Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung

Krankenversicherungspflicht bei einem Arbeitnehmer besteht, wenn das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt die so genannte Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht überschreitet. Die Jahresarbeitsentgeltgrenze wird jährlich neu festgesetzt.

Ab 01.01.2003 sind zwei unterschiedliche Jahresarbeitsentgeltgrenzen eingeführt worden. Es gibt eine allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze und eine besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze.

Hintergrund: Die Jahresarbeitsentgeltgrenze wurde zum 01.01.2003 überproportional angehoben. Es sollte der Übergang zur privaten Krankenversicherung erschwert werden. Den zu diesem Zeitpunkt schon privat krankenversicherten Personen gewährt man einen Bestandsschutz durch die besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze.

Wer aus folgenden Gründen krankenversicherungspflichtig wird, kann sich nach § 8 Abs. 1 SGB V auf Antrag von der Krankenversicherungspflicht befreien lassen:

  • Änderung der Jahresarbeitsentgeltgrenze zum Beginn eines Kalenderjahres.
    Privatversicherte Arbeitnehmer, die durch Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze wieder versicherungspflichtig werden, können einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung stellen.
  • Bezug von Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld. In den letzten fünf Jahren vor dem Leistungsbezug bestand keine gesetzliche Krankenversicherung. Die Person ist bei einem Krankenversicherungsunternehmen (private Krankenversicherung) versichert und erhält Vertragsleistungen, die der Art und dem Umfang nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen.
  • Aufnahme einer nicht vollen Erwerbstätigkeit während des Elterngeldbezugs oder während der Elternzeit. Die Befreiung erstreckt sich nur auf die Elternzeit.
  • Herabsetzung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit während der Pflegezeit oder der Familienpflegezeit. Die Befreiung erstreckt sich nur auf die Dauer der Pflegezeit oder der Familienpflegezeit (und der Nachpflegephase im Anschluss an die Familienpflegezeit bis zum Ausgleich des Wert- oder Arbeitszeitguthabens).
  • Reduzierung der Arbeitszeit auf die Hälfte oder weniger als die Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit vergleichbarer Vollbeschäftigter. Vorausgesetzt, der Beschäftigte war mindestens fünf Jahre wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei (Zeiten des Bezugs von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder der Inanspruchnahme von Elternzeit oder Pflegezeit werden angerechnet).
    Damit können auch Arbeitnehmer auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit werden, die im Anschluss an die Inanspruchnahme von Elternzeit oder Pflegezeit eine Teilzeitbeschäftigung aufnehmen.
  • Rentenantrag, Rentenbezug oder Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.
  • Einschreibung als Student oder Aufnahme einer berufspraktischen Tätigkeit.
  • Beschäftigung als Arzt im Praktikum.
  • Tätigkeit in einer Einrichtung für behinderte Menschen.

Das Recht auf Befreiung setzt nicht voraus, dass der Antragsteller erstmals versicherungspflichtig wird.

Diese Regelungen sollen für langjährig privat Krankenversicherte die Kontinuität in deren Krankenversicherung wahren.

Auswirkungen der Umwandlung von Entgeltbestandteilen in eine betriebliche Altersversorgung auf die Ermittlung des regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts.

Der Antrag zur Befreiung von der Krankenversicherungspflicht ist innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse zu stellen. Die Befreiung wirkt vom Beginn der Versicherungspflicht an, wenn seit diesem Zeitpunkt noch keine Leistungen in Anspruch genommen wurden, sonst vom Beginn des Kalendermonats an, der auf die Antragstellung folgt. Die Befreiung kann nicht widerrufen werden. Die Befreiung wird nur wirksam, wenn das Mitglied das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachweist.

Weitere Informationen gibt es auf dem Bundesportal, dem Verwaltungsportal des Bundes, herausgegeben vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung beantragen).

Zur Befreiung von der Versicherungspflicht wegen Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze gibt es ein Urteil vom Bundessozialgericht vom 25.05.2011 (B 12 KR 9/09 R).
Leitsätze:

Eine wegen Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze in einem Beschäftigungsverhältnis ausgesprochene Befreiung von der hierdurch eingetretenen Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung erstreckt sich nicht auf ein später begründetes anderes Beschäftigungsverhältnis, wenn zwischenzeitlich Versicherungspflicht wegen Eingreifens eines anderen Tatbestands (hier: Arbeitslosengeldbezug) eingetreten war.

Tatbestand:

  • Eine wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze krankenversicherungsfreie Arbeitnehmerin hat sich von einer wegen Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze eintretenden Krankenversicherungspflicht befreien lassen.
  • Nach dem Ende der Beschäftigung trat wegen Arbeitslosengeldbezug Krankenversicherungspflicht ein.
  • Nach dem Ende des Leistungsbezugs wurde eine Beschäftigung mit einem Arbeitsentgelt unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze aufgenommen.
  • Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass die nach dem Leistungsbezug aufgenommene Beschäftigung Krankenversicherungspflicht begründet. Die ursprünglich ausgesprochene Befreiung endet mit dem Ende der Beschäftigung, auf die sich die Befreiung bezieht. Dies gilt insbesondere, wenn danach ein anderer Sachverhalt Krankenversicherungspflicht begründet.

Wirkung einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB V

Die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht auf Antrag kann auch über das aktuelle (zur Befreiung führende Beschäftigungsverhältnis) hinaus wirken, wenn im unmittelbaren Anschluss oder auch nach einer kurzfristigen (max. 1 Monat) Unterbrechung eine neue Beschäftigung aufgenommen wird. Das gilt auch, wenn die Folgebeschäftigung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungspflichtig wäre.

Auszug aus dem Punkt 5 der Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs vom 23./24.11.2011:

Im Hinblick auf den Charakter der Befreiung als Statusentscheidung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung ist ein Fortwirken der Befreiung über das einzelne (zur Befreiung führende) Beschäftigungsverhältnis jedoch dann anzunehmen, wenn im unmittelbaren Anschluss hieran oder auch nach einer kurzfristigen (sozialversicherungsrechtlich irrelevanten) Unterbrechung eine neue Beschäftigung aufgenommen wird, die grundsätzlich nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungspflichtig wäre. Dies gilt auch für weitere (noch folgende) Beschäftigungen. Als kurzfristige Unterbrechungen im vorstehenden Sinne werden Zeiträume von bis zu einem Monat angesehen, in denen kein anderer Versicherungspflichttatbestand vorliegt.
Nach diesen Grundsätzen ist spätestens ab 01.01.2012 zu verfahren.

Wirkung einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB V wegen Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze

Die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht wirkt tatbestandsbezogen auf das jeweilige Versicherungspflichtverhältnis, das zur Befreiung geführt hat.

Auszug aus dem Punkt 1 der Ergebnisniederschrift über die Sitzung der Fachkonferenz Beiträge am 13. Juni 2017:

Die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB V entfaltet keine Regelungswirkung für eine im Anschluss an das Ende der Beschäftigung eintretende Versicherungspflicht wegen eines anderen Tatbestandes (z. B. aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Das Vorliegen eines anderen Versicherungspflichttatbestandes führt vielmehr dazu, dass sich zu diesem Zeitpunkt die Befreiung und der sie feststellende Verwaltungsakt im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise erledigen. Aufgrund dieser Erledigung zieht die erneute Aufnahme einer Beschäftigung unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V Versicherungspflicht nach sich (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. Mai 2011 - B 12 KR 9/09 R -, USK 2011-65), ohne dass ein Fortwirken oder Wiederaufleben der ursprüngliche Befreiung anzunehmen wäre.

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