Lohnfortzahlung (Entgeltfortzahlung) im Krankheitsfall

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Tarifliche Freistellungstage und krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit - Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Februar 2022 (10 AZR 99/21)
Arbeitgeber muss Freistellungstage bei Krankheit nachgewähren
Leitsatz des Urteils:

Der Anspruch auf bezahlte arbeitsfreie Tage, der an die Stelle des Anspruchs auf ein tarifliches Zusatzgeld nach dem Tarifvertrag Tarifliches Zusatzgeld (TV T-ZUG) tritt, wird nicht erfüllt, wenn der Arbeitnehmer am Freistellungstag arbeitsunfähig erkrankt ist.

Auszug aus der Pressemitteilung 7/22 des Bundesarbeitsgerichts vom 23.02.2022:

Die Parteien sind an den Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 8. November 2018 (MTV) und den Tarifvertrag Tarifliches Zusatzgeld für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 14. Februar 2018 (TV T-ZUG) gebunden. Der MTV eröffnet bestimmten Arbeitnehmergruppen die Möglichkeit, statt des Zusatzgelds nach dem TV T-ZUG bezahlte arbeitsfreie Tage zu erhalten. Der Kläger wählte für das Jahr 2019 den Anspruch auf Freistellungstage. An zwei der festgelegten freien Tage war er arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte lehnte eine Nachgewährung ab. Mit seiner Klage hat der Kläger zuletzt verlangt festzustellen, dass ihm für das Jahr 2019 noch eine bezahlte Freistellung im Umfang von zwei Arbeitstagen zusteht. Er hat gemeint, dieser Anspruch sei durch die bloße Festlegung von freien Tagen nicht erfüllt worden. Vielmehr müsse die freie Zeit tatsächlich nutzbar sein. Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit stehe dem entgegen. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Anspruch sei bereits dadurch erfüllt, dass sie die freien Tage festgelegt und den Kläger von der Verpflichtung entbunden habe, die Arbeitsleistung zu erbringen.

Die Pilotphase für den elektronischen Abruf von Arbeitsunfähigkeitsdaten wurde bis zum 31. Dezember 2022 verlängert. Der Start des obligatorischen Abrufs der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) durch die Arbeitgeber wird damit vom 1. Juli 2022 auf den 1. Januar 2023 verschoben.

Grundsätzliches

Die Lohnfortzahlung (Entgeltfortzahlung) im Krankheitsfall ist eine der wichtigsten sozialen Leistungen, die der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zu erbringen hat. Die gesetzliche Grundlage bildet das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG).
§ 3 Abs. 1 EFZG:

Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. ....

Die Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes gelten gleichermaßen für alle Arbeitnehmer. Zwischen den neuen und den alten Bundesländern bestehen keine Unterschiede. Im § 1 EFZG steht dazu:

.......
(2) Arbeitnehmer in Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten.

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht für 6 Wochen.

Ein Tarifvertrag oder ein Arbeitsvertrag kann eine vom Gesetz abweichende Regelung treffen. Dabei müssen die Vereinbarungen für den Arbeitnehmer generell günstiger sein. Eine Schlechterstellung als die gesetzliche Grundlage ist ausgeschlossen.

Einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall haben nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz alle Arbeitnehmer und Auszubildende. Der Umfang der Beschäftigung spielt keine Rolle. Der Anspruch besteht damit auch für geringfügig Beschäftigte (450-Euro Jobs und kurzfristig Beschäftigte). Ausgenommen sind lediglich Heimarbeiter, Hausgewerbetreibende und ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer. Diese erhalten als Ausgleich aber vom Arbeitgeber einen Zuschlag zum Arbeitsentgelt. Auch in einem befristeten Arbeitsverhältnis besteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Zu beachten ist aber in jedem Arbeitsverhältnis die Wartezeit.

Ausführliche Informationen zur Lohnfortzahlung bei der Erkrankung eines Kindes bzw. zum Kinder-Krankengeld.

Entstehen des Anspruch - Wartezeit

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht erst, wenn das Arbeitsverhältnis vier Wochen ununterbrochen bestanden hat (§ 3 Abs. 3 EFZG).

.......
(3) Der Anspruch nach Absatz 1 entsteht nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses.

Durch einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung kann die Wartezeit von vier Wochen zugunsten des Arbeitnehmers verkürzt werden.

Die Wartezeit wird nicht auf die sechswöchige Anspruchsdauer der Entgeltfortzahlung angerechnet.

Erkrankt der Arbeitnehmer nach Beginn der Beschäftigung, aber vor Ablauf der vierwöchigen Wartefrist, so erhält er Krankengeld von der Krankenkasse bis zum Ablauf der Wartezeit.

Ist bereits zum Zeitpunkt der vereinbarten Arbeitsaufnahme die Arbeitsleistung wegen Arbeitsunfähigkeit nicht möglich, so beginnt die vierwöchige Wartezeit erst mit dem Tag der vereinbarten Arbeitsaufnahme. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht in diesen Fällen ab der fünften Woche der vereinbarten Arbeitsaufnahme. Voraussetzung ist, dass der Arbeitsvertrag vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgeschlossen wurde.

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung endet mit dem letzten Beschäftigungstag. Wenn ein Arbeitsverhältnis beispielsweise am 31.03. endet, wäre zu diesem Zeitpunkt auch eine mögliche Entgeltfortzahlung zu Ende. Dass die Krankschreibung über den 31.03. hinausgeht spielt keine Rolle. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich ob das Arbeitsverhältnis durch Befristung oder durch Kündigung endet.

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung setzt also das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus und endet folglich mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses.

