Grundtabelle und Splittingtabelle

Aktuelles

Eine Ablösung des Ehegattensplittings durch eine Individualbesteuerung würde die Erwerbstätigkeit in Deutschland deutlich erhöhen. Dadurch könnten das Wirtschaftswachstum gesteigert und die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern auf dem Arbeitsmarkt reduziert werden. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Untersuchung des RWI (Pressemitteilung des RWI vom 21.06.2021).


Keine Zusammenveranlagung für die Partner einer nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft
Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluss vom 26.04.2017 (III B 100/16, veröffentlicht am 21.06.2017) entschieden, dass § 2 Abs. 8 EStG auf verschiedengeschlechtliche Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft keine Anwendung findet.
Auszug aus den Entscheidungsgründen:

Die Rechtfertigung der einfachgesetzlichen Privilegierung der Ehe gegenüber anderen Lebensformen stützt das BVerfG vor allem darauf, dass die Ehe mit rechtlicher Verbindlichkeit und in besonderer Weise mit gegenseitigen Einstandspflichten ausgestattet ist und sich so als dauerhafte Paarbeziehung darstellt. Insoweit unterscheidet sie sich von anderen ungebundenen oder weniger verbindlichen Paarbeziehungen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 133, 377, Rz 83 ff., m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund interpretierte der Senat die Vorschrift des § 2 Abs. 8 EStG dahingehend, dass sie nur Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft i.S. des LPartG erfasst, weil nur derartige Partnerschaften sich hinsichtlich der durch sie erzeugten rechtlichen Bindungen und gegenseitigen Einstandspflichten herkömmlichen Ehen derart angenähert haben, dass eine steuerliche Ungleichbehandlung nicht mehr zu rechtfertigen ist.
Daraus folgt, dass verschiedengeschlechtliche Partner, die keine Ehe geschlossen, schon mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 LPartG auch keine Lebenspartnerschaft i.S. des LPartG begründet und damit auch keine vergleichbaren rechtlichen Bindungen und gegenseitigen Einstandspflichten übernommen haben, nicht unter den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 8 EStG fallen

Die Besteuerung Alleinerziehender nach dem Grundtarif anstelle einer Besteuerung nach dem Splittingtarif ist verfassungsgemäß (Bundesfinanzhof Beschluss vom 29.9.2016, III R 62/13).


Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 7. Mai 2013 (2 BvR 909/06) entschieden, dass die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften und Ehen beim Ehegattensplitting verfassungswidrig ist.
Das Ehegattensplitting gilt damit auch für Partner in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Das Gericht verlangte, die Gesetze rückwirkend zum 1. August 2001 zu ändern (Zeitpunkt der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes). Die bestehenden Regelungen zum Ehegattensplitting für Eheleute können bis zu einer neuen Regelung übergangsweise auf eingetragene Lebenspartnerschaften angewandt werden.

Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 41/2013 des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2013:

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, den festgestellten Verfassungsverstoß rückwirkend zum Zeitpunkt der Einführung des Instituts der Lebenspartnerschaft am 1. August 2001 zu beseitigen. Da er hierfür unterschiedliche Möglichkeiten hat, kommt vorliegend nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung, die der Gesetzgeber unverzüglich zu treffen hat, bleiben §§ 26, 26b, 32a Abs. 5 EStG zur Vermeidung einer Unsicherheit über die Rechtslage anwendbar mit der Maßgabe, dass auch eingetragene Lebenspartner, deren Veranlagungen noch nicht bestandskräftig durchgeführt sind, mit Wirkung ab dem 1. August 2001 unter den für Ehegatten geltenden Voraussetzungen eine Zusammenveranlagung und die Anwendung des Splittingverfahrens beanspruchen können.

Dem § 2 EStG wurde folgender Absatz 8 angefügt:

"(8) Die Regelungen dieses Gesetzes zu Ehegatten und Ehen sind auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden."

Grundsätzliches

Die Höhe der Einkommensteuer ermittelt sich aus einer Tarifformel, die im Einkommensteuergesetz geregelt ist (§ 32a EStG).

