Besteuerung von sonstigen Bezügen nach der Fünftelregelung - Ab 2025 beim Lohnsteuerabzug nicht mehr anzuwenden
Aktuelles
Die Besteuerung von sonstigen Bezügen nach der Fünftelregelung bereits bei der Berechnung der Lohnsteuer wird ab 2025 ersatzlos aufgehoben. Arbeitnehmer können die Tarifermäßigung - wie bisher - im Rahmen der
Veranlagung zur Einkommensteuer geltend machen.
Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hatte am 21. Februar 2024 einen Kompromiss beim Wachstumschancengesetz beschlossen.
Am 23. Februar 2024 stimmte der Bundestag dem Kompromiss zum Wachstumschancengesetz zu.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 22. März 2024 dem Wachstumschancengesetz zugestimmt und damit einen Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat vom 21. Februar 2024 bestätigt.
Das Wachstumschancengesetz wurde am 27.03.2024 im Bundesgesetzblatt verkündet.
Die Aufhebung der Fünftelungsregelung bei der Lohnsteuer (§ 39b Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG) aus dem Gesetzentwurf wurde auch im Vermittlungsergebnis beibehalten. Die Änderung ist erstmals für den Lohnsteuerabzug 2025
anzuwenden (im Gesetzentwurf stand noch 2024)
Auszug aus der Begründung zum Gesetzesvorhaben:
Nach geltendem Recht kann die Tarifermäßigung des § 34 Absatz 1 EStG (sog. Fünftelungsregelung/-methode) für bestimmte Arbeitslöhne (Entschädigungen, Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten) bereits bei der Berechnung der Lohnsteuer berücksichtigt werden. Die Regelung erfordert komplizierte Berechnungsschleifen im Programmablaufplan für die maschinelle Lohnsteuerberechnung und den Lohnsteuerberechnungs- bzw. Lohnabrechnungsprogrammen der Arbeitgeber. In vielen Fällen macht der Arbeitgeber ohnehin schon heute von der Möglichkeit der tarifermäßigten Lohnbesteuerung keinen Gebrauch, denn er kann oftmals nicht rechtssicher feststellen, ob die Voraussetzungen für die Tarifermäßigung überhaupt vorliegen. Insbesondere die Frage der Zusammenballung ist unterjährig oft nur schwer oder gar nicht zu beurteilen. Auch muss der Arbeitgeber gesondert prüfen, ob es überhaupt zu einer Lohnsteuerminderung kommt.
Die Regelungen zur Berechnung der Lohnsteuer im Zusammenhang mit tarifermäßigt zu besteuerndem Arbeitslohn wird ersatzlos aufgehoben und damit als Beitrag zum Bürokratieabbau die Lohnsteuerberechnung entschlackt. Die Arbeitgeber werden von Prüfungs- und Berechnungsaufwand entlastet.
Für den Arbeitnehmer ergeben sich keine Nachteile, denn die Tarifermäßigung des § 34 Absatz 1 EStG kann - wie bisher - im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer geltend gemacht werden. Die zutreffende Einkommensteuer kann in den Fällen des § 34 Absatz 1 EStG ohnedies nur punktgenau im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer ermittelt werden, weil nur hier alle steuerlich relevanten Sachverhalte und Schlussfolgerungen (weitere Einkünfte, Sonderausgaben, Steuerermäßigungen, Art der Veranlagung etc.) bekannt sind. Zu den beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern s. Änderung von § 50 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 EStG und die entsprechende Einzelbegründung.
In der Lohnsteuerbescheinigung werden die für die Tarifermäßigung des § 34 Absatz 1 EStG in Frage kommenden Arbeitslöhne weiterhin gesondert ausgewiesen. Die Entscheidung über die Gewährung selbst obliegt jedoch im Einzelfall dem Finanzamt.
