Das Lohnsteuerabzugsverfahren - Progressionsvorbehalt

Aktuelles

Auszug aus den FAQ "Corona" (Steuern) vom Bundesministerium der Finanzen (Stand: 20. Oktober 2022):

Bezieher von Kurzarbeitergeld sind unter anderem zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet, wenn ihre im abgelaufenen Kalenderjahr insgesamt zugeflossenen Kurzarbeitergelder (einschließlich steuerfreier Arbeitgeberzuschüsse) gegebenenfalls zusammen mit anderen Lohnersatzleistungen (zum Beispiel Krankengeld, Elterngeld) mehr als 410 Euro betragen. Bei der nach Abgabe der Einkommensteuererklärung vorzunehmenden Veranlagung (frühestens im Folgejahr) kann es gegebenenfalls zu Steuernachforderungen kommen. Das liegt daran, dass ausschließlich für die Ermittlung des persönlichen Steuersatzes das Kurzarbeitergeld (einschließlich steuerfreier Arbeitgeberzuschüsse) und etwaige andere Lohnersatzleistungen den steuerpflichtigen Einkünften fiktiv zugerechnet werden (Progressionsvorbehalt). Dadurch ergibt sich ein höherer Steuersatz. In einem zweiten Schritt wird dieser erhöhte Steuersatz auf das steuerpflichtige Einkommen (ohne das Kurzarbeitergeld, steuerfreie Arbeitgeberzuschüsse und etwaige andere Lohnersatzleistungen) angewendet.
Da der Progressionsvorbehalt nicht bereits beim Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber berücksichtigt werden kann, sondern erst bei der Veranlagung durch das Finanzamt, kann es zu Steuernachforderungen kommen.

Die steuerfreie Inflationsausgleichsprämie unterliegt nicht dem Progressionsvorbehalt, da sie in § 32b Absatz 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz nicht genannt ist.


Mit dem BMF-Schreiben vom 19.02.2021 weist das Bundesministerium der Finanzen ausdrücklich auf die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung wegen des Bezugs von Kurzarbeitergeld während der Corona-Krise hin. Das Kurzarbeitergeld ist als eine von mehreren Lohnersatzleistungen steuerfrei. Alle Lohnersatzleistungen unterliegen seit langem dem Progressionsvorbehalt. Betragen die im abgelaufenen Kalenderjahr insgesamt zugeflossenen Lohnersatzleistungen mehr als 410 Euro, sind Bezieherinnen und Bezieher von Lohnersatzleitungen zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet (Lohnsteuerrechtliche Behandlung des Kurzarbeitergeldes).


Corona-Sonderzahlungen
Die steuerfreien Corona-Sonderzahlungen bis zu einem Betrag von 1.500 Euro in der Zeit vom 1. März 2020 bis zum 31. März 2022 unterliegen nicht dem Progressionsvorbehalt. Die steuerfreie Leistung ist nicht auf der Lohnsteuerbescheinigung auszuweisen und muss auch nicht in der Einkommensteuererklärung angegeben werden.


Befristete Steuerbefreiung für Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld
Der Bundesrat hat in seiner 990. Sitzung am 5. Juni 2020 dem Corona-Steuerhilfegesetz zugestimmt. Das Gesetz enthält eine befristete Steuerbefreiung für Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld.
Entsprechend der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung werden Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld und zum Saison-Kurzarbeitergeld bis 80 Prozent des Unterschiedsbetrages zwischen dem Soll-Entgelt und dem Ist-Entgelt vom 01.03.2020 bis 31.12.2020 steuerfrei gestellt. Mit dem Jahressteuergesetz 2020 bleiben diese Arbeitgeberzuschüsse zum Kurzarbeitergeld bis Ende 2021 steuerfrei. Das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz verlängert die steuerliche Förderung der steuerfreien Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld um sechs Monate bis Ende Juni 2022. Der Arbeitgeberzuschuss ist ab Juli 2022 wieder steuerpflichtig (Zuschuss zum Kurzarbeitergeld).
Zur Umsetzung der Steuerfreistellung wird nach § 3 Nummer 28 Einkommensteuergesetz die Nummer 28a eingefügt.
In § 32b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g Einkommensteuergesetz werden vor dem Komma am Ende die Wörter "sowie nach § 3 Nummer 28a steuerfreie Zuschüsse" eingefügt.
Die steuerfreien Arbeitgeberzuschüsse sind damit in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen. Der Arbeitgeber hat sie in die elektronische Lohnsteuerbescheinigung unter der Nummer 15 einzutragen.

Grundsätzliches

Progression leitet sich vom lateinischen Wort progressio ab. Dieses steht für Entwicklung, Steigerung bzw. Fortschritt. Unter der Steuerprogression versteht man das Ansteigen des Steuersatzes in Abhängigkeit vom zu versteuernden Einkommen.

Der zurzeit geltende Einkommensteuertarif, auf dem auch der Lohnsteuertarif aufbaut, beginnt mit einem Steuersatz von 14%, wenn bestimmte Freibeträge überschritten sind. Danach steigt der Steuersatz bis zum Spitzensteuersatz von 45% stetig an (Steuerprogression). Der Progressionsvorbehalt bewirkt, dass bestimmte steuerfreie Leistungen bei der Ermittlung des Steuersatzes Berücksichtigung finden, der für die steuerpflichtigen Einkünfte maßgebend ist.

Mit den Berechnungen zum Progressionsvorbehalt hat der Arbeitgeber nichts zu tun, sondern nur das Finanzamt. Der Arbeitgeber muss jedoch bestimmte Aufzeichnungspflichten erfüllen.

