Das Lohnsteuerabzugsverfahren - Lohnsteuerklassen
Aktuelles
Statistisches Bundesamt Pressemitteilung Nr. 287 vom 26. Juli 2024: 39 % der Ehepaare wählten 2020 die Steuerklassenkombination III und V
Auszug aus der Pressemitteilung:
Ehepaare beziehungsweise in eine Lebenspartnerschaft eingetragene Paare entscheiden sich nach wie vor mehrheitlich für die Steuerklassenkombination III und V, wie die Daten der Lohn- und Einkommensteuerstatistik für das Veranlagungsjahr 2020 zeigen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, wählten von den insgesamt rund 5,3 Millionen zusammenveranlagten Steuerpflichtigen mit ausschließlich Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit knapp 2,1 Millionen Paare (39 %) diese Steuerklassenkombination. Bei weiteren 1,3 Millionen Paaren (25 %) erzielte nur eine der beiden Personen Arbeitseinkommen und war entsprechend in Steuerklasse III eingruppiert. 1,9 Millionen zusammenveranlagte Steuerpflichtige (36 %) waren in Steuerklasse IV eingetragen.
Aufgrund der langen Abgabe- und Bearbeitungsfristen liegen erste Ergebnisse der Lohn- und Einkommensteuerstatistik erst etwa dreieinhalb Jahre nach Ende des Veranlagungsjahres vor.
Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024 und Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Steuerrechts und zur Anpassung des Einkommensteuertarifs
Das Bundeskabinett hat am 24. Juli 2024 den Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024 und den Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Steuerrechts und zur Anpassung des
Einkommensteuertarifs (Steuerfortentwicklungsgesetz; bisher: zweites Jahressteuergesetz 2024) beschlossen (Quelle: Pressemitteilung 14/2024 des Bundesministeriums der Finanzen).
Dort wird festgelegt, dass die Überführung der Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren zum 1. Januar 2030 erfolgen soll.
Beide Gesetzentwürfe wurden am 26. September 2024 erstmals im Bundestag beraten. Nach der Aussprache überwiesen die Abgeordneten die beiden Gesetzentwürfe zur weiteren Beratung an den federführenden Finanzausschuss.
Beide Gesetzentwürfe standen auf der Tagesordnung der 1047. Sitzung des Bundesrates am 27. September 2024.
Der Bundesrat hatte zum Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024 keine Einwendungen.
Zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Steuerrechts und zur Anpassung des Einkommensteuertarifs gab es eine Stellungnahme.
Der Bundestag hat am 18. Oktober 2024 auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Finanzausschusses den Regierungsentwurf für ein Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024 angenommen.
Der Entwurf des Steuerfortentwicklungsgesetzes mit den Regelungen ab 2025 stand nicht auf der Tagesordnung.
Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wird ab 2023 von 4.008 Euro auf 4.260 Euro erhöht
Ab dem 1. Oktober 2021 können Anträge und Erklärungen zu den Lohnsteuerabzugsmerkmalen, die bisher in Papierform abgegeben werden mussten, erstmalig auch elektronisch dem zuständigen Finanzamt übermittelt werden.
Die Übermittlung funktioniert bundesweit über das Online-Portal "Mein ELSTER" oder über Übermittlungsprogramme privater Anbieter. Wer einen digitalen Antrag an sein Finanzamt stellen möchte und noch kein
Benutzerkonto bei "Mein ELSTER" hat, muss sich dafür unter www.elster.de einmalig registrieren (Quelle: Medieninformation vom 29.09.2021 des Thüringer Finanzministeriums).
Folgende Anträge und Erklärungen können ab dem 1. Oktober elektronisch an das Finanzamt übermittelt werden:
- Antrag auf Steuerklassenwechsel
- Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung
- Erklärung zum dauernden Getrenntleben
- Erklärung zur Wiederaufnahme der ehelichen oder lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft
- Antrag zu den elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (ELStAM)
Anhebung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende dauerhaft
Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wurde befristet auf die Jahre 2020 und 2021 von 1.908 Euro auf 4.008 Euro angehoben (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz).