Steuerermäßigung für zusammengeballte Überstundenvergütungen - Bundesfinanzhof Urteil vom 02. Dezember 2021, VI R 23/19
Mit Urteil vom 02.12.2021 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass nachgezahlte Überstundenvergütungen, die für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden, mit einem
ermäßigten Steuersatz zu besteuern sind.
Grundsätzliches
Außerordentliche Einkünfte sind bei der Einkommensteuer mit der sogenannten Fünftelregelung begünstigt.
§ 34 EStG:
(1) Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist die auf alle im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach den Sätzen 2 bis 4 zu berechnen. Die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer beträgt das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte. Ist das verbleibende zu versteuernde Einkommen negativ und das zu versteuernde Einkommen positiv, so beträgt die Einkommensteuer das Fünffache der auf ein Fünftel des zu versteuernden Einkommens entfallenden Einkommensteuer. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für außerordentliche Einkünfte im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1, wenn der Steuerpflichtige auf diese Einkünfte ganz oder teilweise § 6b oder § 6c anwendet.
(2) Als außerordentliche Einkünfte kommen nur in Betracht:....
- Veräußerungsgewinne im Sinne der §§ 14, 14a Absatz 1, der §§ 16 und 18 Absatz 3 mit Ausnahme des steuerpflichtigen Teils der Veräußerungsgewinne, die nach § 3 Nummer 40 Buchstabe b in Verbindung mit § 3c Absatz 2 teilweise steuerbefreit sind;
- Entschädigungen im Sinne des § 24 Nummer 1;
- Nutzungsvergütungen und Zinsen im Sinne des § 24 Nummer 3, soweit sie für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nachgezahlt werden;
- Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten; mehrjährig ist eine Tätigkeit, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst.
Zur Tarifermäßigung bei Auszahlung des Rückkaufswertes einer Versicherung der betrieblichen Altersversorgung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG - Urteil des Bundesfinanzhofs vom 06. Mai 2020 (X R 24/19)
In dem Fall geht es um die Einmalzahlung von einer Pensionskasse
Leitsätze des Urteils:
1. Die (Einmal-)Zahlung des Rückkaufswertes einer Versicherung der betrieblichen Altersversorgung erfüllt die Tatbestandsmerkmale "Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten" i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG.
2. Für die Bestimmung der Außerordentlichkeit dieser Einkünfte ist eine wertende Betrachtung aller Versicherungsverträge aus dem Bereich Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds vorzunehmen, die unter Geltung des AltEinkG durch eine einmalige Kapitalabfindung bei Rentenbeginn oder vorzeitig durch Kündigung bzw. durch sonstige Vertragsauflösung mit der Folge einer Auszahlung des Rückkaufswertes beendet worden sind.
Aufstockungsbeträge zum Transferkurzarbeitergeld, die auf der Grundlage eines Transfer-Arbeitsverhältnisses und mit Rücksicht auf dieses von der Transfergesellschaft geleistet werden, sind regelmäßig keine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG, sondern laufender Arbeitslohn i.S. des § 19 EStG (Bundesfinanzhof Urteil vom 12.03.2019, IX R 44/17).
Ersatz für beliebige Arten von Schadensfolgen ist keine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG - Voraussetzungen und Umfang des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Entschädigung - Erforderliche Feststellungen (Bundesfinanzhof Urteil vom 11.07.2017, IX R 28/16).
Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG werden in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur angenommen, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und
durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen (BFH-Urteil vom 9. Oktober 2008 IX R 85/07). Keine Zusammenballung in diesem Sinne liegt damit vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehreren
Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt.
Danach liegen typischerweise keine außerordentlichen Einkünfte vor, wenn eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit in zwei oder mehr Veranlagungszeiträumen gezahlt wird.
Ausnahmen
Eine Ausnahme von dem Grundsatz lässt der Bundesfinanzhof zu, wenn neben der Hauptentschädigungsleistung in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden (BFH-Urteile vom 14. August 2001 XI R 22/00 und vom 24. Januar 2002 XI R 43/99).