Ausnahmen die nicht zum vorzeitigen Ende der sechswöchigen Anspruchsdauer führen (§ 8 EFZG):

  • Bei einer Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit muss der Arbeitgeber über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus das Arbeitsentgelt weiter bezahlen, wenn die Arbeitsunfähigkeit fortbesteht.
  • Wenn das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers wegen der Arbeitsunfähigkeit durch Aufhebungsvertrag endet, muss der Arbeitgeber über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus das Arbeitsentgelt weiter bezahlen, wenn die Arbeitsunfähigkeit fortbesteht.
  • Kündigt der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grund, der den Arbeitnehmer auch zur fristlosen Kündigung berechtigt hätte, besteht ebenfalls ein Anspruch auf Zahlung des Arbeitsentgelts bis zur Dauer von sechs Wochen.

Bei einem Arbeitgeberwechsel ist es unerheblich, ob der Arbeitnehmer bereits in seinem früheren Arbeitsverhältnis arbeitsunfähig war. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entsteht mit jedem neuen Arbeitsverhältnis. Er entsteht aber erst, nachdem das neue Arbeitsverhältnis vier Wochen ununterbrochen bestanden hat.

Lohnsteuerliche und sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Entgeltfortzahlung

Wird der Arbeitslohn fortgezahlt, so ist der fort gezahlte Arbeitslohn bei der Lohnsteuerberechnung und Beitragsberechnung wie laufender Arbeitslohn zu behandeln.

Wenn bei der Berechnung des Fortzahlungsanspruchs Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit berücksichtigt wurden, können diese nicht wie der gezahlte Zuschlag steuer- und beitragsfrei bleiben. Steuerfreiheit (in bestimmten Grenzen) kommt nur für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit in Betracht.

Begriff der Arbeitsunfähigkeit

Eine Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht fähig ist, seine zuletzt ausgeübte oder eine ähnlich geartete Beschäftigung auszuüben.

Die Arbeitsunfähigkeit muss dem Arbeitgeber unverzüglich mitgeteilt werden (§ 5 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz).

Entgeltfortzahlung wegen Krankheit kann nur beansprucht werden, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung ist. Fällt z. B. ein Streik in die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers von dem er auch betroffen wäre, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat den gesetzlichen Auftrag, in seiner Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (AU-RL) Bewertungsmaßstäbe für die Beurteilung von Arbeitsunfähigkeit zu konkretisieren (§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V).
§ 2 Abs. 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie:

Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn Versicherte auf Grund von Krankheit ihre zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen können. Bei der Beurteilung ist darauf abzustellen, welche Bedingungen die bisherige Tätigkeit konkret geprägt haben. Arbeitsunfähigkeit liegt auch vor, wenn auf Grund eines bestimmten Krankheitszustandes, der für sich allein noch keine Arbeitsunfähigkeit bedingt, absehbar ist, dass aus der Ausübung der Tätigkeit für die Gesundheit oder die Gesundung abträgliche Folgen erwachsen, die Arbeitsunfähigkeit unmittelbar hervorrufen.

Ein Anspruch auf Lohnfortzahlung (Entgeltfortzahlung) im Krankheitsfall besteht nur dann, wenn der Arbeitnehmer ausschließlich in Folge einer Krankheit arbeitsunfähig ist und wenn ihn hinsichtlich der Erkrankung kein Verschulden trifft.
Kein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht:

  • Wenn Arbeitnehmer gesund sind, aus Angst vor einer Ansteckung aber nicht am Arbeitsplatz erscheinen.
  • Wenn Arbeitnehmer aufgrund eines Kontaktes mit einer erkrankten Person behördlich unter Quarantäne gestellt wurden.
    In diesem Fall greift zum Schutz der Arbeitnehmer ein Entschädigungsanspruch, der im Infektionsschutzgesetz geregelt ist.

Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)

Es gilt § 5 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz:

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Ist der Arbeitnehmer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, muß die ärztliche Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten, daß der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird.

Damit darf der Arbeitgeber von seinen Mitarbeitern bereits am ersten Krankheitstag ein ärztliches Attest verlangen (außer im Arbeits- oder Tarifvertrag ist etwas anderes vereinbart). Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts bestätigt diese Rechtslage:

Eine Arbeitnehmerin stellte für den 30. November 2010 einen Dienstreiseantrag, dem ihr Vorgesetzter nicht entsprach. Am 30. November meldete sich die Arbeitnehmerin krank und erschien am Folgetag wieder zur Arbeit. Daraufhin forderte der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin auf, künftig schon am ersten Tag der Krankmeldung einen Arzt aufzusuchen und ein entsprechendes Attest vorzulegen.
Dagegen klagte die Arbeitnehmerin.
Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 14. September 2011 (3 Sa 597/11) die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos.

Das Bundesarbeitsgericht bestätigte damit die geltende Rechtslage (Urteil vom 14.11.2012 - 5 AZR 886/11). Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 78/12 des Bundesarbeitsgerichts:

Die Ausübung des dem Arbeitgeber von § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG eingeräumten Rechts steht im nicht gebundenen Ermessen des Arbeitgebers. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass gegen den Arbeitnehmer ein begründeter Verdacht besteht, er habe in der Vergangenheit eine Erkrankung nur vorgetäuscht. Eine tarifliche Regelung steht dem nur entgegen, wenn sie das Recht des Arbeitgebers aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG ausdrücklich ausschließt. Das war vorliegend nicht der Fall.

Folgen bei verspäteter Krankmeldung

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 19.01.2012, 10 Sa 593/11: Die Verletzung der Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit kann bei erschwerenden Umständen des Einzelfalls nach entsprechender Abmahnung nicht nur eine ordentliche, sondern auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg 13.07.2023, 10 Sa 625/23: Selbst wenn ein Arbeitnehmer wochenlang seine Anzeige- und/oder Nachweispflicht aus dem EntgFG verletzt haben sollte, handelt es sich hierbei um eine auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers beruhende Vertragspflichtverletzung, bei welcher grundsätzlich davon auszugehen ist, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus.