Mit dem Jahressteuergesetz 2020 wird die begrenzte Anhebung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende entfristet und gilt damit dauerhaft.
Damit wird ab 2022 im Lohnsteuerabzugsverfahren die Anhebung über die Steuerklasse II berücksichtigt.
Über die Steuerklasse II wird für die Jahre 2020 und 2021 nur der Entlastungsbetrag von 1.908 Euro für das erste Kind berücksichtigt.
Der Erhöhungsbetrag von 2.100 Euro wird als zusätzlicher Freibetrag im Verfahren der Elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) erfasst.
Der Wechsel der Steuerklassenkombination bei Ehegatten ist ab 2020 nicht mehr auf einen Wechsel pro Kalenderjahr beschränkt (Bürokratieentlastungsgesetz III - Änderung § 39 Abs. 6 Satz 3 EStG).
Keine Zusammenveranlagung für die Partner einer nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft
Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluss vom 26.4.2017 (III B 100/16, veröffentlicht am 21.06.2017) entschieden, dass § 2 Abs. 8 EStG auf verschiedengeschlechtliche Partner einer
nichtehelichen Lebensgemeinschaft keine Anwendung findet.
Auszug aus den Entscheidungsgründen:
Die Rechtfertigung der einfachgesetzlichen Privilegierung der Ehe gegenüber anderen Lebensformen stützt das BVerfG vor allem darauf, dass die Ehe mit rechtlicher Verbindlichkeit und in besonderer Weise mit gegenseitigen Einstandspflichten ausgestattet ist und sich so als dauerhafte Paarbeziehung darstellt. Insoweit unterscheidet sie sich von anderen ungebundenen oder weniger verbindlichen Paarbeziehungen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 133, 377, Rz 83 ff., m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund interpretierte der Senat die Vorschrift des § 2 Abs. 8 EStG dahingehend, dass sie nur Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft i.S. des LPartG erfasst, weil nur derartige Partnerschaften sich hinsichtlich der durch sie erzeugten rechtlichen Bindungen und gegenseitigen Einstandspflichten herkömmlichen Ehen derart angenähert haben, dass eine steuerliche Ungleichbehandlung nicht mehr zu rechtfertigen ist.
Daraus folgt, dass verschiedengeschlechtliche Partner, die keine Ehe geschlossen, schon mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 LPartG auch keine Lebenspartnerschaft i.S. des LPartG begründet und damit auch keine vergleichbaren rechtlichen Bindungen und gegenseitigen Einstandspflichten übernommen haben, nicht unter den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 8 EStG fallen
Der Wechsel von der Steuerklasse III oder V in die Steuerklasse IV ist ab 01.01.2018 auch auf Antrag nur eines Ehegatten möglich (Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften).
Grundsätzliches
Die Steuerklasse ist eines der für den Lohnsteuerabzug maßgebenden Lohnsteuerabzugsmerkmale.
Bei Arbeitnehmern richten sich der Lohnsteuerabzug sowie der Abzug von Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer (bei entsprechendem Merkmal) nach
den elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (§ 39 Absatz 4 EStG).
Dazu gehört auch die Steuerklasse.
Bis 2013 richtete sich der Lohnsteuerabzug nach den Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte.
Für die Durchführung des Lohnsteuerabzugs werden unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer nach § 38b EStG in 6 Steuerklassen eingereiht.
Anträge zum Steuerklassenwechsel oder zur Anwendung des Faktorverfahrens sind an das Finanzamt zu richten, in dessen Bezirk die Ehegatten oder Lebenspartner im Zeitpunkt der Antragstellung ihren Wohnsitz (Wohnsitzfinanzamt) haben.
Der Lohnsteuertarif baut auf dem Einkommensteuertarif auf. Unterschiede bestehen lediglich in der Berücksichtigung der dem Arbeitnehmer zustehenden Freibeträge. Diese Freibeträge sind in die Lohnsteuerklassen eingearbeitet.
