Arbeit auf Abruf - Bandbreitenklausel, Sockelarbeitszeit

Bei der Arbeit auf Abruf werden Arbeitnehmer vom Arbeitgeber bei Bedarf zur Arbeitsleistung abgerufen.

Die rechtliche Grundlage bildet das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG). Die Arbeit auf Abruf regelt § 12 TzBfG.

Das Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts brachte auch Änderungen bei der Arbeit auf Abruf. Das Gesetz stand auf der Tagesordnung der 972. Sitzung des Bundesrates am 23.11.2018.
Das Gesetz wurde am 14.12.2018 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und tritt am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft. Es gilt damit ab 01.01.2019.

Wenn keine bestimmte Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbart ist, gelten künftig 20 Stunden in der Woche als vereinbart (bisher 10).
Der Anteil der bei Arbeit auf Abruf einseitig vom Arbeitgeber abrufbaren Zusatzarbeit wird auf nicht mehr als 25 Prozent der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit begrenzt.
Bei einer Vereinbarung über die Verringerung der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit beträgt das Volumen 20 Prozent der vereinbarten Höchstarbeitszeit. Als Berechnungsgrundlage für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und die Entgeltzahlung an Feiertagen wird grundsätzlich die Durchschnittsarbeitszeit der letzten drei Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit bzw. dem Feiertag festgelegt.

Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union im Bereich des Zivilrechts und zur Übertragung von Aufgaben an die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau enthält in Artikel 7 Änderungen am Teilzeit- und Befristungsgesetz.
Das Gesetz wurde am 26.07.2022 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und tritt am 1. August 2022 in Kraft.

Arbeitgeber müssen künftig den Zeitrahmen (bestimmt durch Referenzstunden und Referenztage) festlegen, in dem der Mitarbeiter nach der Aufforderung des Arbeitgebers die Arbeit aufnehmen muss.

§ 12 TzBfG Rechtsstand bis 31.12.2018 § 12 TzBfG Rechtsstand ab 01.01.2019 § 12 TzBfG Rechtsstand ab 01.08.2022
(1) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart. Wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, hat der Arbeitgeber die Arbeits­leistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen.
(2) Der Arbeitnehmer ist nur zur Arbeits­leistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt.
(3) Durch Tarifvertrag kann von den Absätzen 1 und 2 auch zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag Regelungen über die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit und die Vorankündigungs­frist vorsieht. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen über die Arbeit auf Abruf vereinbaren.
(1) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart. Wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen.
(2) Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach Absatz 1 Satz 2 eine Mindest­arbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 25 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen. Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach Absatz 1 Satz 2 eine Höchst­arbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 20 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen.
(3) Der Arbeitnehmer ist nur zur Arbeits­leistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt.
(4) Zur Berechnung der Entgelt­fortzahlung im Krankheitsfall ist die maßgebende regelmäßige Arbeitszeit im Sinne von § 4 Absatz 1 des Entgelt­fortzahlungs­gesetzes die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten drei Monate vor Beginn der Arbeits­unfähigkeit (Referenz­zeitraum). Hat das Arbeits­verhältnis bei Beginn der Arbeits­unfähigkeit keine drei Monate bestanden, ist der Berechnung des Entgelt­fortzahlungs­anspruchs die durchschnittliche Arbeitszeit dieses kürzeren Zeitraums zugrunde zu legen. Zeiten von Kurzarbeit, unverschuldeter Arbeits­versäumnis, Arbeits­ausfällen und Urlaub im Referenz­zeitraum bleiben außer Betracht. Für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen zur Berechnung der Entgelt­fortzahlung im Krankheits­fall finden Anwendung.
(5) Für die Berechnung der Entgelt­zahlung an Feiertagen nach § 2 Absatz 1 des Entgelt­fortzahlungs­gesetzes gilt Absatz 4 entsprechend.
(6) Durch Tarifvertrag kann von den Absätzen 1 und 3 auch zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag Regelungen über die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit und die Vorankündigungs­frist vorsieht. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen über die Arbeit auf Abruf vereinbaren.
(1) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart. Wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, hat der Arbeitgeber die Arbeits­leistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen.
(2) Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach Absatz 1 Satz 2 eine Mindest­arbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 25 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen. Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach Absatz 1 Satz 2 eine Höchst­arbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 20 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen.
(3) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Zeitrahmen, bestimmt durch Referenz­stunden und Referenztage, festzulegen, in dem auf seine Aufforderung hin Arbeit stattfinden kann. Der Arbeitnehmer ist nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt und die Arbeitsleistung im Zeitrahmen nach Satz 1 zu erfolgen hat.
(4) Zur Berechnung der Entgelt­fortzahlung im Krankheitsfall ist die maßgebende regelmäßige Arbeitszeit im Sinne von § 4 Absatz 1 des Entgelt­fortzahlungs­gesetzes die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten drei Monate vor Beginn der Arbeits­unfähigkeit (Referenz­zeitraum). Hat das Arbeits­verhältnis bei Beginn der Arbeits­unfähigkeit keine drei Monate bestanden, ist der Berechnung des Entgelt­fortzahlungs­anspruchs die durchschnittliche Arbeitszeit dieses kürzeren Zeitraums zugrunde zu legen. Zeiten von Kurzarbeit, unverschuldeter Arbeits­versäumnis, Arbeits­ausfällen und Urlaub im Referenz­zeitraum bleiben außer Betracht. Für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen zur Berechnung der Entgelt­fortzahlung im Krankheitsfall finden Anwendung.
(5) Für die Berechnung der Entgeltzahlung an Feiertagen nach § 2 Absatz 1 des Entgelt­fortzahlungs­gesetzes gilt Absatz 4 entsprechend.
(6) Durch Tarifvertrag kann von Absatz 1 und von der Vorankündigungs­frist nach Absatz 3 Satz 2 auch zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag Regelungen über die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit und die Vorankündigungs­frist vorsieht. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen über die Arbeit auf Abruf vereinbaren.

