Betreuungsgeld - Verfassungswidrige Leistung

Das Bundesverfassungsgerichts hat mit dem am 21.07.2015 verkündetem Urteil (1 BvF 2/13) entschieden, dass dem Bundesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz für das Betreuungsgeld fehlt. Auszug aus dem Urteil:

§§ 4a bis 4d Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Einführung eines Betreuungsgeldes (Betreuungsgeldgesetz) vom 15. Februar 2013 (Bundesgesetzblatt I Seite 254) sind mit Artikel 72 Absatz 2 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.

Die Richter setzten keine Übergangsfrist für die Fortgeltung der Regelungen fest. Damit kann der Bund über die Weitergeltung bereits bewilligter Leistungen entscheiden.
Die frei werdenden Mittel könnten nun genutzt werden, um die Kinderbetreuung auszubauen


Betreuungsgeldergänzungsgesetz im Bundesrat gescheitert
Das Betreuungsgeldergänzungsgesetz wurde am 28. Juni 2013 vom Bundestag beschlossen. Das Einspruchsgesetz stand auf der Tagesordnung der 914. Sitzung des Bundesrates am 20.09.2013. Wer auf das Betreuungsgeld verzichtet und die Summe stattdessen als private Altersvorsorge und zum Bildungssparen nutzt, soll einen zusätzlichen Bonus von 15 Euro bekommen.
Das Betreuungsgeldergänzungsgesetz wurde in den Vermittlungsausschuss verwiesen. Damit müsste das Gesetz vom nächsten Bundestag neu aufgelegt werden.
Auszug aus der Pressemitteilung des Bundesrates vom 20.09.2013:

Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung das Gesetz zur Ergänzung des Betreuungsgeldes in den Vermittlungsausschuss verwiesen, um es aufheben zu lassen. Er vertritt die Auffassung, dass die geplante zusätzliche Prämie nur für Kinder, die nicht in eine öffentlich geförderte Betreuungseinrichtung gehen, eine Ungleichbehandlung darstellt.

Der Bundesrat stellt ferner fest, dass das Gesetz gemäß Artikel 104a Absatz 4 und Artikel 84 Absatz 1 des Grundgesetzes seiner Zustimmung bedarf.

Überblick

Der Bundesrat hat in seiner 904. Sitzung am 14. Dezember 2012 das Gesetz zur Einführung eines Betreuungsgeldes (Betreuungsgeldgesetz) gebilligt. Am 09.11.2012 wurde das Betreuungsgeld im Bundestag beschlossen. Eltern, die für ihre ein bis zweijährigen Kinder keine öffentlich geförderte Betreuung in Anspruch nehmen, können das Betreuungsgeld bei der Elterngeldkasse der jeweiligen Kommune beantragen. Ab dem 1. August 2013 beträgt das Betreuungsgeld 100 Euro, ab dem 1. August 2014 gibt es dann 150 Euro.

Der gleichzeitige Bezug von Betreuungs- und Elterngeld ist ausgeschlossen. Das Betreuungsgeld kann ab dem 15. Lebensmonat des Kindes 22 Monate lang bezogen werden. Es wird auf das Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe und den Kinderzuschlag angerechnet.
Bezugsberechtigt sind Eltern, deren Kinder nach dem 31. Juli 2012 geboren sind.

Für die einen ist es eine Herdprämie, ein Gluckengehalt oder Zigaretten- und Schnapsgeld. Für die Befürworter des Betreuungsgeldes geht es um Wahlfreiheit und eine Anerkennungsleistung. Für viele Forscher sowie die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) passt das Betreuungsgeld nicht in die Zeit. Es sei teuer und setzt Anreize, nicht zu arbeiten.

Der Antrag des Landes Baden-Württemberg das Betreuungsgeld zu stoppen und Bundesmittel zum Ausbau der Kleinkindbetreuung zu erhöhen, wurde vom Bundesrat abgelehnt (896. Sitzung am 11. Mai 2012).
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2015 (1 BvF 2/13) wurden einstimmig die Betreuungsgeldparagrafen §§ 4a bis 4d des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes für nichtig erklärt.

Das Betreuungsgeld ist steuerfrei und unterliegt auch nicht dem Progressionsvorbehalt.

