sorgfaltspflicht bei der Auswahl der Nachunternehmer durch den verantwortlichen Unternehmer, das heißt den General- beziehungsweise Hauptunternehmer, zu steigern.

Nach Satz 1 haftet entsprechend Absatz 3a ein Unternehmer im Speditions-, Transportund damit verbundenen Logistikgewerbe, der im Bereich der KEP-Dienste tätig ist und der einen anderen Unternehmer mit der Beförderung von Paketen beauftragt, für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmers oder eines von diesem Unternehmer beauftragten Verleihers für die Sozialversicherungsbeiträge wie ein selbstschuldnerischer Bürge.

Nach Satz 1 entfällt entsprechend Absatz 3b Satz 1 die Haftung, wenn der Unternehmer nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer oder ein von ihm beauftragter Verleiher seine Zahlungspflicht erfüllt. Satz 2 ermöglicht entsprechend Absatz 3b Satz 2 die vollständige Entlastung des Hauptunternehmers durch Einsatz eines präqualifizierten Nachunternehmers. Dazu ist insbesondere die Eintragung der Nachunternehmers oder des von diesem beauftragten Verleihers in das von den Industrie- und Handelskammern geführte bundesweite amtliche Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen aus dem Liefer- und Dienstleistungsbereich geeignet. ....

Der Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Nachunternehmerhaftung in der Kurier-, Express- und Paketbranche zum Schutz der Beschäftigten (Paketboten-Schutz-Gesetz) stand auf der Tagesordnung der 981. Sitzung des Bundesrates am 11.10.2019. Der Bundesrat möchte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Versandbranche besser vor Mehrarbeit schützen. In seiner am 11. Oktober 2019 beschlossenen Stellungnahme zum Entwurf für das Paketboten-Schutz-Gesetz schlägt er vor, die bereits bestehende Dokumentationspflicht zu erweitern. Danach wären Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit am Tag selbst aufzuzeichnen. Das soll auch digital möglich sein. Nach der derzeit geltenden Regelung können diese Zeiten bis zu sieben Tage nach der Arbeitsleistung nachgetragen werden.

Das Gesetz zur Einführung einer Nachunternehmerhaftung in der Kurier-, Express- und Paketbranche zum Schutz der Beschäftigten (Paketboten-Schutz-Gesetz) stand auf der Tagesordnung der 982. Sitzung des Bundesrates am 08.11.2019. Der Bundesrat hat den Weg für das Paketboten-Schutz-Gesetz freigemacht. Das Gesetz wurde am 22.11.2019 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Damit treten die Neuregelungen wie geplant noch vor dem Weihnachtsgeschäft in Kraft.
Umgehen können Unternehmen die Haftung nur, wenn sie mit einer Unbedenklichkeitsbescheinigung belegen, dass ihre Subunternehmen vorab besonders geprüft sind. Krankenkassen und Berufsgenossenschaften stellen eine solche Bescheinigung dann aus, wenn Subunternehmen die Sozialbeiträge bisher ordnungsgemäß abgeführt haben.

Das Gesetz ist bis Ende 2025 befristet.
Die Evaluierung der Regelungen erfolgt im Rahmen eines Berichts der Bundesregierung über die Wirkung der Maßnahmen bis Ende des Jahres 2023.

Evaluierung des Paketboten-Schutz-Gesetzes
Das Bundeskabinett hat am 13. Dezember den Bericht der Bundesregierung nach § 28e Absatz 3h Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) über die Wirksamkeit und Reichweite der Haftung für Sozialversicherungsbeiträge für Unternehmer im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe beschlossen.
Der Bericht zeigt, dass die Einführung der Generalunternehmerhaftung in der Paketbranche die Beitragsehrlichkeit der Unternehmen verbessert hat (Quelle: Meldung des Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 19.12.2023).
Auszug aus dem Bericht:

Die Einführung der Generalunternehmerhaftung in der Kurier-, Express- und Paketdienstbranche hat sich als Instrument zur Förderung der Beitragsehrlichkeit und zur Sicherstellung des Zahlungsflusses in der Sozialversicherung im Hinblick auf die Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Beiträgen zur Unfallversicherung bewährt. Eine positive Wirkung ist dabei insbesondere der Präqualifizierung beizumessen, die vielfach von Generalunternehmern gefordert wird und für deren Erteilung eine Reihe von unabdingbaren Voraussetzungen erfüllt werden müssen.

Vor allem die starke generalpräventive Wirkung vor dem Hintergrund einer drohenden Zahlungspflicht des Generalunternehmers für die Beitragsschulden seines Nachunternehmers, die von vielen Stellungnahmen thematisiert wird, hat nachhaltig zu Veränderungen in der Branche im Hinblick auf die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen geführt.

Im Zuge der Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen zeigte sich, dass die faktische Geltendmachung von Beiträgen im Rahmen dieser besonderen Form der Haftung durchaus kritisch betrachtet wird und dass die rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die Möglichkeiten der Einzugsstellen, entsprechende Fälle zu erkennen, durchaus Ansätze für Weiterentwicklungen bieten. Dennoch ist insgesamt festzustellen, dass das Ziel des Gesetzes erreicht wurde. Die bestehende Regelung sollte deshalb dauerhaft im Gesetz verankert werden, wobei einzelne Regelungsteile, wie etwa die Pflicht zur Führung von Entgeltunterlagen oder die unterschiedlichen Entlastungsmöglichkeiten im Lichte dieses Berichts hinterfragt und gegebenfalls angepasst werden könnten.