Digitalisierung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)
Da die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus einem Originaldokument mit mehreren Ausfertigungen besteht und sich zudem an verschiedene Empfänger richtet, hat der Gesetzgeber für die Umstellung mehrere Schritte vorgesehen.
1. Schritt ab 1. Oktober 2021: elektronischer Versand an die Krankenkassen
Das Terminservice- und Versorgungsgesetz hatte Vertragsärzte verpflichtet, die Daten der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem 1. Januar 2021 elektronisch an die Krankenkassen zu übermitteln. Die dafür notwendige Technik ist jedoch nicht rechtzeitig flächendeckend verfügbar. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat sich deshalb mit dem Bundesministerium für Gesundheit und den Krankenkassen auf eine Verschiebung des Pflichttermins auf den 1. Oktober 2021 geeinigt.
Bis zum 31.12.2022 wird neben der digitalen Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten an die Krankenkassen weiterhin eine Papierbescheinigung ausgestellt, die der Patient an seinen Arbeitgeber weiterleitet.
2. Schritt ab 31.12.2022 (ursprünglich ab 1. Juli 2022 geplant): elektronischer Versand an die Arbeitgeber
Der Termin für den Versand der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von den Krankenkassen an die Arbeitgeber war zunächst für den 1. Januar 2022 vorgesehen und wurde aufgrund von Verzögerungen der Technik auf den 1. Juli 2022 verschoben (Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung KdöR). Mit einem weiteren Gesetz wurde die Verlängerung der Pilotphase für das elektronische Abrufverfahren der Arbeitsunfähigkeitsdaten bis zum 31. Dezember 2022 verschoben.

Damit entfällt die Pflicht für Arbeitnehmer, die in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind, das ärztliche Attest dem Arbeitgeber in Papierform vorzulegen (§ 5 Abs. 1a EFZG).
Auch nach dem 1. Januar 2023 können erkrankte Personen auf Wunsch eine Papierbescheinigung ihrer Arbeitsunfähigkeit von ihrem Arzt erhalten. Diese ist aber nur für sie bestimmt.

Die Krankenkassen stellen die eAU-Daten spätestens am auf die Anfrage folgenden Werktag zum Abruf bereit. Auch bei geringfügig Beschäftigten ist eine eAU-Anfrage an die Krankenkasse möglich. Dazu muss der Arbeitgeber jedoch wissen, bei welcher Krankenkasse die Krankenversicherung durchgeführt wird.

Damit gilt ab dem 1. Januar 2023:

Arbeitnehmer die in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind Arbeitgeber
  • beim Arbeitgeber wie bisher krankmelden
  • Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt feststellen lassen
  • Krankmeldung des Arbeitnehmers entgegennehmen
  • Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Krankenkasse elektronisch abrufen

Mit den Änderungsanträgen zum Gesetzentwurf zur Verlängerung von Sonderregelungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie beim Kurzarbeitergeld und anderer Leistungen wurde die Pilotphase für den elektronischen Abruf von Arbeitsunfähigkeitsdaten bis zum 31. Dezember 2022 verlängert.
Auszug aus Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (Drucksache 20/734 vom 16.02.2022):

Bedingt durch die Auswirkungen der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelösten Pandemie hat sich die Einführung der elektronischen Übertragung der Daten zur Arbeitsunfähigkeit von den Ärzten an die Krankenkassen erheblich verzögert, so dass zum bisher vorgesehenen Endzeitpunkt der Pilotphase am 1. Juli 2022 nicht bei allen Vertragsärzten die technischen Voraussetzungen für die Datenübertragung an die Krankenkassen gegeben sind. Um sicherzustellen, dass das Abrufverfahren durch die Arbeitgeber, das auf die Meldungen durch die Ärzte an die Krankenkassen angewiesen ist, reibungslos erprobt werden kann, ohne dass technische Probleme ggf. arbeitsrechtlich negative Auswirkungen für die Arbeitnehmer haben, soll die Pilotphase für das elektronische Abrufverfahren der Arbeitsunfähigkeitsdaten deshalb um sechs Monate bis zum 31. Dezember 2022 verlängert werden.

Die Spitzenverbände der Sozialversicherung haben am 01.07.2022 ein Rundschreiben "Grundsätze für die Meldung der Arbeitsunfähigkeitszeiten im Rahmen des Datenaustausches" herausgegeben.

Folgende Personen nehmen nicht am eAU-Verfahren teil:

  • Privat krankenversicherte Arbeitnehmer erhalten weiterhin eine Bescheinigung in Papierform
  • Minijobber im Privathaushalt legen ihrem Arbeitgeber die vom Arzt ausgehändigte Papierbescheinigung vor
  • Ärzte, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, stellen keine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus

Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Der Beweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit wird in der Regel durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geführt.
Der Arbeitgeber kann den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur dadurch erschüttern, dass er tatsächliche Umstände darlegt und im Bestreitensfall beweist, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers ergeben.

Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit - Erschütterung des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

§ 275 Abs. 1a SGB V:

(1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen
  1. Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
  2. die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

Zweifel am Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung können auch aus der Bescheinigung selbst hervorgehen oder durch das Verhalten des Arbeitnehmers hervorgerufen werden.

Erschütterung des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. September 2021 (5 AZR 149/21)
Auszug aus der Pressemitteilung 25/21 des Bundesarbeitsgerichts vom 08.09.2021:

Kündigt ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis und wird er am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insbesondere dann erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst.

Damit kehrt sich bei berechtigten Zweifeln die Beweislast um. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer substantiiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war. Das Bundesarbeitsgericht hat die Klage der Arbeitnehmerin abgewiesen. Die Klägerin ist im Prozess ihrer Darlegungslast zum Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit nicht hinreichend konkret nachgekommen.

