Unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung - Scheinwerkverträge

Ab 01.04.2017 müssen Leiharbeitnehmer nach 18 Monaten, wenn sie weiterhin im gleichen Entleihbetrieb arbeiten sollen, von diesem übernommen werden. Wenn das nicht erfolgen soll, müssen sie vom Verleiher aus diesem Entleihbetrieb abgezogen werden. Überlassungszeiten vor dem 01.04.2017 werden bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer nicht berücksichtigt.
In einem Tarifvertrag der Einsatzbranche oder auf Grund eines solchen Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung können abweichende Regelungen vereinbart werden.

Nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz kann der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung des Leiharbeitnehmers verweigern, wenn diese gegen ein Gesetz verstößt.

Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ist der Betriebsrat eines Entleiherbetriebs vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers nach § 99 Betriebsverfassungsgesetz zu beteiligen.

Das Bundesarbeitsgericht hatte mit Beschluss vom 10. Juli 2013 (7 ABR 91/11) die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung untersagt.

Werten die Arbeitsgerichte die Auslagerung von Arbeiten auf Fremdfirmen als Scheinwerkvertrag, gilt dies rechtlich als unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung. Die Unternehmen müssen die betroffenen Arbeitnehmer dann in ihren Betrieb eingliedern.
Viele Werkvertragsunternehmen haben aber gleichzeitig auch die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung (sog. Vorratsverleiherlaubnis). Damit konnte man nach der damaligen Gesetzeslage keine illegale Arbeitnehmerüberlassung begehen. Die von Scheinwerkverträgen betroffenen Beschäftigten konnten dann ihren Arbeitsplatz nicht beim Entleiher einklagen.
Solche Konstruktionen sollen mit dem "Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs bei Leiharbeit und Werkverträgen" verhindert werden. Das Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ist am 01.04.2017 in Kraft getreten.
Zukünftig muss Leiharbeit von vornherein als solche bezeichnet werden. Wer das nicht tut, kann sich später nicht mehr auf seine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung berufen.

Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 12.07.2016 (9 AZR 352/15)

Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 35/16 vom 12.07.2016 - Rechtsfolge verdeckter Arbeitnehmerüberlassung

Besitzt ein Arbeitgeber die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zu überlassen, kommt zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher nach geltendem Recht auch dann kein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers nicht als Arbeitnehmerüberlassung, sondern als Werkvertrag bezeichnet worden ist (verdeckte Arbeitnehmerüberlassung).

Der Senat hat über diese Fragestellung in den ähnlich gelagerten Verfahren - 9 AZR 51/15 -, - 9 AZR 359/15 -, - 9 AZR 537/15 - und - 9 AZR 595/15 - ebenso entschieden.

Bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung kann der vermeintliche Werkvertragsunternehmer damit bislang eine Verleiherlaubnis vorhalten und sich auf diese berufen, wenn die verdeckte Arbeitnehmerüberlassung offenkundig wird.

Landesarbeitsgericht Hamm - Urteil vom 24.07.2013 (3 Sa 1749/12)

Auszug aus der Presseerklärung vom 24.07.2013:

Der Kläger stand ab dem 05.08.2008 bei einem Reinigungsunternehmen in einem Arbeitsverhältnis. Dieses Reinigungsunternehmen hatte mit der Beklagten, einem Bertelsmann Tochterunternehmen, eine Rahmenvereinbarung über Dienstleistungstätigkeiten im Reinigungsbereich geschlossen. Der Kläger wurde von der Reinigungsfirma im Bereich Facility-Management der Beklagten, worüber keine schriftliche Vereinbarung getroffen wurde, schwerpunktmäßig mit den Tätigkeiten Wareneingang, Poststelle sowie Hausmeistertätigkeiten eingesetzt. Eine schriftliche Niederlegung des Leistungsumfangs im Bereich des Facility-Managements zwischen der Reinigungsfirma und der Beklagten erfolgte erst im November 2010. Dem Kläger war ein Arbeitsplatz in einem Büro zur Verfügung gestellt, welches vollständig mit Betriebsmitteln der Beklagten ausgestattet war, z. B. Computer mit Anschluss an das betriebsinterne Netzwerk. Für Botendienste nutzte der Kläger auch Fahrzeuge der Beklagten, obwohl die Reinigungsfirma am Standort eigene Fahrzeuge vorhielt. Von der Beklagten erhielt der Kläger auch Sicherheitsschuhe und eine Windjacke, welche auch anderen Mitarbeitern der Beklagten im Facility-Management überlassen wurde.