Für alleinstehende Steuerzahler kommt die Einzelveranlagung zur Anwendung. Nach § 26 EStG können Ehegatten zwischen der Einzelveranlagung (§ 26a) und der Zusammenveranlagung (§ 26b) wählen.

Der § 32a Abs. 5 EStG erläutert das Splitting-Verfahren:

Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, beträgt die tarifliche Einkommensteuer vorbehaltlich der §§ 32b, 32d, 34, 34a, 34b und 34c das Zweifache des Steuerbetrags, der sich für die Hälfte ihres gemeinsam zu versteuernden Einkommens nach Absatz 1 ergibt (Splitting-Verfahren).

Bei der Zusammenveranlagung werden also die von den Ehegatten erzielten Einkünfte zusammengerechnet. Dann wird die Steuer für die Hälfte des gemeinsamen Einkommens nach dem Einkommensteuertarif berechnet und sodann verdoppelt. Durch die Anwendung des Ehegattensplittings haben verheiratete Einkommensteuerpflichtige den Vorteil, dass der anzuwendende Progressionssatz erheblich geringer ist als im Falle der Einzelveranlagung. Bedingt durch diese Berechnung ergibt sich bei diesem Verfahren in der Regel eine niedrigere Steuer als bei getrennter Veranlagung. Der höchste Vorteil ergibt sich, wenn nur ein Ehegatte Einkünfte erzielt. Wenn beide Ehegatten gleich hohe steuerliche Einkünfte erzielen ergibt sich kein Unterschied zur getrennten Veranlagung (siehe Beispieltabellen zu den einzelnen Jahren).

Die Einkommensteuer-Grundtabelle findet bei der Einzelveranlagung Anwendung. Für zusammenveranlagte Eheleute gibt es die Einkommensteuer-Splittingabelle.

Der Splittingtarif ist also kein eigener Steuertarif sondern eine Ableitung aus dem Grundtarif.

Werte zur Einkommensteuerberechnung nach Grundtabelle und Splittingtabelle gibt es für folgende Jahre: 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020, 2021, 2022, 2023, 2024

Das Bayerische Landesamt für Steuern stellt einen Einkommensteuer-Vergleichsrechner zur Verfügung.
Der Einkommensteuer-Vergleichsrechner ermittelt für ein zu versteuerndes Einkommen die Einkommensteuerbeträge, die Durchschnittsteuersätze und die Grenzsteuersätze, sowie die Betragsunterschiede zum jeweiligen Vorjahr.

Anwendung der Grundtabelle und Splittingtabelle im Lohnsteuertarif

Da der Lohnsteuertarif auf dem Einkommensteuertarif aufbaut, wirkt sich die Unterteilung des Einkommensteuertarifs in einen Grundtarif und einen Splittingtarif auch auf den Lohnsteuertarif aus. Unterschiede zwischen Lohnsteuertarif und Einkommensteuertarif bestehen lediglich in der Berücksichtigung der dem Arbeitnehmer zustehenden Freibeträge. Diese Freibeträge sind in die Lohnsteuerklassen eingearbeitet.

Ehepartner können wählen, ob sie beide in die Steuerklasse IV eingeordnet werden wollen oder ob ein Ehepartner in Steuerklasse III und der andere Ehepartner nach Steuerklasse V eingeordnet werden will. Ab dem Kalenderjahr 2010 können Ehegatten auch die Steuerklassenkombination IV/IV mit Faktor wählen.

Um den finanziellen Vorteil aus dem Ehegattensplitting zu nutzen, muss das Ehepaar die Steuerklassenkombination III und V wählen. Die Lohnsteuerklasse III enthält den doppelten Grundfreibetrag (steuerfreies Existenzminimum). Der andere Ehepartner, der in die Lohnsteuerklasse V eingruppiert ist, bekommt keinen Grundfreibetrag. Damit liegt das Splitting-Verfahren den in der Steuerklasse III ausgewiesenen Steuerbeträgen zugrunde.

Die Steuerklassen I, II und IV basieren auf dem Grundtarif.

Die Steuerklassen V und VI werden aus dem Grundtarif über eine Annahme der Verteilung des Arbeitslohns abgeleitet.