Entgeltfortzahlungsanspruch - Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - Erschütterung des Beweiswerts aufgrund der Gesamtumstände - Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 02.05.2023 (2 Sa 203/22)
Leitsatz:

Der Text eines Kündigungsschreibens einer Eigenkündigung in Verbindung mit einer bereits kurz vorher eingereichten Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin sowie die Würdigung der Gesamtumstände nach einer Zeugenaussage des behandelnden Arztes können den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern.

Orientierungssatz:

1. Der Arbeitgeber kann den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur dadurch erschüttern, dass er tatsächliche Umstände darlegt und im Bestreitensfall beweist, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers ergeben mit der Folge, dass der ärztlichen Bescheinigung kein Beweiswert mehr zukommt. Die den Beweiswert erschütternde Tatsachen können sich auch aus dem eigenen Sachvortrag des Arbeitnehmers oder aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung selbst ergeben.

2. Gelingt es dem Arbeitgeber, den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern, so tritt hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast wieder derselbe Zustand ein, wie er vor Vorlage der Bescheinigung bestand. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, konkrete Tatsachen darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, die den Schluss auf eine bestehende Erkrankung zulassen.

Erschütterung des Beweiswerts von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen - Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Dezember 2023 (5 AZR 137/23)
Auszug aus der Pressemitteilung 45/23 des Bundesarbeitsgerichts vom 13.12.2023:

Der Beweiswert von (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kann erschüttert sein, wenn der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung eine oder mehrere Folgebescheinigungen vorlegt, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen, und er unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnimmt.

Außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit - Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 08.07.2024 (15 SLa 127/24)
Eine Arbeitnehmerin reichte eine Krankschreibung ein, nachdem ihr der Arbeitgeber Urlaub verweigerte. In dieser Zeit nahm sie an einem Trainer-Lizenz-Lehrgang teil. Die fristlose Kündigung wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit war wirksam, entschied das Landesarbeitsgericht Niedersachsen.
Leitsatz:

  1. Eine Arbeitnehmerin kommt der sie treffenden sekundären Darlegungslast für das Bestehen einer Krankheit nicht durch Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach, wenn deren Beweisiwert erschüttert ist.
  2. Ist der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert, bedarf es weiteren Vortrags zu den tatsächlichen Umständen, die für das Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit sprechen.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

Zweifel an dem Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 05.07.2023 ergeben sich zunächst daraus, dass diese für einen Zeitraum ausgestellt worden ist, für den die Klägerin unstreitig zuvor Urlaub begehrt hat.

Die Klägerin hat nicht bestritten, dass es bereits zu Beginn des Schuldjahres im September 2022 ein Gespräch mit der Schulleiterin und dem zuständigen Fachdezernenten über die Möglichkeit, am 06.07.2023 Urlaub gegeben hat, in dem ihr gesagt worden ist, dass aus dienstlichen Notwendigkeiten Urlaub nicht gewährt werden kann. Sie hat ebenso nicht bestritten, dass sie im weiteren Verlauf mehrmals darauf bestanden hat, am 06.07.2023 Urlaub zu erhalten. Vor diesem Hintergrund mag zwar die Tatsache, dass ihr am 05.07.2023 Arbeitsunfähigkeit für den 06.07.2023 bescheinigt worden ist ein Zufall sein, dieses zeitliche Zusammentreffen begründet aber erste Zweifel an der Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Diese werden verstärkt durch die Tatsache, dass die Klägerin am 06.07.2023, wie von ihr beabsichtigt, an dem Lehrgang bei der Landesturnschule M. teilgenommen hat. Zwar verkennt die Kammer nicht, dass die Teilnahme an dem Lehrgang nicht notwendigerweise bedeutet, dass die Klägerin nicht arbeitsunfähig gewesen ist. Es ist denkbar, dass krankheitsbedingte Ursachen zur Arbeitsunfähigkeit geführt haben, die die Klägerin nicht gehindert haben, an dem Lehrgang teilzunehmen. Bereits hierzu hat sich die Klägerin aber nicht hinreichend erklärt. Sie hat zu der genauen Ursache ihrer Arbeitsunfähigkeit keine Angaben gemacht. Soweit sie in ihrer Stellungnahme und auch in den erstinstanzlichen Schriftsätzen angedeutet hat, sie sei wegen einer Magen-Darm-Grippe erkrankt gewesen, ist nicht sicher festzustellen, ob sie diesen Vortrag aufrechterhalten wollte. Im Weiteren hat sie vorgetragen, es habe sich um eine psychosomatische Erkrankung gehandelt. Ausgehend hiervon vermag die Kammer nicht festzustellen, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung trotz des unstreitigen Verhaltens der Klägerin weiterhin besteht.

Hinzukommt, dass davon ausgegangen werden muss, dass die Klägerin von Anfang an beabsichtigte, trotz ihrer bestehenden Arbeitsverpflichtung an dem Lehrgang an der Landesturnschule am 06.07.2023 teilzunehmen. Die Kammer geht davon aus, dass die Teilnahme an diesem Lehrgang nur nach vorheriger Anmeldung möglich ist. Daraus folgt, dass sich die Klägerin im Vorfeld zu diesem Lehrgang angemeldet und trotz der Verweigerung von Urlaub für diesen Tag durch die Beklagte nicht wieder abgemeldet hat. Dies ergibt sich daraus, dass die Klägerin zu der Frage, wann sie sich zum Lehrgang angemeldet hat trotz vorherigen schriftlichen Hinweises und ausdrücklicher Nachfrage im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 08.07.2024 keine Erklärung abgegeben hat.

Gründe gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG die Revision zuzulassen, bestehen nicht.

Verhalten während der Arbeitsunfähigkeit

Der erkrankte Arbeitnehmer muss alles unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte. Er muss sich also immer so verhalten, dass er möglichst bald wieder gesund wird. Krankheit ist aber kein Hausarrest. Ständige telefonische Erreichbarkeit in der Wohnung ist nicht notwendig. Nur wenn der Arzt eine strenge Bettruhe anordnet, muss sich der Kranke auch daran halten.

