Schichtarbeit und Schichtsysteme
Nacht- und Schichtarbeit
Hauptgründe für die Einführung von Schichtarbeit:
- Versorgung und Sicherheit der Bevölkerung (Polizei, Krankenhäuser, Energieversorgung, ....)
- Wirtschaftlichkeit (Ausnutzung von Anlagen)
- Technologische Anforderungen (Prozesse die länger als 8 Stunden laufen)
Dem steht entgegen, dass Schichtarbeiter ihre Gesundheit gefährden. Wer nachts arbeitet, kämpft gegen den natürlichen biologischen Rhythmus an.
Häufige Beschwerden:
- Schlafstörungen
- Störungen des Verdauungssystems
- Nervosität
- Reizbarkeit
Um den Gesundheitsschutz zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber notwendige Regeln vorgegeben.
§ 6 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz:
Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.
Informationen zur Nachtarbeit - Zuschläge für Nachtarbeit
Schichtsysteme
Grundsätzlich kann man zwischen permanenten und wechselnden Systemen unterscheiden. Permanente Schichtsysteme bedeuten, dass jemand eine bestimmte
Schicht für eine längere Zeit übernimmt.
Permanente Schichtsysteme:
- Dauerfrühschichten
- Dauerspätschichten
- Dauernachtschichten
- geteilte Schichten zu konstanten Zeiten
Im Gegensatz zu den USA sind permanente Schichtsysteme in Europa selten. In Europa werden Wechselschichtsysteme bevorzugt.
Wechselschichtsysteme:
- ohne Nachtarbeit und ohne Wochenendarbeit
- ohne Nachtarbeit und mit Wochenendarbeit
- mit Nachtarbeit und ohne Wochenendarbeit
- mit Nachtarbeit und mit Wochenendarbeit
Einteilung der Schichtsysteme:
- Diskontinuierliche Schichtsysteme
Bei diskontinuierlicher Schichtarbeit wird in mehreren Schichten am Tag (z. B. Früh- und Spätschicht) oder auch rund um die Uhr gearbeitet. Es wird jedoch nicht an allen Tagen der Woche gearbeitet. In der Regel ist das ganze Wochenende oder zumindest der Sonntag arbeitsfrei. - Teilkontinuierliche Schichtsysteme
Bei teilkontinuierlichen Schichtsystemen wird 24 Stunden am Tag gearbeitet. Das komplette Wochenende ist frei. - Vollkontinuierliche Schichtsysteme
Bei vollkontinuierlichen Schichtsystemen wird die ganze Woche 24 Stunden am Tag gearbeitet (meist in 3- oder Mehr-Schichtsystemen).
Schichtbetrieb:
- Zweischichtbetrieb
Zwei nacheinander liegende Schichten. Wechsel zwischen Früh- und Spätschicht. - Dreischichtbetrieb
Drei nacheinander liegende Schichten. Früh-, Spät- und Nachtschicht. - Vierschichtbetrieb
Die Betriebszeit (Früh-, Spät- und Nachtschicht) wird mit vier Schichtgruppen abgedeckt. Eine Gruppe hat jeweils eine Freischicht. - Fünfschichtbetrieb
Die Betriebszeit (Früh-, Spät- und Nachtschicht) wird mit fünf Schichtgruppen abgedeckt. Zwei Gruppen haben jeweils eine Freischicht.
Handlungsempfehlungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zur Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit:
- Die Anzahl der aufeinanderfolgenden Nachtschichten sollte möglichst gering sein.
- Nach einer Nachtschichtphase sollte eine möglichst lange Ruhephase folgen. Sie sollte auf keinen Fall weniger als 24 Stunden betragen.
- Geblockte Wochenendfreizeiten sind besser als einzelne freie Tage am Wochenende.
- Schichtarbeiter sollten möglichst mehr freie Tage im Jahr haben als Tagarbeiter.
- Ungünstige Schichtfolgen sollten vermieden werden, d. h. immer vorwärts rotieren.
- Die Frühschicht sollte nicht zu früh beginnen.
- Die Nachtschicht sollte möglichst früh enden.
- Zugunsten individueller Vorlieben sollte auf starre Anfangszeiten verzichtet werden.
- Die Massierung von Arbeitstagen oder Arbeitszeiten auf einen Tag sollte begrenzt werden.
- Schichtpläne sollen vorhersagbar und überschaubar sein.
Diese Empfehlungen sind zum Teil nicht gleichzeitig zu erfüllen, das bedeutet, daß eine "Bewertungsbilanz" zwischen den Einzelkriterien vorgenommen werden muß. Es ist nicht eindeutig zu entscheiden, welche Rangreihe innerhalb der Kriterien besteht. Grundsätzlich muß aber verlangt werden, daß spezifische Aspekte zur Verringerung des gesundheitlichen Risikos notwendigerweise Vorrang haben müssen.
- Die Massierung von Arbeitsbelastung unter Berücksichtigung der Arbeitszeit sollte vermieden werden.
- Die Ruhezeiten zwischen den Schichten sollten so lang sein, daß sie eine effektive Erholung ermöglichen.
- Um Schlafdefizite zu vermeiden, sollten nicht zu viele Nachtschichten aufeinander folgen.
Beermann, B.: Leitfaden zur Einführung und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit
Auflage: 1, Bremerhaven, 2004 (Quartbroschüre: Allgemein), ISBN: 3-88261-440-4, 52 Seiten
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 9. April 2014 (10 AZR 637/13) - Beschäftigungsanspruch - Nachtdienstuntauglichkeit
Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 16/14 des Bundesarbeitsgerichts:
Kann eine Krankenschwester aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschichten im Krankenhaus mehr leisten, ist sie deshalb nicht arbeitsunfähig krank. Sie hat Anspruch auf Beschäftigung, ohne für Nachtschichten eingeteilt zu werden.
....
Die Klägerin ist aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, Nachtdienste zu leisten, weil sie medikamentös behandelt wird.
Nach einer betriebsärztlichen Untersuchung schickte der Pflegedirektor die Klägerin am 12. Juni 2012 nach Hause, weil sie wegen ihrer Nachtdienstuntauglichkeit arbeitsunfähig krank sei. Die Klägerin bot demgegenüber ihre Arbeitsleistung - mit Ausnahme von Nachtdiensten - ausdrücklich an. Bis zur Entscheidung des Arbeitsgerichts im November 2012 wurde sie nicht beschäftigt. Sie erhielt zunächst Entgeltfortzahlung und bezog dann Arbeitslosengeld.
....
Sie kann alle vertraglich geschuldeten Tätigkeiten einer Krankenschwester ausführen. Die Beklagte muss bei der Schichteinteilung auf das gesundheitliche Defizit der Klägerin Rücksicht nehmen. Die Vergütung steht der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu, weil sie die Arbeit ordnungsgemäß angeboten hat und die Beklagte erklärt hatte, sie werde die Leistung nicht annehmen.
Damit gilt: Können Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschichten mehr leisten, sind sie nicht arbeitsunfähig krank, sondern haben Anspruch auf Beschäftigung ohne Nachtschicht.
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