Die Reform der Zeitarbeit
Das Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes stand auf der Tagesordnung der 951. Sitzung des Bundesrates am 25.11.2016. Der Bundesrat hat zugestimmt. Damit tritt das Gesetz
am 01.04.2017 in Kraft.
Die wichtigsten Regelungen sind:
- Leiharbeitnehmer werden nach neun Monaten hinsichtlich des Arbeitsentgelts mit den Stammarbeitnehmern beim Entleiher gleichgestellt (Equal Pay).
Entleihfirmen können nur über Branchen-Zusatztarifverträge davon abweichen. Leiharbeitnehmer müssen dann aber stufenweise, spätestens nach 15 Monaten das gleiche Arbeitsentgelt bekommen. Die stufenweise Heranführung an dieses Arbeitsentgelt muss spätestens nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen beginnen. - Einführung einer Überlassungshöchstdauer von grundsätzlich 18 Monaten.
Leiharbeitnehmer müssen damit nach 18 Monaten, wenn sie weiterhin im gleichen Entleihbetrieb arbeiten sollen, von diesem übernommen werden. Wenn das nicht erfolgen soll, müssen sie vom Verleiher aus diesem Entleihbetrieb abgezogen werden. Überlassungszeiten vor dem 01.04.2017 werden bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer nicht berücksichtigt.
In einem Tarifvertrag der Einsatzbranche oder auf Grund eines solchen Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung können abweichende Regelungen vereinbart werden. - Der Einsatz entliehener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Streikbrecher wird verboten.
- Abschaffung der sogenannten "Vorratsverleiherlaubnis".
Arbeitgeber konnten bislang Scheinwerkverträge nachträglich als Leiharbeit legalisieren und die im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vorgesehenen Sanktionen für die sogenannte illegale Arbeitnehmerüberlassung verhindern. Zukünftig muss Leiharbeit von vornherein als solche bezeichnet werden. Wer das nicht tut, kann sich später nicht mehr auf seine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung berufen. - Die von der Rechtsprechung entwickelte Abgrenzung von abhängiger zu selbstständiger Tätigkeit wird gesetzlich niedergelegt.
Dazu wird im BGB der § 611a mit folgendem Inhalt eingefügt:
(1) Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.
(2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. - Der Inhalt des bereits bestehenden Informationsrechts des Betriebsrats über den Einsatz von Personen, die nicht im Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber des Betriebs stehen, wird gesetzlich klargestellt.
Auszug aus dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze:
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Leiharbeit auf ihre Kernfunktion hin zu orientieren und den Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen zu verhindern. Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträge sind wichtige Instrumente in einer arbeitsteiligen Wirtschaft.
....
Um den Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen zu verhindern, werden bei einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung der vermeintliche Werkunternehmer und sein Auftraggeber auch bei Vorlage einer Verleiherlaubnis nicht besser gestellt als derjenige, der unerlaubt Arbeitnehmerüberlassung betreibt. Außerdem wird die von der Rechtsprechung entwickelte Abgrenzung von abhängiger zu selbstständiger Tätigkeit gesetzlich niedergelegt, indem festgelegt wird, wer Arbeitnehmer ist. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird klargestellt, dass ein Arbeitsverhältnis, unabhängig von der Bezeichnung und dem formalen Inhalt des Vertrages vorliegt, wenn dies der tatsächlichen Vertragsdurchführung entspricht.
Probleme des Gesetzentwurfs
Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Diensts des Bundestags zur Novellierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sieht einige Probleme. Zu möglichen Auswirkungen des Equal-Pay-Gebots steht im Gutachten folgendes:
Tatsächlich bleibt nach dem Gesetzentwurf eine Rotationslösung denkbar, wenn ein Verleiher beispielsweise zwei Leiharbeitnehmer halbjährlich wechselnd in zwei Entleiher-Betrieben einsetzt.
Insoweit wird die künftige betriebliche Praxis zeigen müssen, inwieweit die Regelungen des Änderungsentwurfs Umgehungen des Equal Pay tatsächlich verhindern.
Zur Höchstüberlassungsdauer wird im Gutachten angemerkt:
Im Ergebnis wird es nach dem Gesetzesentwurf möglich bleiben, Arbeitsplätze langfristig mit Leiharbeitnehmern zu besetzen, sofern diese spätestens nach 18 Monaten ausgetauscht werden. Ein Leiharbeitnehmer wird auch weiterhin wiederholt auf dem gleichen Arbeitsplatz des Entleihers eingesetzt werden können, sofern seit seinem letzten Einsatz beim Entleiher mindestens drei Monate vergangen sind. Inwieweit Missbrauch dennoch durch die geplante Regelung eingedämmt werden kann, wird die Praxis zeigen müssen.
Evaluation des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
Die Anwendung dieses Gesetzes sollte im Jahr 2020 sach- und fachgerecht untersucht werden (§ 20 AÜG). Die Evaluierung wurde erst Ende 2022 abgeschlossen.
Endbericht zum Forschungsvorhaben
Auszug aus dem Forschungsvorhaben:
Die Ergebnisse zeigen insgesamt, dass die Ziele der Gesetzesreform nur teilweise erreicht werden konnten. Zum Teil liegt dies auch daran, dass die einzelnen Ziele in unterschiedliche Richtungen gehen. Die Absichten und Zielsetzungen, die der Gesetzgeber mit der Neuregelung des AÜG verfolgt hat, werden zwar von vielen Akteuren als grundsätzlich sinnvoll eingeschätzt, die einzelnen Regelungen und deren Durchführung werden jedoch insgesamt als komplex und nur eingeschränkt wirkungsvoll bewertet. Insbesondere in den beiden Kernbereichen der Reform, den Neuregelungen zur Überlassungshöchstdauer und zum Equal Pay, wird von vielen Seiten Nachbesserungsbedarf gesehen. Die relativ geringe Reichweite der Effekte und die oft nur kleine oder nicht nachweisbare Effektstärke, die sich in vielen Ergebnissen der Evaluation zeigen, sind nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass insgesamt nur eine begrenzte Anzahl von Personen und Betrieben von den Neuregelungen betroffen ist, weil die "Neuregelungen" teils bereits seit Langem umgesetzt werden, und dass die Eingriffstiefe im Vergleich zum vorherigen Zustand insgesamt gering ist. Aus diesen Gründen halten sich die Effekte der Reform - seien es erwünschte oder unerwünschte - insgesamt in überschaubarem Rahmen.
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