Freizeitaktivitäten während einer Arbeitsunfähigkeit
Bundesarbeitsgericht Urteil vom 02.03.2006 - 2 AZR 53/ 05
Auszug aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger hat durch den Skiurlaub während der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht schwer verletzt.
Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer muss sich so verhalten, dass er bald wieder gesund wird und an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann. Er hat alles zu unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte. Der erkrankte Arbeitnehmer hat insoweit auf die schützenswerten Interessen des Arbeitgebers, die sich ua. aus der Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung ergeben, Rücksicht zu nehmen. Eine schwerwiegende Verletzung dieser Rücksichtnahmepflicht kann nach der Rechtsprechung des BAG eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund an sich rechtfertigen (11. November 1965 - 2 AZR 69/ 65 - AP ArbKrankhG § 1 Nr. 40 = EzA ArbKrankhG § 1 Nr. 16; 13. November 1979 - 6 AZR 934/ 77 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 5 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 6; 26. August 1993 - 2 AZR 154/ 93 - BAGE 74, 127; ErfK-Müller-Glöge 6. Aufl. § 626 BGB Rn. 244; Stahlhacke/ Preis/ Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 712).

Damit ist die Verletzung der Pflicht zu gesundheitsförderndem Verhalten während einer Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich als Kündigungsgrund geeignet. Häufig ist jedoch vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich. Bei einem erheblichen Verstoß kann aber auch eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden.

Fristlose Kündigung wegen Nebentätigkeiten während des Lohnfortzahlungszeitraums
Bundesarbeitsgericht Urteil vom 26.08.1993 - 2 AZR 154/93
Leitsätze:

1. Ist ein Arbeitnehmer während einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit schichtweise einer Nebenbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber nachgegangen, so kann je nach den Umständen auch eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt sein.
2. Ist in derartigen Fällen der Beweiswert des ärztlichen Attestes erschüttert bzw. entkräftet, so hat der Arbeitnehmer konkret darzulegen, weshalb er krankheitsbedingt gefehlt hat und trotzdem der Nebenbeschäftigung nachgehen konnte.

Der Arbeitgeber kann bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit die Krankenkasse des Arbeitnehmers um eine Begutachtung beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) bitten.

Arbeiten trotz Krankschreibung

Eine Krankschreibung ist kein Arbeitsverbot. Es ist die Erlaubnis der Arbeit fernzubleiben, verpflichtet den Arbeitnehmer aber nicht, zu Hause zu bleiben.
Arbeitsverbote existieren aber für bestimmte Infektionskrankheiten. Unter bestimmten Bedingungen unterliegen auch einige Berufe einem Beschäftigungsverbot.

Arbeitnehmer, die trotz Krankschreibung ihre Arbeit aufnehmen, haben den üblichen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung und der Krankenversicherung.

Der Arbeitgeber ist im Rahmen seiner Fürsorgepflicht aber dafür verantwortlich, dass niemand am Arbeitsplatz seine Gesundheit ruiniert.

Selbstverschuldete Krankheit

Voraussetzung für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist, dass den Arbeitnehmer an seiner Arbeitsunfähigkeit kein Verschulden trifft. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung wird jedoch nur durch Vorsatz oder ein grobes Verschulden des Arbeitnehmers ausgeschlossen. Im § 3 EFZG steht dazu:

(1) Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen.
.........
(2) Als unverschuldete Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Absatzes 1 gilt auch eine Arbeitsverhinderung, die infolge einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft eintritt. Dasselbe gilt für einen Abbruch der Schwangerschaft, wenn die Schwangerschaft innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis durch einen Arzt abgebrochen wird, die schwangere Frau den Abbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nachgewiesen hat, dass sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff von einer anerkannten Beratungsstelle hat beraten lassen.

Hier kann man nur Beispiele aufzählen, weil es immer auf die Umstände des Einzelfalles ankommt (Rechtsprechung).

Beispiele für eine selbst verschuldete Arbeitsunfähigkeit:

  • Selbst verschuldete Verkehrsunfälle
    • Arbeitnehmer muss sich einen besonders groben Verstoß gegen die Verkehrsregeln vorhalten lassen
    • Fahren unter Alkoholeinfluss bzw. Drogeneinfluss
    • Einnahme von Medikamenten, die nach dem Beipackzettel die Reaktionsfähigkeit herabsetzen
    • Benutzung abgefahrener Reifen
    • Nichtanlegen des Sicherheitsgurts
    • Zu schnelles Fahren bei Dunkelheit, bei Regen, bei Glatteis oder bei dichtem Nebel
  • Bei Suchterkrankungen ist unter Umständen Selbstverschulden bei der Krankheit zu prüfen. Drogensucht, Alkoholismus, Alkoholabhängigkeit gelten nicht von vornherein als selbstverschuldet. Es müssen alle individuellen Hintergründe geprüft werden.
  • Grober Verstoß gegen die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft
  • Verletzungen bei einer besonders gefährlichen Nebentätigkeit
  • Verletzungen bei einer selbstprovozierten Schlägerei

Berechnung der Sechs-Wochen-Frist

Die Sechs-Wochen-Frist beginnt grundsätzlich mit dem Tag nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Tritt die Arbeitsunfähigkeit aber an einem Arbeitstag vor Beginn der Arbeit ein, zählt dieser Tag mit.

Wird der Arbeitnehmer hintereinander wegen verschiedener Krankheiten arbeitsunfähig, so besteht für jeden Krankheitsfall ein Anspruch auf bis zu sechs Wochen Entgeltfortzahlung. Dies gilt auch dann, wenn eine Erkrankung unmittelbar nach Abschluss einer ersten Erkrankung eintritt.

Wird der Arbeitnehmer nach wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit erneut krankheitsbedingt arbeitsunfähig, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, entsteht nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG grundsätzlich ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Krankheit beruht.

Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führt (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls).

Grundsatz von der Einheit des Verhinderungsfalles

Es handelt sich hier um einen vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Rechtsgrundsatz. Dieser ist vom Gesetzgeber bei mehrfachen Änderungen des Rechts der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht korrigiert worden. Danach knüpft die Sechs-Wochen-Frist nicht an die Krankheit sondern an die Arbeitsverhinderung an. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 25.05.2016 (5 AZR 318/15) diesen Grundsatz wieder bestätigt.

Der Anspruch eines Arbeiters auf Lohnfortzahlung ist auch dann auf sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit begrenzt, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls zur Arbeitsunfähigkeit führt. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer bei entsprechender Dauer der durch beide Erkrankungen verursachten Arbeitsverhinderung die Sechs-Wochen-Frist nur einmal in Anspruch nehmen (Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 12.09.1967 - 1 AZR 367/66 und Urteil vom 02.12.1981 - 5 AZR 89/80).

Zwei selbständige Verhinderungsfälle liegen damit nur vor, wenn ein Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich arbeitet oder wenn er zwischen den beiden Krankheiten zwar arbeitsfähig war, tatsächlich aber nicht arbeiten konnte, weil er nur für wenige, außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden arbeitsfähig war.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2019 (5 AZR 505/18): Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - Einheit des Verhinderungsfalls
Auszug aus der Pressemitteilung Nr. 45/19:

Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist auch dann auf die Dauer von sechs Wochen beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue, auf einem anderen Grundleiden beruhende Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls). Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits zu dem Zeitpunkt beendet war, zu dem die weitere Erkrankung zur Arbeitsunfähigkeit führte.
....
Ist der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig und schließt sich daran in engem zeitlichen Zusammenhang eine im Wege der "Erstbescheinigung" attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit an, hat der Arbeitnehmer im Streitfall darzulegen und zu beweisen, dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der weiteren Arbeitsverhinderung geendet hatte.

Beim Zusammentreffen einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation nach § 9 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz und einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz sind die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur Einheit des Verhinderungsfalls nicht anwendbar (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 10.09.2014 - 10 AZR 651/12).

Führt allerdings dieselbe Krankheit innerhalb von zwölf Monaten wiederholt zur Arbeitsunfähigkeit, so wird die bisherige Arbeitsunfähigkeit auf den Entgeltfortzahlungsanspruch angerechnet. Liegen zwischen zwei Arbeitsunfähigkeiten mindestens sechs Monate, so entsteht ein neuer Anspruch auf sechs Wochen Entgeltfortzahlung. Im § 3 Abs. 1 EFZG steht dazu:

(1) .......
Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Anspruch nach Satz 1 für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nicht, wenn
1. er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder
2. seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.

Sechs-Monats-Frist
Auszug aus dem AOK-Fachportal für Arbeitgeber:

Wird der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin wegen derselben Krankheit wiederholt arbeitsunfähig, erhält er oder sie während der erneuten Arbeitsunfähigkeit - ohne Anrechnung der früheren Bezugszeit - das Arbeitsentgelt möglicherweise für weitere sechs Wochen. Dies setzt voraus, dass er oder sie vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig war. Zwischenzeitliche Zeiten von Arbeitsunfähigkeit wegen anderer Krankheiten sind ohne Bedeutung und verändern die Sechs-Monats-Frist nicht.

Die Sechs-Monats-Frist ist eine rückwärtslaufende Frist. Sie beginnt mit dem Tag vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit. Sie endet sechs Monate vorher.

Zwölf-Monats-Frist
Auszug aus dem AOK-Fachportal für Arbeitgeber:

Ergibt sich nach Prüfung der Sechs-Monats-Frist, dass kein erneuter Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht, bleibt zusätzlich zu prüfen, ob möglicherweise doch ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch die Zwölf-Monats-Frist begründet wird. Es besteht nämlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen, wenn seit dem Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.

Die Zwölf-Monats-Frist ist eine vorwärtslaufende Frist. Sie startet mit dem Tag des Beginns der ersten Arbeitsunfähigkeit, wenn an diesem Tag keine Arbeitsleistung erbracht wurde, ansonsten mit dem Tag danach. Eine neue Zwölf-Monats-Frist beginnt mit der ersten Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit nach Ablauf der alten Zwölf-Monats-Frist.

Wird allerdings ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch die Sechs-Monats-Frist für die volle Dauer von sechs Wochen begründet, beginnt mit dieser Arbeitsunfähigkeit ebenfalls eine neue Zwölf-Monats-Frist. Dies gilt selbst dann, wenn die letzte Zwölf-Monats-Frist noch nicht abgelaufen ist.

Es ist immer zweckmäßig, zunächst die Sechs-Monats-Frist zu prüfen. Dann beginnt nämlich gegebenenfalls ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung und auch eine neue Zwölf-Monats-Frist. Es findet in diesem Fall keine Rückschau auf weiter zurückliegende Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit statt.

Da es sich bei allen 4 Zeiten der Arbeitsunfähigkeit um dieselbe Krankheit handelt, entsteht nicht in jedem Fall ein Anspruch auf Lohnfortzahlung. Bei der ersten Erkrankung besteht der gesetzliche Anspruch auf Lohnfortzahlung für 6 Wochen. Da zwischen der ersten und zweiten Erkrankung keine 6 Monate liegen, entsteht für die zweite Arbeitsunfähigkeit kein Anspruch auf Lohnfortzahlung. Bei der dritten Erkrankung zählt jetzt die 12-Monats-Frist. Seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit ist eine Frist von zwölf Monaten noch nicht abgelaufen. Die 6-Monats-Frist wird auch nicht eingehalten, da zwischen der zweiten und dritten Erkrankung nur zwei Monate liegen. Dass die zweite Arbeitsunfähigkeit ohne Lohnfortzahlung des Arbeitgebers ablief spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Für die vierte Arbeitsunfähigkeit besteht wieder ein Anspruch auf Lohnfortzahlung für mindestens 6 Wochen. Seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit ist eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen.

