Hinzurechnungsbetrag beim Lohnsteuerabzug
Grundsätzliches
Der steuerliche Grundfreibetrag sowie der Arbeitnehmerpauschbetrag werden nur im ersten Arbeitsverhältnis berücksichtigt. Die Steuerklasse VI gilt für ein zweites und jedes weitere Dienstverhältnis, wenn zur
Abrechnung die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale benötigt werden (Arbeitslohn über der Geringfügigkeitsgrenze; 520 Euro ab 01.10.2022).
Bei mehreren Arbeitsverhältnissen mit niedrigem Arbeitslohn werden der Grundfreibetrag sowie der Arbeitnehmerpauschbetrag häufig nicht ausgeschöpft. Der Arbeitslohn des Arbeitnehmers im zweiten Dienstverhältnis unterliegt
aber in voller Höhe dem Lohnsteuerabzug.
Beispiele:
- Arbeitnehmer mit mehreren niedrig entlohnten Arbeitsverhältnissen
- Studenten mit mehreren niedrig entlohnten Arbeitsverhältnissen
- Auszubildender mit einer Nebentätigkeit
- Rentner, der neben einer Betriebsrente noch Arbeitslohn aus einem niedrig entlohnten Beschäftigungsverhältnis bezieht
- Rentner mit mehreren Betriebsrenten
In diesen Fällen wird häufig während des Jahres Lohnsteuer einbehalten, die nach Ablauf des Jahres im Wege einer Veranlagung zur Einkommensteuer wieder erstattet werden muss. Die dagegen gerichteten Klagen hatten Erfolg.
Seit dem 01.01.2000 gibt es einen Hinzurechnungsbetrag, den der Arbeitgeber dem Arbeitslohn hinzurechnen muss, bevor er die Lohnsteuer aus der Lohnsteuertabelle abliest. Für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge ist ein
Hinzurechnungsbetrag ohne Bedeutung.
Der Arbeitnehmer kann sich so einen Freibetrag für sein zweites oder jedes weitere Arbeitsverhältnis eintragen lassen, wenn er sich in gleicher Höhe einen Hinzurechnungsbetrag für sein erstes Arbeitsverhältnis eintragen lässt.
Es wird also steuerlich aus zwei Arbeitsverhältnissen eins gemacht. Die Versteuerung erfolgt nach der persönlichen Lohnsteuerklasse. Da die Lohnsteuer, der Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer nur vom Arbeitnehmer getragen werden, ist das für den Arbeitgeber ohne Bedeutung. Auf die Sozialversicherung hat das Verfahren keine Auswirkungen.
Wenn für das erste Arbeitsverhältnis bereits ein Freibetrag eingetragen ist (oder werden soll), wird dieser mit dem Hinzurechnungsbetrag saldiert. Einen Eintrag von zwei Zahlen gibt es nicht (§ 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG).
Das Verfahren darf nur angewendet werden, wenn der Arbeitslohn aus dem ersten Arbeitsverhältnis niedriger ist als der Eingangsbetrag der entsprechenden Jahreslohnsteuertabelle (lt. Steuerklasse des ersten Arbeitsverhältnisses).
Hat ein Arbeitnehmer mehrere Arbeitsverhältnisse, so verhindert dieses Verfahren, das bereits beim Lohnsteuerabzug zu hohe Lohnsteuer einbehalten wird, die sich sonst im Einzelfall durch die Steuerklasse VI für die zweite und jede weitere Beschäftigung ergeben würde.
Die gesetzliche Regelung erfolgt in § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG. Hier gab es mit Wirkung ab 01.01.2023 durch das Inflationsausgleichsgesetz eine Änderung.
Ab 2023 werden keine Vorsorgeaufwendungen bei der Ermittlung der Eingangsbeträge mehr berücksichtigt.
§ 39a EStG (vor dem 01.01.2023 geltende Fassung) | § 39a EStG (am 01.01.2023 geltende Fassung) |
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(1) Auf Antrag des unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Arbeitnehmers ermittelt das Finanzamt die Höhe eines vom Arbeitslohn insgesamt abzuziehenden Freibetrags aus der Summe der folgenden Beträge: |
(1) Auf Antrag des unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Arbeitnehmers ermittelt das Finanzamt die Höhe eines vom Arbeitslohn insgesamt abzuziehenden Freibetrags aus der Summe der folgenden Beträge: |
Ab 2023 orientieren sich die Eingangsbeträge an der Summe aus dem Grundfreibetrag, dem Arbeitnehmer-Pauschbetrag und dem Sonderausgaben-Pauschbetrag. In der Steuerklasse II kommt der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende dazu. In der Steuerklasse III wird der Grundfreibetrag verdoppelt und in der Steuerklasse V weggelassen.
