Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen - Bekämpfung der Entgeltungleichheit von Frauen und Männern

Aktuelles

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Februar 2023 (8 AZR 450/21) zur Entgeltgleichheit von Männern und Frauen
Nach Ansicht der Richter dürfen Gehaltsverhandlungen die Entgeltgleichheit von Männern und Frauen nicht aushebeln.


Der Europäische Gerichtshof stärkt Entgeltgleichheit für Frauen und Männer - Urteil vom 3. Juni 2021 in der Rechtssache C-624/19 Tesco Stores
Arbeitnehmer können sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten sowohl bei "gleicher" als auch bei "gleichwertiger Arbeit" unmittelbar auf den unionsrechtlich verankerten Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen berufen.

Grundsätzliches

Nach der Veröffentlichung am 5. Juli 2017 im Bundesgesetzblatt ist das neue Entgelttransparenzgesetz am 6. Juli 2017 in Kraft getreten. Mit dem Gesetz soll erreicht werden, dass Frauen und Männer bei gleichwertiger Arbeit das gleiche Entgelt erhalten.

Kern des Gesetzes zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen ist in Artikel 1 die Einführung des Entgelttransparenzgesetzes.
Auszug aus der Begründung zum Gesetzentwurf:

In Deutschland beträgt die statistische Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern, bezogen auf das durchschnittliche Bruttostundenentgelt, immer noch rund 21 Prozent (Ost: 8 Prozent/ West: 23 Prozent, Stand 2016).

Hinter dieser "unbereinigten" Entgeltlücke stehen strukturelle Faktoren und erwerbsbiografische Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Insbesondere bewirken eine geschlechterspezifische Berufswahl, eine geringere Präsenz von Frauen in Führungspositionen, familienbedingte Erwerbsunterbrechungen und länger andauernde Teilzeittätigkeit, die daraus resultierende geringere Berufserfahrung sowie nicht zuletzt die traditionell schlechtere Bezahlung von typischen Frauenberufen, unterschiedliche durchschnittliche Entgelte von Frauen und Männern

Wesentliche Inhalte des Entgelttransparenzgesetzes sind:

  1. die Definition wesentlicher Grundsätze und Begriffe zum Gebot der Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern bei gleicher und gleichwertiger Arbeit,
  2. die Einführung eines individuellen Auskunftsanspruchs für Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten bei gleichzeitiger Stärkung des Betriebsrates bei der Wahrnehmung des Auskunftsanspruchs,
  3. die Aufforderung an private Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten, betriebliche Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit durchzuführen sowie
  4. die Einführung einer Berichtspflicht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit von Frauen und Männern für Unternehmen mit in der Regel mindestens 500 Beschäftigten, soweit diese nach dem Handelsgesetzbuch lageberichtspflichtig sind.

Der Auskunftsanspruch ermöglicht Beschäftigten, die nicht nach Tarif bezahlt werden, die Kriterien zur Festlegung ihres Lohnes, die Kriterien einer vergleichbaren Tätigkeit und die Entlohnung der vergleichbaren Tätigkeit zu erfragen. Tarifgebundene Betriebe müssen bei Geltendmachung des Auskunftsanspruchs den relevanten Tarifvertrag nennen. Der Auskunftsanspruch soll die Durchsetzung der Lohngleichheit erleichtern.
Der Auskunftsanspruch nach § 10 kann erstmals sechs Kalendermonate nach dem 6. Juli 2017 geltend gemacht werden (§ 25 Übergangsbestimmungen). Damit können Mitarbeiter seit dem 06.01.2018 Auskunft über das Gehalt vergleichbarer Kollegen verlangen.

Das Gesetz fordert private Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten auf, die Löhne auf Entgeltgleichheit regelmäßig zu überprüfen. Zugleich werden die Unternehmen verpflichtet, in ihren Lageberichten über den Stand der Gleichstellung zu informieren.

Entgelttransparenzgesetz - Anspruch des Betriebsrats im Hinblick auf Bruttoentgeltlisten
Nach dem Entgelttransparenzgesetz darf der Betriebsrat die Gehaltslisten von Mitarbeitern einsehen. Dieses Einsichts- und Auswertungsrecht besteht aber nicht, wenn der Arbeitgeber die Erfüllung der Auskunftsverpflichtung berechtigterweise an sich gezogen hat.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28. Juli 2020 (1 ABR 6/19) - Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 24/20:

Die Arbeitgeberin ist ein Telekommunikationsunternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten. Nach Inkrafttreten des EntgTranspG machte sie von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, die Verpflichtung zur Erfüllung von Auskunftsverlangen der Beschäftigten generell zu übernehmen. Über die in der ersten Jahreshälfte 2018 geltend gemachten Auskunftsverlangen informierte sie den Betriebsrat und gewährte ihm Einblick in spezifisch aufbereitete Bruttoentgeltlisten. Diese waren nach Geschlecht aufgeschlüsselt und wiesen sämtliche Entgeltbestandteile auf. Der Betriebsrat hat unter Hinweis auf § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG verlangt, die Listen dem Betriebsausschuss in bestimmten elektronischen Dateiformaten zur Auswertung zu überlassen.
Die Vorinstanzen haben das Begehren abgewiesen. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Das Einsichts- und Auswertungsrecht in § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG korrespondiert mit der nach der Grundkonzeption des EntgTranspG dem Betriebsrat zugewiesenen Aufgabe, individuelle Auskunftsansprüche von Beschäftigten zu beantworten. Es besteht daher nicht, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Arbeitgeber diese Aufgabe selbst erfüllt.