Leitsatz des BFH-Urteil vom 14. August 2001 XI R 22/00:
Eine Entlassungsentschädigung bleibt auch dann steuerbegünstigt, wenn in einem späteren Veranlagungszeitraum aus sozialer Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit ergänzende Entschädigungszusatzleistungen erbracht werden.
Leitsatz des BFH-Urteil vom 24. Januar 2002 XI R 43/99:
Leistet ein Arbeitgeber seinem (früheren) Arbeitnehmer wegen Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine einmalige Abfindung und zur Überbrückung der Arbeitslosigkeit monatliche Ausgleichszahlungen, so sind diese Leistungen insgesamt auch dann im Jahr ihrer Zahlung tarifvergünstigt zu besteuern, wenn die Ausgleichszahlungen in einem späteren Veranlagungszeitraum fortgeführt werden.
§ 34 Abs. 1 EStG ist trotz des Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen ausnahmsweise auch dann anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhält und die ganz überwiegende Leistung in einem Betrag ausgezahlt wird, wobei sich die Teilzahlungen im Verhältnis zueinander eindeutig als Haupt- und Nebenleistung darstellen müssen und die Nebenleistung nur geringfügig sein darf (BFH-Urteile vom 25.08.2009 IX R 11/09, vom 26.01.2011 IX R 20/10 und vom 13.10.2015 IX R 46/14
Leitsätze des BFH-Urteil vom 13.10.2015 IX R 46/14:
1. Die Auszahlung einer einheitlichen Abfindung in zwei Teilbeträgen steht der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausnahmsweise nicht entgegen, wenn sich die Teilzahlungen im Verhältnis zueinander eindeutig als Haupt- und Nebenleistung darstellen und wenn die Nebenleistung geringfügig ist.
2. Eine Nebenleistung kann unter Berücksichtigung der konkreten individuellen Steuerbelastung als geringfügig anzusehen sein, wenn sie niedriger ist als die tarifliche Steuerbegünstigung der Hauptleistung.
Verteilt sich die Zahlung auf zwei Veranlagungszeiträume, lässt die Rechtsprechung die Steuerermäßigung auch dann zu, wenn die Zahlung von vornherein in einer Summe festgesetzt war und nur wegen ihrer ungewöhnlichen Höhe und der besonderen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen auf zwei Jahre verteilt wurde (BFH-Urteil vom 02.09.1992 XI R 63/89) oder wenn der Zahlungsempfänger --bar aller Existenzmittel-- dringend auf den Bezug einer Vorauszahlung angewiesen war (BFH-Urteil vom 01.02.1957 VI 87/55 U).
Zu den Voraussetzungen der Tarifermäßigung nach § 34 EStG - Keine Fünftelregelung bei Teilzahlungen - Bundesfinanzhof Urteil vom 15. Dezember 2022, VI R 19/21
Leitsätze des Urteils:
1. NV: Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG liegen grundsätzlich nur dann vor, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
2. NV: Die Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit ist regelmäßig nicht nach § 34 EStG tarifbegünstigt, wenn die Auszahlung in drei Veranlagungszeiträumen erfolgt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Zahlung ursprünglich in einer Summe vereinbart war und die Auszahlung in drei Veranlagungszeiträumen auf Gründen beruht, die der Gestaltungsfreiheit des Steuerpflichtigen entzogen sind.
Für den Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber sind folgende außerordentliche Einkünfte von Bedeutung:
- steuerpflichtige Entlassungsabfindungen und
- Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit
Die Methode darf nur angewendet werden, wenn sie zu einer geringeren Lohnsteuer führt als die normale Besteuerung als sonstiger Bezug. Bei der normalen Besteuerung als sonstiger Bezug erfolgt eine Differenzrechnung für die Lohnsteuer. Es wird die Lohnsteuer für den maßgebenden Jahresarbeitslohn ohne den sonstigen Bezug und für den maßgebenden Jahresarbeitslohn einschließlich des sonstigen Bezugs ermittelt. Der Differenzbetrag ergibt die Lohnsteuer für den sonstigen Bezug.