Keine Steuerklasse III für Alleinerziehende mit Kindern
Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluss vom 29.09.2016 (III R 62/13) entschieden, dass die Besteuerung Alleinerziehender nach dem Grundtarif anstelle einer Besteuerung nach dem Splittingtarif verfassungsgemäß ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 7. Mai 2013 (2 BvR 909/06) entschieden, dass die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften und Ehen beim Ehegattensplitting verfassungswidrig ist.
Das Ehegattensplitting gilt damit auch für Partner in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Das Gericht verlangte, die Gesetze rückwirkend zum 1. August 2001 zu ändern (Zeitpunkt der Einführung des
Lebenspartnerschaftsgesetzes). Die bestehenden Regelungen zum Ehegattensplitting für Eheleute können bis zu einer neuen Regelung übergangsweise auf eingetragene Lebenspartnerschaften angewandt werden.
Dem § 2 EStG wurde folgender Absatz 8 angefügt:
(8) Die Regelungen dieses Gesetzes zu Ehegatten und Ehen sind auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden.
Ab dem Jahr 2010 wurde ein neues Faktorverfahren zur Beseitigung des Steuerklassen-V-Problems eingeführt.
Erläuterung mit Beispiel zum Faktorverfahren.
Lohnsteuerklasse | Anwendung |
---|---|
I | Hierhin gehören Arbeitnehmer, die
|
II | Hierhin gehören Arbeitnehmer, die unter Steuerklasse I genannt sind, wenn bei ihnen der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) zu berücksichtigen ist. |
III | Hierhin gehören Arbeitnehmer,
Abschaffung geplant (soll ab dem 1. Januar 2030 nicht mehr angewendet werden) |
IV oder IV mit Faktor (ab 2010) |
Hierhin gehören Arbeitnehmer, die verheiratet sind, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte des Arbeitnehmers ebenfalls Arbeitslohn bezieht. Die Partner können also wählen, ob sie beide die Steuerklasse IV wollen, oder die Kombination III/V. |
V | Hierhin gehören Arbeitnehmer, für die die Steuerklasse IV zutrifft, wenn der Ehegatte des Arbeitnehmers in die Steuerklasse III eingereiht wird. Abschaffung geplant (soll ab dem 1. Januar 2030 nicht mehr angewendet werden) |
VI | Die Steuerklasse VI gilt nur für ein zweites und jedes weitere Dienstverhältnis, wenn zur Abrechnung die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale
(früher die Lohnsteuerkarte) benötigt werden. Für das erste Dienstverhältnis gilt damit die persönliche Lohnsteuerklasse (I, II, III, IV oder V). Die
Steuerklasse VI gilt bei Arbeitnehmern, die nebeneinander von mehreren Arbeitgebern Arbeitslohn beziehen, für die Einbehaltung des Arbeitslohns vom
Arbeitslohn aus dem zweiten oder weiteren Arbeitsverhältnis. Nicht jedes weitere Arbeitsverhältnis ist aber nach der Steuerklasse VI abzurechnen. Bei einer Pauschalierung der Lohnsteuer für geringfügig Beschäftigte (geringfügig entlohnte Beschäftigung bzw. kurzfristige Beschäftigung) müssen keine elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale abgerufen werden. |
Überführung der Steuerklassen III und V in die Steuerklasse IV mit Faktor zum 1. Januar 2030
Die Steuerklassen III und V sollen ab dem 1. Januar 2030 für den Lohnsteuerabzug nicht mehr angewendet werden.
Der neue § 39g EStG enthält die einzelnen Regelungen des automatisierten Verfahrens zur Überführung der bestehenden Fälle, mit Steuerklasse III und V in das Faktorverfahren (Steuerklasse IV mit Faktor).
Auszug aus der Begründung zum Entwurf eines zweiten Jahressteuergesetzes 2024 (neuer Name: Steuerfortentwicklungsgesetz):
Absatz 1 legt fest, dass die Überführung der Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren (Steuerklassen IV mit Faktor) zu dem gesetzlichen Stichtag 1. Januar 2030 erfolgt.