Entgeltgleichheitsklage - Auskunft über das Vergleichsentgelt - Vermutung der Benachteiligung wegen des Geschlechts - Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Januar 2021 (8 AZR 488/19)

Mit dem Urteil stärkt das Bundesarbeitsgericht die Rechte von Frauen bei ungleicher Bezahlung. Wenn Männer für eine vergleichbare Arbeit mehr verdienen als ihre Kolleginnen, so begründet das regelmäßig die Vermutung, dass die Frauen aufgrund ihres Geschlechtes beim Entgelt benachteiligt werden. Der Arbeitgeber muss dann widerlegen, dass die Beschäftigte nicht benachteiligt werde.

Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 1/21 des Bundesarbeitsgerichts:

Klagt eine Frau auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit (Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG), begründet der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das vom Arbeitgeber nach §§ 10 ff. EntgTranspG mitgeteilte Vergleichsentgelt (Median-Entgelt) der männlichen Vergleichsperson, regelmäßig die - vom Arbeitgeber widerlegbare - Vermutung, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist.

WSI-Report Nr. 45, Januar 2019
Entgeltgleichheit von Frauen und Männern
Wie wird das Entgelttransparenzgesetz in Betrieben umgesetzt?
Eine Auswertung der WSI-Betriebsrätebefragung 2018

Eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung in Kooperation mit dem Institut für empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung (INES Berlin) zeigt Probleme bei der Umsetzung des Gesetzes in der Praxis auf.
Auszug aus dem WSI-Report Nr. 45, Januar 2019:

Es scheint dringend angeraten, die gesetzlichen Bestimmungen zu verschärfen, um mehr Betriebe in die Pflicht zu nehmen, ihre Entgeltstrukturen systematisch zu überprüfen und Beschäftigten leichter zu ermöglichen, ihre Entlohnung überprüfen zu lassen.

Die WSI-Betriebsrätebefragung 2018 zeigt, dass das Entgelttransparenzgesetz nur in einer kleinen Minderheit von Betrieben zu Aktivitäten geführt hat. Die große Mehrheit der Betriebe hat sich aus der Sicht der 2.288 befragten Betriebsräte bisher nicht mit der Umsetzung des Entgelttransparenzgesetzes befasst.
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Der Befund, dass in der überwiegenden Mehrheit der Betriebe bisher keine Auskünfte erbeten wurden, zeigt, dass auch der individuelle Auskunftsanspruch des Gesetzes noch keine breite Wirkung entfaltet hat.
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Das Entgelttransparenzgesetz zeigt bisher in den Betrieben (mit Betriebsrat) nur wenig Wirkung. Der Gesetzgeber sollte daher in Betracht ziehen, die im Gesetz verankerten Wege zu mehr Transparenz und Entgeltgleichheit verbindlicher auszugestalten.
Dazu gehört erstens, dass den Betrieben die Prüfung der betrieblichen Entgeltstrukturen nicht nur empfohlen wird, sondern verpflichtend gemacht werden müsste. Dazu gehört zweitens, dass die Schranken für die Realisierung des individuellen Auskunftsanspruchs gesenkt werden sollten. Für Beschäftigte in kleineren Betrieben sollte der Anspruch ebenfalls gelten; ebenso sollten Personen ihr Entgelt überprüfen lassen können, für die nicht sechs Personen des anderen Geschlechts mit vergleichbarer Arbeit im Betrieb gefunden werden können. Zudem ist nicht ersichtlich, warum hier von vornherein von einer richtigen Eingruppierung in das Tarifgefüge sowie von der Diskriminierungsfreiheit der Tarifverträge selbst ausgegangen wird.

Randstad ifo-Personalleiterbefragung

Quartalsweise befragt das ifo Institut im Auftrag von Randstad Deutschland bis zu 1000 deutsche Personalleiter nach Anwendung und Bedeutung verschiedener Flexibilisierungsinstrumente in ihrem Unternehmen.
Die Sonderfragen im 3. Quartal 2018 beschäftigen sich mit dem Entgelttransparenzgesetz. Hat das Entgelttransparenzgesetz eine Wirkung auf die Betriebe entfaltet und wenn ja, wie sah sie aus? Knapp ein Jahr nach dem Inkrafttreten untersucht die Personalleiterbefragung die Auswirkungen dieser Gesetzgebung auf die deutschen Unternehmen.
Auszug aus den Ergebnissen der Randstad ifo-Personalleiterbefragung:

Den Befragungsergebnissen zufolge glaubte nur jeder achte Betriebsleiter, dass das Entgelttransparenzgesetz ein wirkungsvolles Instrument sei, um geschlechtsspezifische Lohnungleichheiten zu reduzieren. Die restlichen Personalleiter hielten das Gesetz zu (in etwa) gleichen Teilen für ungeeignet oder hatten keine Meinung dazu. Die ablehnende Haltung nahm mit steigender Anzahl der Mitarbeiter zu - während gut ein Drittel der kleinen Unternehmen (die aufgrund ihrer Größe nicht unter die Auskunftspflicht fallen) das Gesetz für wirkungslos hielt, waren es bei den Unternehmen mit mehr als 500 Angestellten mehr als die Hälfte.
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Um tatsächlich die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu schließen, muss der Gesetzgeber offenbar noch nachbessern und über eine andere Ausgestaltung des Entgelttransparenzgesetzes nachdenken.


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