Zur Einbehaltung der Lohnsteuer gilt § 39b Abs. 3 EStG (bis 31.12.2024; ab 2025 werden diese Sätze aufgehoben):
....
Die Lohnsteuer ist bei einem sonstigen Bezug im Sinne des § 34 Absatz 1 und 2 Nummer 2 und 4 in der Weise zu ermäßigen, dass der sonstige Bezug bei der Anwendung des Satzes 5 mit einem Fünftel anzusetzen und der Unterschiedsbetrag im Sinne des Satzes 8 zu verfünffachen ist; § 34 Absatz 1 Satz 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ein sonstiger Bezug im Sinne des § 34 Absatz 1 und 2 Nummer 4 ist bei der Anwendung des Satzes 4 in die Bemessungsgrundlage für die Vorsorgepauschale nach Absatz 2 Satz 5 Nummer 3 einzubeziehen.
Es wird bei der Berechnung der sonstige Bezug also nur mit einem Fünftel angesetzt und die sich nach der Jahreslohnsteuertabelle ergebende Steuer verfünffacht. Durch dieses Verfahren soll die Steuerprogression
gemildert werden. Da eine Abfindung eine Entschädigung für mehrere Arbeitsjahre darstellt, wäre die normale Berechnung der Lohnsteuer durch Anwendung der Jahrestabelle ungerecht.
Im Prinzip wird bei der Besteuerung von sonstigen Bezügen nach der Fünftelregelung die relativ günstige Steuer, die sich für ein Fünftel des sonstigen Bezugs ergibt, auf den gesamten sonstigen Bezug angewendet.
Steuerermäßigung für zusammengeballte Überstundenvergütungen - Bundesfinanzhof Urteil vom 02. Dezember 2021, VI R 23/19
Leitsätze des Urteils:
Werden Überstundenvergütungen für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten veranlagungszeitraumübergreifend geleistet, ist die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 2. Halbsatz EStG zu gewähren.
Auszug aus der Pressemitteilung Nummer 12/22 vom 24. März 2022:
Im Streitfall hatte der Kläger über einen Zeitraum von drei Jahren in erheblichem Umfang Überstunden geleistet. Erst im vierten Jahr wurden dem Kläger die Überstunden in einer Summe vergütet. Das Finanzamt unterwarf die Überstundenvergütung dem normalen Einkommensteuertarif.
Der BFH -wie zuvor auch das Finanzgericht- folgten indes dem Antrag des Klägers und wendeten auf den Nachzahlungsbetrag den ermäßigten Steuertarif an.
Der BFH hat klargestellt, dass die Tarifermäßigung nicht nur auf die Nachzahlung von Festlohnbestandteilen, sondern auch auf Nachzahlungen von variablen Lohnbestandteilen -hier in Form der Überstundenvergütungen- Anwendung findet. Hier wie dort ist allein entscheidend, ob die nachgezahlte Vergütung für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten veranlagungszeitraumübergreifend geleistet worden ist.
Im Jahr 2002 hatte das FG Hamburg (Urteil vom 02.07.2002 II 83/01, EFG 2002) anders entschieden. Es hielt Vergütungen für in mehreren Jahren geleistete Überstunden für nicht tarifbegünstigt, weil lediglich Vergütungsbestandteile nachgezahlt worden seien und keine Tätigkeit entlohnt werde, die als einheitliches Ganzes in mehrere Veranlagungszeiträume falle.
Beispiel für eine steuerpflichtige Entlassungsabfindung (Abrechnungsjahr 2018)
- Der Arbeitnehmer hat ein Gehalt von 3.000,00 €.