Arbeitsschutzkontrollgesetz - Gesetz zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz

Der Bundesrat hat am 18. Dezember 2020 dem Arbeitsschutzkontrollgesetz zugestimmt, das der Bundestag nur zwei Tage zuvor verabschiedet hatte.
Das Gesetz wurde am 30.12.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

Das Gesetz soll geordnete und sichere Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie herstellen. Darüber hinaus legt es bundesweit einheitliche Regeln zur Kontrolle der Betriebe und zur Unterbringung der Beschäftigten auch in anderen Branchen fest.

Das Gesetz bringt Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie auf den Weg. Im Detail sind folgende Maßnahmen im Gesetz vorgesehen:

  • Eingeführt werden einheitliche Kontrollstandards und höhere Bußgelder bei einer Verletzung des Arbeitsschutzes.
  • Die Aufzeichnung der Arbeitszeit darf nur noch elektronisch und manipulationssicher erfolgen, um Missbräuchen vorzubeugen (§ 6 Abs. 1 Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft).
  • Rüst-, Umkleide- sowie Waschzeiten, soweit erforderlich und dienstlich veranlasst, sind als Arbeitszeit mit zu erfassen (§ 6 Abs. 2 Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft).
  • Im Arbeitszeitgesetz wird der Bußgeldrahmen aktualisiert und der Höchstbetrag für das Bußgeld von bisher 15.000 Euro auf 30.000 Euro verdoppelt. Die Bußgeldrahmen im Arbeitsschutzgesetz und im Jugendarbeitsschutzgesetz werden entsprechend angeglichen.
  • Da oft Beschäftigte Opfer von Ausbeutung werden, die nicht gut Deutsch sprechen, sollen auch die Hilfs- und Beratungsangebote für ausländische Beschäftigte ausgebaut werden.
  • Die Unterbringung von Personal in Gemeinschaftsunterkünften muss in Zukunft branchenübergreifenden Mindeststandards genügen.
  • Ab 1. Januar 2021 werden Werkverträge und ab 1. April 2021 Leiharbeit verboten. Damit wird der Einsatz von Fremdpersonal beim Schlachten und Zerlegen verboten. Lediglich in der Fleischverarbeitung - also etwa bei der Wurstproduktion - ist es in den kommenden drei Jahren noch möglich, Auftragsspitzen durch nur noch acht Prozent der Beschäftigten in Leiharbeit aufzufangen - und das auch nur für höchstens vier Monate. Voraussetzung: Gewerkschaften müssen zustimmen. Unternehmen müssen tarifgebunden sein. Für Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer müssen vom ersten Tag an die gleichen Arbeitsbedingungen und Löhne gelten. Am 1. April 2024 tritt diese Ausnahme für die Leiharbeit außer Kraft.
    Ausnahmen sind für Handwerksbetriebe vorgesehen, die weniger als 49 Personen beschäftigen.

Erfolglose Eilanträge betreffend das Inkrafttreten von Teilen des Arbeitsschutzkontrollgesetzes - Beschlüsse vom 29. Dezember 2020 des Bundesverfassungsgerichts
Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 1/2021 vom 7. Januar 2021

Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat am 29. Dezember 2020 mehrere Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit denen verhindert werden sollte, dass Teile des am 30. Dezember 2020 verkündeten Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz) zum 1. Januar 2021 in Kraft treten (vgl. Pressemitteilung Nr. 109/2020 vom 30. Dezember 2020). Heute wurde die Begründung übermittelt. Danach sind die Anträge auf Eilrechtsschutz teilweise bereits unzulässig, weil nicht hinreichend dargelegt wurde, dass durch ein Abwarten bis zum Abschluss der Verfahren über die noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerden die geforderten schweren, kaum oder nicht reversiblen Nachteile entstehen. Soweit gravierende Nachteile dargelegt wurden, haben die Anträge in der Sache keinen Erfolg, da die Interessen der Antragstellenden gegenüber den Zielen des Gesetzgebers nicht eindeutig überwiegen. Teils wären noch zu erhebende Verfassungsbeschwerden auch von vornherein unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen an die Subsidiarität genügten, denn die Frage, ob die neuen Verbote auf Tätigkeiten im Umfeld des Kernbereichs der Fleischwirtschaft überhaupt Anwendung finden, ist zunächst fachgerichtlich zu klären.

Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen das Fremdpersonalverbot in der Fleischindustrie
Mit dem am 20. Juli 2022 veröffentlichtem Beschluss vom 01. Juni 2022 hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsbeschwerden eines Unternehmens der Wurstherstellung und mehrerer Zeitarbeitsunternehmen nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen das Verbot, in der Fleischwirtschaft Personal als Werkvertragsbeschäftigte oder in Leiharbeit einzusetzen. Die Beschwerdeführenden sehen sich in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit verletzt; das Unternehmen der Wurstherstellung rügt zudem eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung mit anderen Branchen. Die Begründung der Verfassungsbeschwerden genügt den gesetzlichen Anforderungen jedoch nicht; sie sind daher unzulässig (Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juli 2022).

Evaluierung der Neuregelungen in der Fleischwirtschaft
Auszug aus der Pressemitteilung des Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 19. Februar 2024:

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die Evaluation der seit 1. Januar 2021 geltenden Neuregelungen in der Fleischwirtschaft veröffentlicht. Mit der Novellierung des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) wurde in Fleischbetrieben ein Direktanstellungsgebot eingeführt, das heißt der Einsatz von Fremdpersonal im Kernbereich wurde verboten. Zudem wurde eine digitale und manipulationssichere Arbeitszeiterfassung eingeführt.

Die Evaluation zeigt, dass diese Neuregelungen greifen: Die Werkvertrags­arbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer wurden in die Stammbelegschaft übernommen, Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutz haben sich verbessert. So ist beispielsweise die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zum Standard geworden und Arbeitszeiten werden korrekt erfasst und abgerechnet. Außerdem können Kontrollbehörden die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben nun leichter prüfen.


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