Dazu wird das Bundeszentralamt für Steuern in allen Fällen, in denen zum 30. September 2029 bei Ehegatten/ Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern die Steuerklassenkombination III/V für den Lohnsteuerabzug angewendet wird, automatisiert zum 1. Oktober 2029 einen Faktor bilden, der sich anhand der Daten ergibt, die spätestens zum 28. Februar 2029 vom jeweiligen Arbeitgeber mit den elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen (§ 41b EStG) für das erste Dienstverhältnis an die Finanzverwaltung übermittelt worden sind. Liegt für einen Ehegatten, eine Lebenspartnerin oder einen Lebenspartner kein Datensatz vor, wird unterstellt, dass diese Person im vorangegangenen Kalenderjahr keinen Arbeitslohn bezogen hat. Der ab dem Umstellungsstichtag 1. Januar 2030 geltende Faktor wird den Ehegatten/ Lebenspartnerinnen und -partnern durch das Bundeszentralamt für Steuern oder den Finanzbehörden der Länder einmalig elektronisch mitgeteilt. Dieser Faktor in Verbindung mit der Steuerklasse IV wird dann zum 1. Januar 2030 anstelle der Steuerklasse III oder V zum Abruf für den jeweiligen Arbeitgeber als elektronisches Lohnsteuerabzugsmerkmal bereitgestellt. Haben die Ehegatten/ Lebenspartnerinnen und -partner einen Antrag auf Änderung des Faktors bis zum 31. Dezember 2029 gestellt, wird der geänderte Faktor entsprechend für den Lohnsteuerabzug bereitgestellt. Die Steuerklassen III und V werden ab dem 1. Januar 2030 für den Lohnsteuerabzug nicht mehr angewendet.
Im Einkommensteuergesetz § 52 Anwendungsvorschriften wird Absatz 35e eingefügt. Der neue Absatz 35e bestimmt, dass die Bestimmungen zur Neuregelung des Faktorverfahrens in Artikel 4 dieses Gesetzes grundsätzlich erstmals ab dem 1. Januar 2030 anzuwenden sind. Damit gilt der 1. Januar 2030 als Stichtag für die Überführung der Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren. Lediglich § 39g EStG, der regelt, dass das BZSt zum 1. Oktober 2029 erstmalig automatisiert einen Faktor bildet, ist ab dem 1. Januar 2029 anzuwenden.
Änderung der Lohnsteuerabzugsmerkmale
Mitteilungspflicht des Arbeitnehmers
Der § 39 Abs. 5 EStG legt eindeutig fest:
Treten bei einem Arbeitnehmer die Voraussetzungen für eine für ihn ungünstigere Steuerklasse oder geringere Zahl der Kinderfreibeträge ein, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Finanzamt dies mitzuteilen und die Steuerklasse und die Zahl der Kinderfreibeträge umgehend ändern zu lassen. Dies gilt insbesondere, wenn die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende, für die die Steuerklasse II zur Anwendung kommt, entfallen. Eine Mitteilung ist nicht erforderlich, wenn die Abweichung einen Sachverhalt betrifft, der zu einer Änderung der Daten führt, die nach § 39e Absatz 2 Satz 2 von den Meldebehörden zu übermitteln sind. Kommt der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung nicht nach, ändert das Finanzamt die Steuerklasse und die Zahl der Kinderfreibeträge von Amts wegen. Unterbleibt die Änderung der Lohnsteuerabzugsmerkmale, hat das Finanzamt zu wenig erhobene Lohnsteuer vom Arbeitnehmer nachzufordern, wenn diese 10 Euro übersteigt.