Es ist entweder eine Mindestarbeitszeit oder eine Höchstarbeitszeit festzulegn. Die Kombination von Mindest- und Höchstarbeitszeit ist nicht zulässig.

Sockelarbeitszeit
Die nach § 12 Abs. 1 TzBfG vereinbarte Arbeitszeit beinhaltet auch immer eine Mindestarbeitszeit. Diese wird auch Sockelarbeitszeit genannt.
Von der vereinbarten Arbeitszeit darf der Arbeitgeber je nach getroffener Vereinbarung um 25% nach oben oder um 20% nach unten abweichen.

Beispiel 1:
Festlegung einer Mindestarbeitszeit (Sockelarbeitszeit) von 20 Wochenstunden
Zusätzlich wird ein vom Arbeitgeber einseitig abrufbares Arbeitszeitvolumen von bis zu 5 Stunden pro Woche vereinbart (25% der Mindestarbeitszeit).

Beispiel 2:
Festlegung einer Arbeitszeit von 20 Wochenstunden
Die Arbeitszeit kann nach einseitiger Entscheidung des Arbeitgebers auf bis zu 16 Stunden pro Woche abgesenkt werden (bis zu 4 Stunden = 20%). Die Sockelarbeitszeit beträgt 16 Wochenstunden.

Wenn die Arbeitszeit bei Abrufarbeitsverhältnissen nicht festgelegt wird, greift die Vermutungsregel, dass 20 Stunden pro Woche vereinbart sind. Damit ist dann eine geringfügig entlohnte Beschäftigung nicht mehr möglich. Wenn man in diesem Fall den gesetzlichen Mindestlohn ansetzt, überschreitet der Arbeitnehmer die Geringfügigkeitsgrenze deutlich. Das Arbeitsverhältnis wird damit sozialversicherungspflichtig im Übergangsbereich (früher Gleitzone).
Das Besprechungsergebnis der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger vom 21.03.2019 bestätigt in Punkt 4 diese Auffassung.
4. Entstehung des Beitragsanspruchs in der Sozialversicherung;
hier: Erhöhung der fiktiven wöchentlichen Arbeitszeit bei Abrufarbeitsverhältnissen

Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) können Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt kraft Gesetzes eine fiktive wöchentliche Arbeitszeit als vereinbart (§ 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG). Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts - Einführung einer Brückenteilzeit vom 11.12.2018 (BGBl. I S. 2384) ist die bisher kraft Gesetzes als vereinbart geltende wöchentliche Arbeitszeit von 10 Stunden zum 01.01.2019 auf 20 Stunden erhöht worden.