- Er hat dieses Gehalt seit Anfang des Jahres bezogen und scheidet im Dezember 2018 aus.
- Die Abfindung beträgt 15.000,00 €.
- Die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale des Arbeitnehmers beinhalten die Steuerklasse IV, keine Kinderfreibeträge und das Kirchensteuermerkmal ev.
- Die Betriebsstätte befindet sich in Hessen. Der Kirchensteuersatz beträgt 9%. Wegen der verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen
müssen beim Steuerabzug Angaben zu Vorsorgeaufwendungen gemacht werden. Für unser Beispiel sind das:
- Rechtskreis West (wegen unterschiedlicher Beitragsbemessungsgrenzen; spielt bei diesem Monatseinkommen aber keine Rolle)
- Der Arbeitnehmer ist pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung. Der krankenkassenindividuelle Zusatzbeitragssatz beträgt 1,1%.
- Beitragszuschlag zur Pflegeversicherung für Kinderlose von 0,25%
Vom aktuellen Arbeitgeber bereits gezahlter laufender Arbeitslohn:
12 * 3.000,00 € = 36.000,00 €
Eine Umrechnung des bereits gezahlten laufenden Arbeitslohns auf 12 Monate erübrigt sich.
Es gibt keine bereits gezahlten steuerpflichtigen sonstigen Bezüge.
Ein Hinzurechnungsbetrag bzw. Jahresfreibetrag ist nicht zu berücksichtigen.
Altersentlastungsbetrag (Arbeitnehmer ist noch nicht 64) und Versorgungsfreibetrag
(Arbeitnehmer erhält keinen Versorgungsbezug) kommen nicht in Betracht.
Damit beträgt der maßgebende Jahresarbeitslohn 36.000,00 €.
Berechnung | Betrag |
---|---|
Lohnsteuer aus der Jahreslohnsteuertabelle ablesen vom: Maßgebenden Jahresarbeitslohn + einem Fünftel der Abfindung (15.000 € / 5 = 3.000 €) 36.000,00 € + 3.000,00 € = 39.000,00 € |
5.849,00 € |
Lohnsteuer aus der Jahreslohnsteuertabelle ablesen vom: Maßgebenden Jahresarbeitslohn 36.000,00 € und abziehen vom obigen Lohnsteuerbetrag. |
- 5.067,00 € |
Ergibt eine Differenz von: | = 782,00 € |
Die Lohnsteuer für die Abfindung beträgt 5 * 782,00 € |
= 3.910,00 € |
Nach der normalen Methode müsste man in der Jahreslohnsteuertabelle von 51.000,00 € und 36.000,00 € die Lohnsteuer ablesen und die Differenz bilden.
Die Lohnsteuer wäre hier 4.189,00 € (9.256,00 € - 5.067,00 €) und damit höher.
Abzug des Versorgungsfreibetrags und des Altersentlastungsbetrags
Das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014 brachte eine Änderung bei der Besteuerung von sonstigen Bezügen nach der Fünftelregelung. Rückwirkend ab 01.01.2014 ist der sonstige Bezug um den Versorgungsfreibetrag und den Altersentlastungsbetrag zu vermindern, wenn die Voraussetzungen für den Abzug dieser Beträge jeweils erfüllt sind und soweit die Abzugsbeträge noch nicht anderweitig verbraucht worden sind.
Dazu wurde der § 39b Abs. 3 Satz 6 EStG geändert.
Dabei ist der sonstige Bezug um den Versorgungsfreibetrag und den Altersentlastungsbetrag zu vermindern, wenn die Voraussetzungen für den Abzug dieser Beträge jeweils erfüllt sind und soweit sie nicht bei der Steuerberechnung für den maßgebenden Jahresarbeitslohn berücksichtigt worden sind.