Entgeltersatzleistungen (Lohnersatzleistungen)

Folgende vom Arbeitgeber gezahlte steuerfreie Lohnersatzleistungen unterliegen dem Progressionsvorbehalt (§ 32b EStG):

Alle diese Leistungen sind gesondert im Lohnkonto aufzuzeichnen und in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung zu bescheinigen.
Auszug aus dem BMF-Schreiben vom 9. September 2019 (Ausstellung von elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen für Kalenderjahre ab 2020):

Das Kurzarbeitergeld einschließlich Saison-Kurzarbeitergeld, der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, der Zuschuss bei Beschäftigungsverbot für die Zeit vor oder nach einer Entbindung sowie für den Entbindungstag während der Elternzeit nach beamtenrechtlichen Vorschriften, die Verdienstausfallentschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz, Aufstockungsbeträge und Altersteilzeitzuschläge sind in einer Summe unter Nummer 15 des Ausdrucks zu bescheinigen.

Weitere Lohnersatzleistungen die dem Progressionsvorbehalt unterliegen (aber nicht vom Arbeitgeber gezahlt werden):

  • Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit und bei beruflicher Weiterbildung
     
  • Teilarbeitslosengeld bei Teilarbeitslosigkeit
     
  • Übergangsgeld bei Teilnahme an Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben
     
  • Elterngeld
    Die Anwendung des Progressionsvorbehalts gilt nach dem Bundesfinanzhof auch für den Sockelbetrag des Elterngeldes.
    Leitsätze aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21.9.2009, VI B 31/09
    1. § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j EStG wirft nach seinem eindeutigen Wortlaut, das nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) gezahlte Elterngeld dem Progressionsvorbehalt zu unterstellen, keine klärungsbedürftigen, die Revisionszulassung rechtfertigenden Fragen auf.
    2. Das Elterngeld bezweckt, die durch die erforderliche Kinderbetreuung entgangenen Einkünfte teilweise auszugleichen. Dies gilt auch dann, wenn nur der Sockelbetrag nach § 2 Abs. 5 BEEG geleistet wird.
  • Insolvenzgeld der Agentur für Arbeit
     
  • Krankengeld einer gesetzlichen Krankenkasse (gilt auch bei freiwilliger Versicherung)
    Einbeziehung von Krankengeld in den Progressionsvorbehalt - Verfassungsmäßigkeit von § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG auch im Veranlagungszeitraum 2009
    Leitsätze aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13.11.2014, III R 36/13
    Auch nach der Einführung des sog. Basistarifs in der privaten Krankenversicherung ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass zwar das Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung, nicht aber das Krankentagegeld aus einer privaten Krankenversicherung in den Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG einbezogen wird.
  • Mutterschaftsgeld der Krankenkasse
     
  • Transferkurzarbeitergeld

Beispiel für die Wirkung des Progressionsvorbehalts

  • Ein Arbeitnehmer mit der Lohnsteuerklasse I bezieht im Jahr 2012 ein Gehalt von 2.500 € in 6 Monaten des Jahres.
    Die Betriebsstätte befindet sich in Hessen. Er ist nicht kirchensteuerpflichtig.
  • Lohnsteuer pro Monat: 337,66 €
    Lohnsteuer insgesamt: 2.025,96 € (6 * 337,66)
  • In der anderen Zeit ist er arbeitslos.
    Arbeitslosengeld pro Monat: 959,70 €
    Arbeitslosengeld insgesamt: 5.758,20 € (6 * 959,70)
Berechnung Betrag
Bezogener Arbeitslohn: 6 * 2.500 € = 15.000,00 €
- Arbeitnehmerpauschbetrag - 1.000,00 €
= Zwischensumme = 14.000,00 €
+ Beträge die dem Progressionsvorbehalt unterliegen (hier das Arbeitslosengeld) + 5.758,20 €
= Zwischensumme = 19.758,20 €
- Sonderausgabenpauschbetrag - 36,00 €
- Vorsorgepauschale - 2.506,00 €
= Zu versteuerndes Einkommen = 17.216,20 €
Steuer nach der Grundtabelle 2012: 1.968,00 €

Die Steuer in Höhe von 1.968 € entspricht 11,4311 % vom zu versteuernden Einkommen (17.216,20 €).

Bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 2012 wird das zu versteuernde Einkommen mit 11,4311 % besteuert.

Berechnung Betrag
Bezogener Arbeitslohn: 6 * 2.500 € = 15.000,00 €
- Arbeitnehmerpauschbetrag - 1.000,00 €
- Sonderausgabenpauschbetrag - 36,00 €
- Vorsorgepauschale - 2.506,00 €
= Zu versteuerndes Einkommen = 11.458,00 €
Steuer (11,4311 % von 11.458,00 € abgerundet auf volle Euro): 1.309,00 €
Einbehaltene Lohnsteuer 2012 (aufgerundet auf volle Euro) 2.026,00 €
Erstattungsbetrag Lohnsteuer 2012 717,00 €

Mit dem zu versteuernden Einkommen von 11.458,00 € hätte man aus der Grundtabelle 2012 nur eine Einkommensteuer von 592,00 € abgelesen.

Die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Leistungen erhöhen also den Steuersatz, der auf das eigentliche zu versteuernde Einkommen anzuwenden ist.

In vielen Fällen kann es auch zu einer Steuernachzahlung kommen.

Progressionsvorbehalt-Rechner

Das Bayerische Landesamt für Steuern stellt einen Progressionsvorbehalt-Rechner zur Verfügung. Der Progressionsvorbehalt-Rechner ermittelt die einkommensteuerliche Belastung (Einkommensteuer ohne Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts und informiert über die prozentuale und betragsmäßige Mehrbelastung.


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