Treten beim Arbeitnehmer günstigere Umstände ein, regelt der § 39 Abs. 6 EStG das Recht zur Änderung der Lohnsteuerabzugsmerkmale (das Wort "einmalig" wurde ab 2020 gestrichen):
Ändern sich die Voraussetzungen für die Steuerklasse oder für die Zahl der Kinderfreibeträge zu Gunsten des Arbeitnehmers, kann dieser beim Finanzamt die Änderung der Lohnsteuerabzugsmerkmale beantragen. Die Änderung ist mit Wirkung von dem ersten Tag des Monats an vorzunehmen, in dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen. Ehegatten können im Laufe des Kalenderjahres beim Finanzamt die Änderung der Steuerklassen beantragen. Dies gilt unabhängig von der automatisierten Bildung der Steuerklassen nach § 39e Absatz 3 Satz 3 sowie einer von den Ehegatten gewünschten Änderung dieser automatisierten Bildung. Das Finanzamt hat eine Änderung nach Satz 3 mit Wirkung vom Beginn des Kalendermonats vorzunehmen, der auf die Antragstellung folgt. Für eine Berücksichtigung der Änderung im laufenden Kalenderjahr ist der Antrag nach Satz 1 oder 3 spätestens bis zum 30. November zu stellen.
Mit einem Beschluss vom 09.03.2017 (VI S 21/16) hatte der Bundesfinanzhof noch die Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung auf einen Antrag zum Wechsel der Steuerklassenkombination im Laufe eines Kalenderjahrs bestätigt.
Das ändert sich ab 2020. Mit dem Bürokratieentlastungsgesetz III wird in § 39 Abs. 6 Satz 3 EStG das Wort "einmalig" gestrichen. Damit ist der Wechsel der Steuerklassenkombination bei Ehegatten
ab 2020 nicht mehr auf einen Wechsel pro Kalenderjahr beschränkt.
Ein Wechsel von der Steuerklasse III oder V in die Steuerklasse IV auf Antrag nur eines Ehegatten / Lebenspartners ist erstmalig mit der Gültigkeit 1. Januar 2018 möglich.
Der einseitige Antrag auf Steuerklassenwechsel ist insbesondere im Falle der dauerhaften Trennung der Ehegatten von großer praktischer Bedeutung. Mit der Änderung des § 38b Absatz 3 EStG wird sichergestellt,
dass die Steuerklassenkombination III/V nur angewendet wird, wenn und solange beide Ehegatten dies wollen.
Arbeitnehmer werden künftig nach Heirat oder Begründung einer Lebenspartnerschaft stets in die Steuerklassenkombination IV/IV eingereiht. Damit entfällt die bisherige Unterscheidung, ob nur ein Ehegatte als Arbeitnehmer tätig
ist oder beide.
Für verheiratete Arbeitnehmer stellt sich immer die Frage nach der richtigen Steuerklassenkombination. Also IV/IV oder III/V. Ab 2010 ist zu diesen zwei Möglichkeiten das Faktorverfahren
(Steuerklassen IV/IV mit Faktor) gekommen. Das Bundesministerium der Finanzen stellt ein Merkblatt zur Steuerklassenwahl bereit. Das Merkblatt stellt die verschiedenen Steuerklassen und das
Faktorverfahren vor. Die Auswirkungen der Steuerklassenwahl oder des Faktorverfahrens werden erklärt und Hinweise zur Antragstellung gegeben.
Das Merkblatt für das Jahr 2023 wurde mit einem BMF-Schreiben vom 09.12.2022 veröffentlicht.
Am 14.02.2023 wurde eine
aktualisierte Fassung des Merkblatt zur Steuerklassenwahl für das Jahr 2023
vor dem Hintergrund der Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2022 veröffentlicht. Die Zahlenwerte in diesem Merkblatt wurden auf Basis des geänderten Programmablaufplans für die maschinelle Lohnsteuerberechnung 2023
vom 13.02.2023 ermittelt.
Ehegatten oder Lebenspartner, die beide unbeschränkt steuerpflichtig sind, nicht dauernd getrennt leben und beide Arbeitslohn (aktives Beschäftigungsverhältnis, keine Versorgungsbezüge) beziehen, können also unter 3 Möglichkeiten wählen:
- III/V (Abschaffung geplant)
- IV/IV
- IV/IV mit Faktor
Die Wahl der Steuerklasse hat aber keinen Einfluss auf die jährliche Steuerschuld. Die Auswirkungen beschränken sich auf den monatlichen Nettobetrag. Mit der späteren Veranlagung können daher Steuernachzahlungen
oder Rückerstattungen anfallen. Damit bringt der Wechsel der Steuerklasse nur einen temporären Vorteil, der spätestens mit der Steuererklärung und dem Steuerbescheid wieder korrigiert wird.
Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 287 des Statistischen Bundesamts vom 26. Juli 2024:
Durch die Kombination der Steuerklassen III und V können zusammenlebende Paare ihre unterjährig abzuführende Lohnsteuer gegenüber einer Eingruppierung in die Steuerklasse IV reduzieren. Auf die tatsächlich festgesetzte Höhe der Lohn- und Einkommensteuer, die sich aus der jährlichen Einkommensteuererklärung ergibt, wirkt sich die Wahl der Steuerklassen dagegen nicht aus. Bei Steuerpflichtigen mit der Steuerklassenkombination III und V kommt es deshalb deutlich häufiger zu Nachzahlungen, im Jahr 2020 waren davon knapp 46 % der Fälle betroffen. Zusammenveranlagte Steuerpflichtige in Steuerklasse IV mussten nur in knapp 5 % der Fälle Nachzahlungen leisten und können bei der Abgabe ihrer jährlichen Steuererklärung meist mit Rückerstattungen rechnen. Diese fielen mit insgesamt knapp 3,3 Milliarden Euro im Jahr 2020 mehr als doppelt so hoch aus wie bei den Paaren in der Steuerklassenkombination III und V, die in Summe knapp 1,5 Milliarden Euro an Einkommensteuer rückerstattet bekamen.
Die Steuerklasse hat jedoch großen Einfluss bei Lohnersatzleistungen, deren Höhe an das Nettogehalt geknüpft ist. Zu diesen Leistungen zählen Arbeitslosengeld, Krankengeld, Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, Elterngeld, Kurzarbeitergeld und Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz.
Faktorverfahren
Ab dem Kalenderjahr 2010 können Ehegatten auch die Steuerklassenkombination IV/IV mit Faktor wählen. Durch das Faktorverfahren soll erreicht werden, dass bei jedem Ehegatten die steuerentlastenden Vorschriften (insbesondere der Grundfreibetrag) beim eigenen Lohnsteuerabzug berücksichtigt werden. Die Anwendung des Faktorverfahrens kann von den Ehepartnern nur gemeinsam beantragt werden.
Die gesetzliche Regelung findet sich im § 39f EStG.
Anträge zum Steuerklassenwechsel oder zur Anwendung des Faktorverfahrens sind an das Finanzamt zu richten, in dessen Bezirk die Ehegatten oder Lebenspartner im Zeitpunkt der Antragstellung ihren
Wohnsitz haben. Auch hier gilt, wie für jeden Steuerklassenwechsel, als spätester Termin der 30.11. des laufenden Kalenderjahres. Dabei sind die voraussichtlichen Arbeitslöhne des jeweiligen Jahres
aus den ersten Dienstverhältnissen anzugeben.
Da ab 2010 verbesserte Abzugsmöglichkeiten von Vorsorgeaufwendungen gelten, sind auch die persönlichen Angaben zur Sozialversicherung zu machen (gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung oder Private,
bei Privater Kranken- und Pflegeversicherung sind die monatlichen Beiträge anzugeben, für die Pflegeversicherung ist anzugeben ob der Arbeitsort in Sachsen liegt und ob die Elterneigenschaft vorliegt).
Arbeitslöhne die nach der Steuerklasse VI (zweites bzw. weiteres Arbeitsverhältnis) zu besteuern sind, bleiben außer Ansatz (§39f Abs. 1 Satz 8 EStG).
Das Finanzamt berechnet danach den Faktor mit drei Nachkommastellen ohne Rundung und trägt ihn zur Steuerklasse IV ein, wenn dieser kleiner als 1 ist. Der Faktor berechnet sich wie folgt:
Der damit errechnete Faktor hat ab 2019 eine Gültigkeit von bis zu zwei Kalenderjahren (vorher ein Kalenderjahr).