Die Steuerklassenkombination III/V ist so gestaltet, dass die Summe der Steuerabzugsbeträge für beide Ehegatten in etwa der gemeinsamen Jahressteuer entspricht, wenn der in Steuerklasse III eingestufte Ehegatte 60%, der in Steuerklasse V eingestufte Ehegatte 40% des gemeinsam zu versteuernden Einkommens erzielt.

Die Steuerklasse VI gilt nur für ein zweites und jedes weitere Dienstverhältnis, wenn zur Abrechnung die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (früher die Lohnsteuerkarte) benötigt werden. Auch hier wird eine fiktive Verteilung angenommen. Es wird unterstellt, dass beim ersten Arbeitgeber 60% und beim zweiten Arbeitgeber (Steuerklasse VI) 40% des gesamten Arbeitslohns bezogen werden.

Ehegattensplitting macht Erwerbsarbeit für Frauen unattraktiv

Zu dieser Aussage kommt der Informationsdienst der Hans-Böckler-Stiftung in der Ausgabe Böckler Impuls 19/2011. Auszug aus dem Artikel:

In Deutschland gilt das Ehegattensplitting als ein wichtiger Grund für die relativ geringe Beteiligung verheirateter Frauen am Arbeitsmarkt. Länder wie Großbritannien, Schweden, die Niederlande, Spanien, Portugal oder Österreich haben die gemeinsame Besteuerung von Eheleuten abgeschafft zugunsten einer reinen Individualbesteuerung. Ein Forscherteam des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hat für Deutschland die Verteilungs- und Angebotseffekte eines solchen Schritts berechnet. Fazit: Die Individualbesteuerung würde nicht nur zu erheblichen Steuermehreinnahmen führen. Auch die Erwerbsbeteiligung von Ehefrauen würde sich deutlich erhöhen.

In der Ausgabe Böckler Impuls 11/2012 wurde das Thema wieder aufgegriffen. Für die Forscher ist die unzeitgemäße Alleinverdiener-Subvention eine wesentliche Ursache für die geringe Erwerbsbeteiligung verheirateter Frauen.

Der Wochenbericht Nr. 41/2011 vom 12. Oktober 2011 des DIW Berlin (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) kam zu ähnlichen Ergebnissen. Nur eine reine Individualbesteuerung erhöht nach Meinung der Forscher die Erwerbsanreize deutlich. Auszug aus dem Artikel:

Wenn es das wirtschaftspolitische Ziel ist, verheiratete Frauen stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren und damit auch längerfristig der demographischen Entwicklung beim Erwerbspersonenpotential Rechnung zu tragen, sollten dem entgegenstehende Anreize im Steuer- und Transfersystem systematisch beseitigt werden.

Negative Arbeitsanreize für verheiratete Frauen werden auch durch das Familiensplitting nicht verändert.

Ehegattensplitting: Abschaffung könnte Ungleichheit reduzieren und Wirtschaft ankurbeln

Diskussionspapier des RWI vom Juni 2021: Welche Auswirkungen hätte die Abschaffung des Ehegattensplittings auf das Arbeitsangebot und die Einkommensverteilung?
Auszug aus der Pressemitteilung des RWI vom 21.06.2021

  • Die Abschaffung des Ehegattensplittings zugunsten einer Individualbesteuerung würde die Erwerbstätigkeit in Deutschland deutlich erhöhen. Nach einer RWI-Simulation könnten durch die Reform bei gleichem Steueraufkommen mehr als eine halbe Million zusätzliche Vollzeit-Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.
  • Das Bruttoinlandsprodukt könnte durch die Abschaffung des Ehegattensplittings um bis zu 1,5 Prozent steigen. Dies würde auch die Staatsverschuldung reduzieren.
  • Durch eine Abschaffung des Ehegattensplittings würde die Steuerlast des Ehepartners mit dem geringeren Einkommen abnehmen. Die Aufnahme einer Beschäftigung oder die Erhöhung der Arbeitszeit würde sich somit für den einkommensschwächeren Partner stärker lohnen. Da dies mehrheitlich Frauen betrifft, könnte die Reform dabei helfen, die Geschlechterunterschiede auf dem Arbeitsmarkt zu reduzieren.

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