Auszug aus der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Inflationsausgleichsgesetz):
Über § 39a Absatz 1 Satz 1 Nummer 7 EStG kann im zweiten oder weiteren Dienstverhältnis mit der Steuerklasse VI ein Freibetrag gebildet werden. In gleicher Höhe wird für das erste Dienstverhältnis (Steuerklassen I bis V) ein Hinzurechnungsbetrag berücksichtigt. So kann unterjährig ein - im Verhältnis zur Einkommensteuerschuld - zu hoher Lohnsteuerabzug vermieden werden.
Diesbezüglich wird auch hier die neue Systematik der Ermittlung der Arbeitslohngrenzen in § 46 Absatz 2 Nummer 3 und 4 EStG übernommen (zu den Einzelheiten siehe Einzelbegründung zur entsprechenden Änderung).
Dies führt zu einer wesentlichen Vereinfachung in der praktischen Abwicklung. Die sich grds. jährlich ändernden Höchstbeträge müssen nicht mehr kompliziert berechnet werden, sondern lassen sich leicht ermitteln. Auch wird nun nicht mehr zwischen aktiven Lohneinkünften und Versorgungsbezügen unterschieden. Der neue Höchstbetrag ist tendenziell etwas niedriger als nach der alten Rechtslage, weil keine Vorsorgeaufwendungen berücksichtigt werden. Dies mindert Nachzahlungen nach einer durchgeführten Einkommensteuerveranlagung oder vermeidet diese gänzlich.
Das Verfahren spielt bei den geringfügig entlohnten Beschäftigungen dann eine Rolle, wenn der Arbeitgeber die pauschale Lohnsteuer von 2% sparen will und den Lohnsteuerabzug nach den individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmalen verlangt.
Vor Einführung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) wurde der Hinzurechnungsbetrag durch das Finanzamt auf der ersten Lohnsteuerkarte und die Freibeträge auf den weiteren Lohnsteuerkarten eingetragen, ohne dass der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber des Nebenarbeitsverhältnisses etwas veranlassen musste. Mit der Einführung der Elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale gilt:
- Der Arbeitnehmer beantragt dazu den Gesamtbetrag des Freibetrages im Sinne des § 39a Absatz 1 Satz 1 Nr. 7 EStG bei seinem Finanzamt und teilt dem Arbeitgeber des weiteren Arbeitsverhältnisses mit, ob und in welcher Höhe ein Freibetrag nach § 39a Absatz 1 Satz 1 Nr. 7 EStG von diesem abgerufen werden soll.
- Der Hauptarbeitgeber erhält nur den Betrag als Hinzurechnungsbetrag, der tatsächlich von einem oder mehreren Nebenarbeitgebern abgerufen wurde.
Der Antrag des Arbeitnehmers erfolgt über das Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren.
Steuerfreie Eingangsbeträge für 2023
Da ab 2023 keine Vorsorgeaufwendungen mehr berücksichtigt werden, gibt es keine unterschiedlichen Eingangsbeträge mehr bei Anwendung der allgemeinen Lohnsteuertabelle, der besonderen Lohnsteuertabelle bzw. für die Empfänger von Versorgungsbezügen (Betriebsrenten).
Damit gelten die folgenden Eingangsbeträge für rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer und für nicht rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer sowie für Versorgungsempfänger.