§ 39f Abs. 1 Satz 9 EStG:
Der nach Satz 1 gebildete Faktor gilt bis zum Ablauf des Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem der Faktor erstmals gilt oder zuletzt geändert worden ist.
Um das Faktorverfahren zu vereinfachen und der 2-jährigen Gültigkeit von Freibeträgen anzupassen, wurde das Faktorverfahren mit dem "Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft
von Bürokratie" verändert. Der Bundesrat hatte in seiner 935. Sitzung am 10. Juli 2015 beschlossen, dem Bürokratieentlastungsgesetz zuzustimmen.
Die Änderungen im Faktorverfahren sowie der Gleichlauf mit dem Freibetragsverfahren verlangten nach einer technischen Umsetzung. Wann die hierfür erforderlichen Programmierarbeiten abgeschlossen sein werden,
stand 2015 noch nicht fest. Die Regelung sollte erstmals für den Veranlagungszeitraum anzuwenden sein, der auf den Veranlagungszeitraum folgte, in dem die technische Umsetzung abgeschlossen war.
Den Anwendungszeitpunkt legt der § 52 Absatz 37a EStG fest:
§ 39f Absatz 1 Satz 9 bis 11 und Absatz 3 Satz 1 ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2019 anzuwenden.
Beim Faktorverfahren wird auf den Arbeitslohn des einzelnen Ehegatten die Steuerklasse IV angewandt. Zusätzlich wird die Lohnsteuer der Steuerklasse IV durch Multiplikation mit dem Faktor gemindert.
Der Steuerklassenkombination liegt also die Steuerklasse IV zugrunde. Damit profitiert jeder Ehegatte von den die Steuer entlastenden Wirkungen des Grundfreibetrags, der Vorsorgepauschale und der Kinderfreibeträge. Der Faktor mindert dann nur noch die nach der Steuerklasse IV ermittelten Steuern.
Ein etwaiger Freibetrag wird bei den elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen nicht zusätzlich eingetragen, weil er bereits bei der Berechnung der voraussichtlichen Einkommensteuer im Splittingverfahren berücksichtigt ist. Er fließt also über den Faktor ins Lohnsteuerabzugsverfahren ein.
§ 39f Abs. 1 Satz 10 EStG:
Die Ehegatten können eine Änderung des Faktors beantragen, wenn sich die für die Ermittlung des Faktors maßgeblichen Jahresarbeitslöhne im Sinne des Satzes 6 ändern.
Das Bundesministerium der Finanzen bietet einen Abgabenrechner mit Faktorberechnung bei gemeinsamer Veranlagung an.
Beispiel zum Faktorverfahren für 2020:
- Ehepaar mit Elterneigenschaft (kein Beitragszuschlag zur Pflegeversicherung) aus Hessen. Beide voll SV-pflichtig. Der krankenkassenindividuelle Zusatzbeitragssatz soll bei beiden 1,1% betragen.
- Lohnsteuer für den Ehemann nach der Steuerklasse IV beträgt 4.889 Euro (Jahresbruttoarbeitslohn: 36.000 Euro)
- Lohnsteuer für die Ehefrau nach der Steuerklasse IV beträgt 1.315 Euro (Jahresbruttoarbeitslohn: 20.400 Euro)
- Damit beträgt die Summe der Lohnsteuer für beide Ehegatten nach der Steuerklasse IV 6.204 Euro. Dieser Betrag entspricht X.
- Die voraussichtliche Einkommensteuer im Splittingverfahren beträgt 6.024 Euro. Dieser Betrag entspricht Y.
- Der Faktor beträgt 0,970 (6.024 / 6.204).
Hinweis: Berechnung erfolgt mit drei Nachkommastellen ohne Rundung. - Der Faktor wird nur eingetragen, wenn er kleiner als 1 ist. Für die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale beider Ehepartner würde IV / 0,970 eingetragen.