Die alte Fassung lautete:
"Dabei ist der sonstige Bezug, soweit es sich nicht um einen sonstigen Bezug im Sinne des Satzes 9 handelt, um den Versorgungsfreibetrag und den Altersentlastungsbetrag zu
vermindern, wenn die Voraussetzungen für den Abzug dieser Beträge jeweils erfüllt sind und soweit sie nicht bei der Steuerberechnung für den maßgebenden Jahresarbeitslohn
berücksichtigt worden sind."
Satz 9 lautet:
"Die Lohnsteuer ist bei einem sonstigen Bezug im Sinne des § 34 Absatz 1 und 2 Nummer 2 und 4 in der Weise zu ermäßigen, dass der sonstige Bezug bei der Anwendung
des Satzes 5 mit einem Fünftel anzusetzen und der Unterschiedsbetrag im Sinne des Satzes 8 zu verfünffachen ist; § 34 Absatz 1 Satz 3 ist sinngemäß anzuwenden."
Interaktiver Abgabenrechner zur Berechnung der Lohnsteuer und Einkommensteuer (Service des Bundesministeriums der Finanzen). Die Berechnung kann für das Jahr, den Monat, die Woche oder einen Kalendertag erfolgen.
Ausführliche Informationen zu Abfindungen
Abfindung einer Erfindervergütung als steuerbegünstigte Entschädigung - Zwangssituation bei gütlicher Einigung
Dazu existiert ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29.02.2012 (IX R 28/11).
Leitsätze:
Gibt der Arbeitnehmer mit seinem Interesse an einer Weiterführung der ursprünglichen Vereinbarung auf Arbeitnehmererfindervergütung im Konflikt mit seinem Arbeitgeber nach und nimmt dessen Abfindungsangebot an, so entspricht es dem Zweck des von der Rechtsprechung entwickelten Merkmals der Zwangssituation, nicht schon wegen dieser gütlichen Einigung in konfligierender Interessenlage einen tatsächlichen Druck in Frage zu stellen.
Der Kläger war Techniker bei einer GmbH, die sich mit systemgebundenen Produkten für den Hoch- und Tiefbau beschäftigt. Die GmbH entwickelte technische Geräte und Verfahren. Der Kläger verschaffte seinem Arbeitgeber eine Reihe von einträglichen Patenten. Es gab für jede einzelne Erfindung ein gemeinsam erarbeitetes Konzept zur Abrechnung der Erfindervergütungen. Die Auszahlung erfolgte jeweils bis zum Ende der Laufzeit des Patents, in der Regel jährlich.
Nach seinem Eintritt in den Ruhestand bekam der Erfinder ein Abfindungsangebot von seinem ehemaligen Arbeitgeber. Dem Arbeitgeber wurde dieser Schritt vom Patentanwalt des Unternehmens nahe gelegt. Dem Arbeittnehmer wären jährliche Zahlungen zwar lieber gewesen, aus Gründen der Loyalität und zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten, ist er aber auf das Angebot eingegangen. Der Kläger erhielt eine einmalige Abfindung in Höhe von 518.250 EUR.
Der Kläger erklärte den Abfindungsbetrag im Rahmen der Veranlagung als sonstige Einkünfte und beantragte, die Versteuerung nach § 34 des Einkommensteuergesetzes vorzunehmen. Dies lehnte das Finanzamt auch im Einspruchsverfahren ab. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.
Der Bundesfinanzhof hat der Klage stattgegeben. Finanzamt und Finanzgericht haben die Abfindung unzutreffend nicht nach § 34 Abs. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG einer ermäßigten Besteuerung unterworfen.
Folgendes wurde festgestellt:
- Die Abfindung erfüllt die Voraussetzungen des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG.
- Der Steuerpflichtige stand unter einem gewissen Druck (Zwangssituation).
- Die Abfindung führte auch zu einem zusammengeballten Zufluss im Streitjahr.
- Unter Berücksichtigung der festgestellten Tatsachen erfüllt der Kläger die Voraussetzungen für eine Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG.
Der Klage wurde stattgegeben.
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