Steuerklasse | Berechnung jährlicher Betrag | jährlich steuerfrei | monatlich steuerfrei |
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I | 10.908 € + 1.230 € + 36 € = | 12.174 € | 1.014 € |
II | 10.908 € + 1.230 € + 36 € + 4.260 € = | 16.434 € | 1.369 € |
III | 10.908 € + 10.908 € + 1.230 € + 36 € = | 23.082 € | 1.923 € |
IV | 10.908 € + 1.230 € + 36 € = | 12.174 € | 1.014 € |
V | 1.230 € + 36 € = | 1.266 € | 105 € |
Die Wahl des Freibetrags ist nicht auf die Differenz zwischen dem Jahresarbeitslohn aus dem ersten Arbeitsverhältnis und den Eingangsbeträgen der Jahreslohnsteuertabelle beschränkt. Übersteigt der Jahresarbeitslohn aus dem ersten Dienstverhältnis den Eingangsbetrag der Jahreslohnsteuertabelle nicht, so kann beliebig zwischen 0 und dem Eingangsbetrag ein Jahresfreibetrag ausgewählt und für das zweite Arbeitsverhältnis eingetragen lassen werden.
Beispiel für einen Arbeitnehmer mit zwei Arbeitsverhältnissen über 520 Euro im Jahr 2023
Ein Arbeitnehmer mit der Lohnsteuerklasse III arbeitet beim Arbeitgeber A für 1.000 Euro monatlich. In seinem zweiten Arbeitsverhältnis beim Arbeitgeber B gilt die Lohnsteuerklasse VI. Sein Verdienst beim Arbeitgeber B beträgt 900 Euro.
Sein Jahresarbeitslohn aus dem ersten Dienstverhältnis übersteigt nicht den für die Steuerklasse III maßgebenden steuerfreien Eingangsbetrag von 23.082 Euro. Bei einem Verdienst von 1.000 Euro monatlich, beträgt sein Jahresarbeitslohn nur 12.000 Euro. Er kann sich für sein zweites Arbeitsverhältnis einen Freibetrag bis 23.082 Euro (Wert für 2023) eintragen lassen. Es gibt keine Beschränkung auf die noch nicht ausgeschöpfte Differenz (hier 11.082 Euro).
Sinnvoll ist hier die Eintragung eines monatlichen Freibetrags von 900 Euro für das zweite Arbeitsverhältnis (Jahresfreibetrag von 10.800 Euro).
Zuständig für die Eintragung eines Freibetrags für das zweite Arbeitsverhältnis und des entsprechenden Hinzurechnungsbetrags für das erste Arbeitsverhältnis ist das Wohnsitzfinanzamt des Arbeitnehmers (Antragsvordruck für das Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren).
Für unser Beispiel ergibt sich damit:
Arbeitsverhältniss | Arbeitgeber A | Arbeitgeber B |
---|---|---|
Steuerklasse | III | VI |
Bruttomonatslohn | 1.000 Euro | 900 Euro |
Monatsfreibetrag | - | 900 Euro |
Hinzurechnungsbetrag | 900 Euro | - |
Berechnungsbetrag für die Lohnsteuer | 1.900 Euro | 0 Euro |
Sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt | 1.000 Euro | 900 Euro |
Für die Berechnung der Lohnsteuer müssen verschiedene Annahmen getroffen werden (wegen dem Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen haben die gezahlten SV-Beiträge Einfluss auf die Höhe der Lohnsteuer):
- Die Betriebsstätte für unser Beispiel liegt in den alten Bundesländern.
- Der Arbeitnehmer hat die Elterneigenschaft (damit kein Zuschlag in der Pflegeversicherung).
- Der Arbeitnehmer ist pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung. Der krankenkassenindividuelle Zusatzbeitragssatz soll 1,6% betragen.
Bei dieser Variante zahlt der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber A keine Lohnsteuer.
Die Berechnung erfolgt mit dem Lohn- und Einkommensteuerrechner des Bundesministerium der Finanzen.
Ergebnis der Berechnung als Bildschirmausdruck des Lohn- und Einkommensteuerrechner des Bundesministerium der Finanzen:
Beim Arbeitgeber B wäre auch keine Lohnsteuer fällig.
Ergebnis der Berechnung als Bildschirmausdruck des Lohn- und Einkommensteuerrechner des Bundesministerium der Finanzen:
Wenn der Arbeitnehmer sich keinen Freibetrag und damit auch keinen Hinzurechnungsbetrag eintragen lassen würde, hätte er beim Arbeitgeber A zwar auch keine Lohnsteuer zu zahlen.
Beim Arbeitgeber B wären aber 99,08 Euro Lohnsteuer fällig. Die Gesamtbelastung pro Monat ist also deutlich höher.
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