Der auf Basis dieser fiktiven Wochenarbeitszeit bestehende Entgeltanspruch des Arbeitnehmers ist nach dem für die Entstehung von Beitragsansprüchen in der Sozialversicherung geltenden Anspruchs- bzw. Entstehungsprinzip (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) für die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob in diesem Umfang tatsächlich Arbeit geleistet oder vergütet wurde. Angesichts der Erhöhung der Wochenstundengrenze werden - selbst unter Zugrundelegung lediglich des Mindestlohns - die Grenzen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV in der Regel überschritten. Somit können Arbeitnehmer mit entsprechenden Abrufarbeitsverhältnissen ohne Festlegung der Arbeitszeit nicht (mehr) geringfügig entlohnt beschäftigt sein.

Bundesarbeitsgericht Urteil vom 18.10.2023, 5 AZR 22/23
Arbeit auf Abruf - Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit
Leitsatz:

Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer Arbeit auf Abruf, legen aber die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht fest, gilt grundsätzlich nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG eine Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart. Eine Abweichung davon kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nur dann angenommen werden, wenn die gesetzliche Regelung nicht sachgerecht ist und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, die Parteien hätten bei Vertragsschluss übereinstimmend eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit gewollt.

In der Sozialversicherung gilt das Entstehungsprinzip. Die Beiträge werden dann fällig, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers auf das Arbeitsentgelt entstanden ist. Im Zusammenhang mit dem Entstehungsprinzip hört man auch von der sogenannten Phantomlohnfalle.

In vielen Fällen bietet sich ein Arbeitszeitkonto an. Ein Arbeitszeitkonto beruht auf dem Prinzip, die Arbeitsleistung und die dafür zu zahlende Vergütung zeitlich zu entkoppeln. Das bedeutet, es wird eine regelmäßige Arbeitszeit vereinbart und vergütet. Mehr- und Minderstunden werden in einem Arbeitszeitkonto erfasst und in einem bestimmten Ausgleichszeitraum ausgeglichen.
Der § 2 Abs. 2 des Mindestlohngesetzes bestimmt Besonderheiten für Arbeitszeitkonten. Wenn die Stundenlöhne nicht erheblich über dem Mindestlohn liegen, müssen die Zeitkontenstände der Arbeitnehmer regelmäßig überprüft werden, damit der Mindestlohn trotz Mehrarbeit gewährt wird.

KAPOVAZ - Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit
KAPOVAZ ist eine besonders drastische Form der Abrufarbeit und kommt aus den USA. KAPOVAZ steht für "Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit". Diese Form der Abrufarbeit findet sich in größerem Umfang vor allem im Einzelhandel und in der Hotel- und Gastronomiebranche. Damit kann je nach Kundenaufkommen flexibel mit dem Personal reagiert werden. Es gibt Arbeitskräfte, die jederzeit zu den Öffnungszeiten des Unternehmens auf Abruf stehen müssen. Die Beschäftigten werden also nur bei Bedarf eingesetzt und sitzen ansonsten "auf Abruf" zuhause. Die Zeit zwischen den Arbeitseinsätzen gilt als Freizeit und ist unbezahlt.

Null-Stunden-Verträge
Eine besonders abartige Form der Arbeit auf Abruf sind sog. Null-Stunden-Verträge. Besonders in Großbritannien ist diese Form der Sklaverei verbreitet. Der Arbeitgeber legt darin den Stundenlohn für den Arbeitnehmer fest, aber nicht wann und wie lange dessen Arbeitskraft gebraucht wird. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich darin, auf Abruf bereitzustehen. Er bekommt aber keine Garantie, dass er überhaupt arbeiten kann. Null-Stunden-Verträge sind in Deutschland unzulässig.

Flexibilisierung in der Arbeitswelt
Bei der "Arbeit auf Abruf" sind die Flexibilisierungsgrade für Unternehmen und Beschäftigte äußerst ungleich verteilt. Das Unternehmen hat höchste Flexibilität und das wirtschaftliche Risiko wird auf den Arbeitnehmer verlagert.

Häufig suchen Unternehmen im Einzelhandel und in der Hotel- und Gastronomiebranche Beschäftigte mit folgendem Stellenangebot:
"Wir suchen eine flexible und zuverlässige Aushilfskraft auf 450-Euro-Basis/Teilzeit."
Von der garantierten geringen Mindeststundenanzahl kann niemand leben. Gleichzeitig ist es aber fast unmöglich einen zweiten Job anzunehmen. Der Arbeitnehmer weiß ja nicht, wann und wie viele Stunden er im Monat arbeiten muss. Die Ungewissheit bezüglich des nächsten Einsatzes schränkt die Planbarkeit des Lebensalltags stark ein.