Der Arbeitnehmer war aufgrund eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages zwischen der Reinigungsfirma und der Beklagten und nicht aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages tätig geworden. Da die Reinigungsfirma die erforderliche Genehmigung für Arbeitnehmerüberlassung nicht hat, ist zwischen den Parteien aufgrund gesetzlicher Fiktion ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen.

Mit dem Urteil vom 05.12.2012 hatte das Arbeitsgericht Bielefeld der Klage des Arbeitnehmers stattgegeben und festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten seit dem 05.08.2008 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Die Berufung der Beklagten blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen, weil der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und lediglich eine Einzelfallentscheidung darstellt.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Urteil vom 01.08.2013 (2 Sa 6/13)

Die Kläger waren bei der Daimler AG im Rahmen eines Scheinwerkvertrages beschäftigt. Deshalb ist zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis zu Stande gekommen.

Abgrenzung zwischen Dienst- oder Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung
Leitsätze des Urteils:

1. Für die rechtliche Abgrenzung des Werk- oder Dienstvertrags zur Arbeitnehmerüberlassung ist allein die tatsächliche Durchführung des Vertrages maßgebend.
2. Ein zwischen einem Werkunternehmen (hier: IT-Dienstleister) und dem Dritten vereinbartes Ticketsystem (EDV-spezifische Aufträge von Arbeitnehmern des Dritten werden nach Eröffnung eines Tickets vom Werkunternehmen bearbeitet) ist unproblematisch dem Werkvertragsrecht zuzuordnen.
Wenn allerdings Arbeitnehmer des Dritten außerhalb dieses Ticketsystems in größerem Umfang Beschäftigte des Werkunternehmens direkt beauftragen und unter zeitlich-örtlichen Vorgaben auch personenbezogene Anweisungen erteilen, spricht dies für Arbeitnehmerüberlassung.
3. Wenn es sich bei diesen Direktbeauftragungen nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handelt, ist von einem Scheinwerkvertrag auszugehen.
4. Will ein in einem Drittbetrieb eingesetzter Arbeitnehmer geltend machen, zwischen ihm und dem Inhaber des Drittbetriebes gelte gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis als zu Stande gekommen, und ist streitig, ob sein Einsatz in dem Drittbetrieb aufgrund eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages oder eines Dienst-oder Werkvertrages erfolgt ist, so muss er diejenigen Umstände darlegen und beweisen, aus denen sich das Vorliegen von Arbeitnehmerüberlassung ergibt.
Der Arbeitnehmer kann sich nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungs- und Beweislast allerdings zunächst auf die Darlegung solcher Umstände beschränken, die seiner Wahrnehmung zugänglich sind und auf Arbeitnehmerüberlassung hindeuten (Eingliederung, Weisungsstruktur). Dann ist es Sache des Arbeitgebers die für das Gegenteil sprechenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen, wonach die Abgrenzungskriterien Eingliederung und Weisungsstruktur auch in der gelebten Vertragsdurchführung werkvertragstypisch ausgestaltet sind.

Das Arbeitsgericht Stuttgart hatte die Klagen abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger wurde das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 29. Oktober 2012 abgeändert. Es wurde festgestellt, dass zwischen den Klägern und der Beklagten jeweils ein Arbeitsverhältnis besteht.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Bei der rechtlichen Unterscheidung zwischen einem Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung kommt es darauf an, ob die Arbeitnehmer in den Betrieb des Dritten eingegliedert sind und vom Dritten arbeitsvertragliche Weisungen erhalten. Wenn dies der Fall ist, ist von Arbeitnehmerüberlassung auszugehen. Dabei kommt es nicht auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem angeblichen Werkunternehmer und dem Auftraggeber an, wenn die Vertragsverhältnisse tatsächlich so nicht gelebt worden sind.


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