Gesetzliche Grundlagen - Durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2015 (1 BvF 2/13) für nichtig erklärt

Das Betreuungsgeld ist im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz verankert. Das Gesetz zur Einführung eines Betreuungsgeldes (Betreuungsgeldgesetz - BetrGeldG) beschäftigt sich im Artikel 1 mit der Änderung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes.

Dazu wurde nach § 4 der Abschnitt 2 (Betreuungsgeld) eingefügt.

Im § 4a (Berechtigte) wird durch Verweis auf § 1 Abs. 8 die gleiche Einschränkung wie beim Elterngeld festgelegt:
Das zu versteuernde Einkommen darf bei Ehepaaren nicht über 500.000 Euro liegen, bei Alleinerziehenden nicht über 250.000 Euro.

Der § 4b legt die Höhe des Betreuungsgeldes fest. Es beträgt für jedes Kind 150 Euro pro Monat. Bei Mehrlingen oder anderen anspruchsberechtigten Geschwisterkindern gilt der Anspruch damit für jedes einzelne Kind.

Im § 27 Übergangsvorschrift wird im Absatz 3 festgelegt:

Betreuungsgeld wird nicht für vor dem 1. August 2012 geborene Kinder gezahlt. Bis zum 31. Juli 2014 beträgt das Betreuungsgeld abweichend von § 4b 100 Euro pro Monat.

Der § 4c legt die Anrechnung von anderen Leistungen fest.

Im § 4d wird der Bezugszeitraum definiert.

Betreuungsgeldergänzungsgesetz

Der Bundestag hatte am 28.06.2013 das Gesetz zur Ergänzung des Betreuungsgeldgesetzes (Betreuungsgeldergänzungsgesetz) beschlossen. Das nicht zustimmungsbedürftige Gesetz sollte am 01.01.2014 in Kraft treten. Das Gesetz sieht vor, dass das Betreuungsgeld in zusätzliche Altersvorsorge oder für Bildungssparen eingesetzt werden kann. Wer sich für diese Optionen entscheidet, soll einen Bonus von 15 Euro monatlich erhalten.

Das Betreuungsgeldergänzungsgesetz wurde auf der 914. Sitzung des Bundesrates am 20.09.2013 in den Vermittlungsausschuss verwiesen. Damit müsste das Gesetz vom nächsten Bundestag neu aufgelegt werden.
Der Bundesrat stellt ferner fest, dass das Gesetz gemäß Artikel 104a Absatz 4 und Artikel 84 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) seiner Zustimmung bedarf.
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2015 (1 BvF 2/13) hat sich auch das Betreuungsgeldergänzungsgesetz erübrigt.

Gesetzliche Grundlage wäre der § 4b des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes gewesen.

§ 4b (geplante Fassung)
Höhe des Betreuungsgeldes, Erhöhungsbetrag bei Leistung in einen Vertrag zur Altersvorsorge oder in einen Vertrag zum Bildungssparen
(1) Das Betreuungsgeld beträgt für jedes Kind 150 Euro je Monat.
(2) Der Betrag nach Absatz 1 erhöht sich um 15 Euro für jeden Monat (Erhöhungsbetrag), für den die berechtigte Person die nach § 12 zuständige Behörde beauftragt, das ihr für diesen Monat für das Kind insgesamt zustehende Betreuungsgeld
  1. zugunsten eines auf ihren Namen lautenden, nach § 5 oder § 5a des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes zertifizierten Vertrages (Altersvorsorgevertrag oder Basisrentenvertrag) oder
  2. zugunsten eines Vertrages zwischen der berechtigten Person und einem Kreditinstitut oder einem Versicherungsunternehmen, der die Voraussetzungen eines Vertrages zum Bildungssparen nach Absatz 4 erfüllt,
unmittelbar an den Anbieter zu leisten.
....

Erfahrungen aus Finnland, Norwegen und Schweden

Eine Analyse der Friedrich-Ebert-Stiftung vom April 2012 dokumentiert Erfahrungen aus Finnland, Norwegen und Schweden.
Kernaussagen:

  • Die große Mehrheit der Leistungsempfänger sind in allen drei Ländern Mütter, vor allem Mütter mit geringem Einkommen, niedrigem Bildungsniveau und Migrationshintergrund.
  • Grundsätzlich wirkt sich das Betreuungsgeld negativ auf die Beschäftigung von Müttern und auf die Nutzung von öffentlichen Kinderbetreuungsangeboten aus, besonders stark sind die negativen Effekte in Finnland und unter Müttern mit Migrationshintergrund.

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