- Jährliche Lohnsteuer bei Steuerklasse IV/IV mit Faktor 0,970:
- Lohnsteuer für den Ehemann und 36.000 Euro: 4.742 Euro (4.889 Euro x 0,970)
- Lohnsteuer für die Ehefrau und 20.400 Euro: 1.275 Euro (1.315 Euro x 0,970)
- Summe der Lohnsteuer bei Steuerklassenkombination IV/IV mit Faktor 0,971: 6.017 Euro
Die Summe der Lohnsteuerbeträge beider Ehegatten bei der Wahl der Steuerklassenkombination III/V kann niedriger als die voraussichtliche Einkommensteuer sein.
Mit der späteren Veranlagung für dieses Jahr kann damit eine Nachzahlung fällig werden. Ab einem Nachzahlungsbetrag von 400 Euro werden zudem Vorauszahlungen festgesetzt. Das individuellere Faktorverfahren führt zu einer genaueren Gesamtlohnsteuer als bei einer Steuerklassenkombination III/V bzw. IV/IV ohne Faktor.
Anwendung des Faktors bei der Lohnabrechnung
- Die Lohnsteuerberechnung erfolgt nach der Steuerklasse IV
- In einem Lohnprogramm muss der Faktor zur Lohnsteuerklasse IV mit eingegeben werden (Personalstamm).
- Die Lohnsteuer nach der Steuerklasse IV wird mit dem Faktor multipliziert und damit verringert. In einem Lohnprogramm erfolgt die Berechnung automatisch.
Nach § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG erfolgt bei Eintragung eines Faktors zur Steuerklasse IV eine Pflichtveranlagung zur Einkommensteuer. Diese ist notwendig, da der Faktor etwaige Veränderungen der Einkommen während des Jahres nicht berücksichtigt kann. Der Faktor basiert ja auf den voraussichtlichen Arbeitslöhnen des Jahres.
Eine Anzeigepflicht der Ehepartner gegenüber dem Finanzamt besteht nicht, wenn sich die Einkommen während des Jahres ändern.
Der Lohnsteuerjahresausgleich durch den Arbeitgeber ist nach § 42b Abs. 1 Nr. 3b EStG bei Anwendung des Faktorverfahren ausgeschlossen.
In einer Publikation des Bundesrechnungshofs vom 13.04.2021 mit dem Titel "Steuerklassenwahl: Faktorverfahren für Verheiratete verfehlt Ziele" steht folgendes:
Das sogenannte Faktorverfahren bei der Steuerklassenkombination IV/IV für Verheiratete ist weder wirksam noch wirtschaftlich. Es verfehlt die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele zur Förderung der Gleichstellung.
Seit dem Jahr 2010 können Ehegatten und Lebenspartner das Faktorverfahren neben den bisherigen Steuerklassenkombinationen IV/IV oder III/V wählen. Es soll u. a. die Lohnsteuer im Vergleich zur Steuerklasse V mindern, die verhältnismäßig hoch ist. Dies betrifft in der Praxis überwiegend Ehefrauen. Das Faktorverfahren soll die geringer Verdienenden ermuntern, eine sozialversicherungspflichtige (Vollzeit-)Erwerbstätigkeit aufzunehmen.
Das Faktorverfahren wird trotz reichlicher Werbung nur von 0,6 % der Antragsberechtigten genutzt. Außerdem waren diese geringer Verdienenden in 94 % der vom Bundesrechnungshof geprüften Fälle bereits sozialversicherungspflichtig tätig, als sie erstmals das Verfahren wählten.
Das Faktorverfahren ist für die meisten Steuerpflichtigen lohnsteuerlich nicht vorteilhaft und führt zudem zu einem aufwendigen Verfahren. Der Bundesrechnungshof sieht keine Ansatzpunkte, es erfolgreich zu verändern. Er empfiehlt, es abzuschaffen und zu prüfen, wie die damit verfolgten Ziele auf einem anderen Weg zu erreichen sind.
Der Bundesrechnungshof bekräftigt seine Empfehlung, das Faktorverfahren abzuschaffen und die ursprünglich damit verfolgten Ziele auf einem anderen Weg zu erreichen.
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