Arbeitnehmerrechte wie Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder an Feiertagen und bezahlter Urlaub können schnell unterlaufen werden.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) setzt sich für die Abschaffung der "Arbeit auf Abruf" ein. Auszug aus der Ausgabe "arbeitsmarkt aktuell" 06/2016 des DGB:

  • Arbeit auf Abruf ist keine Randerscheinung am Arbeitsmarkt. Rund 13 Prozent der Betriebe mit mehr als 10 Beschäftigten nutzen diese Arbeitszeitform (IAB) und mindestens rund 5 Prozent der Beschäftigten sind davon betroffen (SOEP). Eventuelle Dunkelziffern berücksichtigt, dürfte die Zahl sogar noch höher liegen.
  • Arbeit auf Abruf ist für die Beschäftigten mit Risiken verbunden. In der betrieblichen Praxis bleibt Arbeit auf Abruf oftmals durch die Nichtgewährung von Arbeitnehmerrechten hinter den sozialen und rechtlichen Standards zurück. Hinzu kommen eingeschränkte Möglichkeiten bei der Planbarkeit des Alltags sowie schwankende Einkommen, oftmals gepaart mit niedrigen Löhnen.
  • Um Arbeit auf Abruf seine gesetzliche Grundlage zu entziehen, wäre eine Streichung des § 12 TzBfG notwendig. Zudem braucht es eine Regelung, dass sogenannte Null-StundenVerträge unzulässig sind. Solange die Regelung der Arbeit auf Abruf in § 12 TzBfG bestehen bleibt, wäre zumindest eine gesetzliche Klarstellung sinnvoll, dass die tatsächlich geleistete Durchschnittsstundenanzahl als fest vereinbart gilt. Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen bspw. aufgrund von stark variierendem Arbeitsvolumen diese Durchschnittsstundenanzahl nicht ermittelt werden kann. Für diese Fälle sollte zum Schutz der Arbeitnehmer/innen branchenübliche Vollzeit gelten.

Hinsichtlich der genaueren Regelung von Abrufsystemen steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu.

Zur Abrufarbeit existiert eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 07.12.2005 (5 AZR 535/04).
Leitsätze:

  1. § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG erfordert die Festlegung einer Mindestdauer der wöchentlichen und der täglichen Arbeitszeit. Die Arbeitsvertragsparteien können wirksam vereinbaren, dass der Arbeitnehmer über die vertragliche Mindestarbeitszeit hinaus Arbeit auf Abruf leisten muss.
  2. Die bei einer Vereinbarung von Arbeit auf Abruf einseitig vom Arbeitgeber abrufbare Arbeit des Arbeitnehmers darf nicht mehr als 25% der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit betragen.

Damit darf die einseitig vom Arbeitgeber abrufbare Arbeit des Arbeitnehmers auf keinen Fall mehr als 25% der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit betragen. Dieser Prozentsatz wurde mit Wirkung ab 01.01.2019 gesetzlich festgelegt (§ 12 TzBfG).


Der IAQ-Report 2019-03 beschäftigte sich mit formellen und informellen Formen von Abrufarbeit in Deutschland.
Auszug aus dem Inhalt:

  • Im Vergleich zu anderen Ländern ist Abrufarbeit in Deutschland relativ stark reguliert; nicht zuletzt durch die Anfang 2019 in Kraft getretene Reform des Arbeitszeitgesetzes.
  • In der Praxis bleiben dennoch Schutzlücken bestehen. Neben formellen lassen sich eine Reihe von informellen Varianten von Abrufarbeit identifizieren, an denen die Re-Regulierung vorbeigeht.
  • 2017 waren rund 5,4 Mio. Beschäftigte in formaler Abrufarbeit tätig, davon rund 1,7 Mio. auf der Basis von § 12 TzBfG. Hinzu kamen 2,1 Mio. Beschäftigte ohne festgelegte vertragliche Arbeitszeit. Wie viele von ihnen sich informellen Varianten von Abrufarbeit zuordnen lassen, ist schwer zu bestimmen.
  • Formale Abrufarbeit tritt überproportional häufig in Kombination mit Niedriglöhnen und niedrigem Stundenvolumen auf. Das gilt auch für die Gruppe der Beschäftigten ohne vertraglich festgelegte Arbeitszeit. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf.

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