Darlegungslast bei Fortsetzungserkrankungen - Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.07.2005 (5 AZR 389/04)
Leitsatz:

Der Arbeitnehmer hat die anspruchsbegründenden Tatsachen eines Entgeltfortzahlungsanspruchs darzulegen und ggf. zu beweisen. Ist er innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, muss er darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliegt. Wird dies vom Arbeitgeber bestritten, obliegt dem Arbeitnehmer die Darlegung der Tatsachen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung vorgelegen. Der Arbeitnehmer hat dabei den Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Die objektive Beweislast für das Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung hat der Arbeitgeber zu tragen ... .

Darlegungslast bei Fortsetzungserkrankungen - Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Januar 2023 (5 AZR 93/22)
Leitsatz:

Die Abstufung der Darlegungslast beim Streit über das Vorliegen einer neuen Erkrankung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 EFZG, wonach der Arbeitnehmer Tatsachen vorzutragen hat, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung bestanden, begegnet weder unions- noch verfassungsrechtlichen Bedenken. Dem steht nicht entgegen, dass der hiernach erforderliche Vortrag im Regelfall mit der Offenlegung der einzelnen zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankungen im maßgeblichen Zeitraum verbunden ist.

Damit gilt:

  • Ist der Arbeitnehmer innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG länger als sechs Wochen an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert, gilt eine abgestufte Darlegungslast.
  • Zunächst muss der Arbeitnehmer - soweit sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dazu keine Angaben entnehmen lassen - darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung besteht. Hierzu kann er eine ärztliche Bescheinigung vorlegen.
  • Bestreitet der Arbeitgeber, dass eine neue Erkrankung vorliegt, hat der Arbeitnehmer Tatsachen vorzutragen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung bestanden. Der Arbeitnehmer muss die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Dies stellt zwar Eingriffe in das grundrechtlich geschützte Recht auf informelle Selbstbestimmung und in den Datenschutz dar, ist jedoch aus rechtlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt.
  • Auf das Bestreiten des Arbeitgebers genügt die bloße Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nicht mehr.
  • Soweit die abgestufte Darlegungs- und Beweislast bei Fortsetzungserkrankungen vom Arbeitnehmer die Offenlegung von Gesundheitsdaten verlangt, ist der damit verbundene Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG verhältnismäßig und damit gerechtfertigt.

Anrechenbare Vorerkrankungen: Wie Arbeitgeber die Prüfung beantragen (Quelle: Artikel auf https://www.tk.de/firmenkunden/service/fachthemen/ der Techniker Krankenkasse)

Möchte ein Arbeitgeber die Prüfung zur Anrechnung von Vorerkrankungen bei den Krankenkassen in Auftrag geben, nimmt er dies im Datenaustausch Entgeltersatzleistungen (DTA EEL) vor. Dafür übermittelt er neben den grundsätzlichen Identifikationsdaten den Zeitraum der aktuellen Arbeitsunfähigkeit (AU) und der zu prüfenden Vorerkrankungen an die Krankenkasse.

Aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen dürfen Krankenkassen Vorerkrankungsanfragen nur in elektronischer Form beantworten. Für die Anfrage können Arbeitgeber ein dafür zugelassenes Entgeltabrechnungsprogramm oder sv.net nutzen.

Ab 1. Januar 2023 gilt:

  • Die Krankenkasse meldet auf eine Vorerkrankungsanfrage durch den Arbeitgeber alle für die aktuelle Arbeitsunfähigkeit relevanten Vorerkrankungszeiten zurück.
  • Die Krankenkasse übermittelt dem Arbeitgeber auch den Beginn der maßgebenden 12-Monats-Frist für die aktuelle Arbeitsunfähigkeit.

Die Einschätzung der Krankenkasse an den Arbeitgeber bindet aber weder diesen noch die Gerichte. Die Mitteilung der Krankenkasse hat keinen mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vergleichbaren Beweiswert (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Januar 2023 - 5 AZR 93/22).
Damit gilt:

  • Die Mitteilung der Krankenkasse zum (Nicht-)Vorliegen von Fortsetzungserkrankungen ermöglicht keine dem Justizgewährungsanspruch genügende Kontrolle.
  • § 69 Abs. 4 Halbs. 1 SGB X erlaubt den Krankenkassen die Mitteilung ihrer Einschätzung an den Arbeitgeber, bindet aber weder diesen noch die Gerichte für Arbeitssachen.
  • Die Regelung wurde im Interesse des Arbeitgebers geschaffen, damit er ggf. schnell das Bestehen eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung feststellen kann.
  • Vor diesem Hintergrund hat die Mitteilung der Krankenkasse keinen mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vergleichbaren Beweiswert. Dies gilt gerade mit Blick darauf, dass die Krankenkassen wegen ihrer unmittelbar betroffenen finanziellen Interessen nicht als unparteiische Dritte angesehen werden können. Muss der Arbeitgeber wegen des Nichtbestehens einer Fortsetzungserkrankung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG Entgeltfortzahlung leisten, ist die Krankenkasse nicht zur Zahlung von Krankengeld verpflichtet.
  • Da der Arbeitgeber die Beurteilung der Krankenkasse nicht auf anderem Wege gerichtlich überprüfen lassen kann, ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren um Entgeltfortzahlung eine gerichtliche Kontrolle zu ermöglichen.

Krankengeld für Arbeitnehmer

Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn eine Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Die Regelungen zum Krankengeld finden sich in den §§ 44 bis 51 SGB V.

Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (am 23. Juli 2015 in seinen wesentlichen Teilen in Kraft getreten) brachte eine Neuregelung des Anspruchs auf Krankengeld.
Nach der alten Regelung entstand der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tag, der auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt, bei stationärer Behandlung ab deren Beginn.
Die neue Regelung des § 46 SGB V lautet:

Der Anspruch auf Krankengeld entsteht
  1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) von ihrem Beginn an,
  2. im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an.
Der Anspruch auf Krankengeld bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage. Für Versicherte, deren Mitgliedschaft nach § 192 Absatz 1 Nummer 2 vom Bestand des Anspruchs auf Krankengeld abhängig ist, bleibt der Anspruch auf Krankengeld auch dann bestehen, wenn die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit nicht am nächsten Werktag im Sinne von Satz 2, aber spätestens innerhalb eines Monats nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten sowie für Versicherte, die eine Wahlerklärung nach § 44 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 abgegeben haben, entsteht der Anspruch von der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an. Der Anspruch auf Krankengeld für die in Satz 3 genannten Versicherten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz entsteht bereits vor der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit zu dem von der Satzung bestimmten Zeitpunkt, spätestens jedoch mit Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit, wenn der Versicherte bei seiner Krankenkasse einen Tarif nach § 53 Abs. 6 gewählt hat.

Solange der Arbeitgeber Lohnfortzahlung zu erbringen hat, ruht der Anspruch auf Krankengeld. Nach Ablauf der Entgeltfortzahlung setzt die Krankengeldzahlung durch die Krankenkasse ein.

Die Höhe des kalendertäglichen Krankengeldes richtet sich nach dem regelmäßigen Einkommen des Arbeitnehmers. Das Krankengeld beträgt 70 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Jedoch höchstens 90 Prozent des Nettoentgelts (§ 47 SGB V).

Auszug aus dem Gemeinsamen Rundschreiben vom 03.12.2020 zum Krankengeld nach § 44 SGB V und zum Verletztengeld nach § 45 SGB VII:

3.3 Höchstregelentgelt

Das Regelentgelt wird bis zur Höhe der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs. 3 SGB V) berücksichtigt (Höchstregelentgelt; § 47 Abs. 6 SGB V). Maßgebend ist das jeweils am letzten Tag des Bemessungszeitraums geltende Höchstregelentgelt. Soweit das Regelentgelt das Höchstregelentgelt übersteigt, bleibt es außer Ansatz.

Reicht - beispielsweise bei wöchentlicher Abrechnung - der Bemessungszeitraum in das neue Jahr hinein, ist die Beitragsbemessungsgrenze des neuen Jahres für die Begrenzung des Regelentgelts maßgebend.

Jahr monatliche Beitrags­bemessungs­grenze Kranken- und Pflege­versicherung kalender­tägliches Höchst­regel­entgelt (monatliche Beitrags­bemessungs­grenze / 30 Tage) kalender­tägliches Höchst­kranken­geld (70% des Höchst­regel­entgelts)
2014 4.050,00 € 135,00 € 94,50 €
2015 4.125,00 € 137,50 € 96,25 €
2016 4.237,50 € 141,25 € 98,88 €
2017 4.350,00 € 145,00 € 101,50 €
2018 4.425,00 € 147,50 € 103,25 €
2019 4.537,50 € 151,25 € 105,88 €
2020 4.687,50 € 156,25 € 109,38 €
2021 4.837,50 € 161,25 € 112,88 €
2022 4.837,50 € 161,25 € 112,88 €
2023 4.987,50 € 166,25 € 116,38 €
2024 5.175,00 € 172,50 € 120,75 €
2025 (geplant) 5.512,50 € 183,75 € 128,63 €

Sozialversicherungsbeiträge

In der Krankenversicherung fallen während der Zeit des Bezugs von Krankengeld keine Beiträge an (weder für Arbeitgeber noch für Arbeitnehmer). Der Empfänger von Krankengeld ist damit beitragsfrei krankenversichert.

In der Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung zahlt der Arbeitnehmer von seinem Krankengeld seine Arbeitnehmeranteile (wie von seinem Lohn bzw. Gehalt). Die Arbeitgeberanteile zahlt die Krankenkasse.

Dauer des Krankengeldes

Die Dauer des Krankengeldes ist in § 48 SGB V geregelt:

(1) Versicherte erhalten Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert.
....

Die Krankengeldzahlung der gesetzlichen Krankenversicherung ist damit auf maximal 78 Wochen für die gleiche Krankheit innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren begrenzt. In diesem Zeitraum ist die normalerweise greifende gesetzliche Lohnfortzahlung von sechs Wochen bereits enthalten. Diese sechs Wochen werden durch die Krankenkasse von den 78 Wochen Krankengeld abgezogen, so dass Arbeitnehmer in der Regel 72 Wochen lang Krankengeld erhalten.

Das Auslaufen der Zahlung von Krankengeld durch die Krankenkasse bezeichnet man als Aussteuerung. Der Betroffene kann dann beispielsweise die Zahlung von Arbeitslosengeld oder Bürgergeld (früher Arbeitslosengeld II) beantragen.

Die "Gemeinsame Verlautbarung zum Fortbestand des Versicherungsverhältnisses bei Arbeitsunterbrechungen ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt" enthält unter dem Punkt Meldungen folgendes:

In den Fällen der Arbeitsunterbrechung ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt nach § 7 Abs. 3 Satz 3 SGB IV (z. B. Krankengeldbezug) fallen keine Meldungen an, wenn die Arbeitsunterbrechung weniger als einen Kalendermonat dauert. Wird die Beschäftigung in den Fällen des § 7 Abs. 3 Satz 3 SGB IV mindestens einen Kalendermonat unterbrochen, ist nach § 9 Abs. 1 Satz 1 DEÜV für den Zeitraum bis zum Wegfall des Arbeitsentgeltanspruchs innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf des ersten Kalendermonats eine Unterbrechungsmeldung zu erstatten. Endet die Beschäftigung während einer solchen Unterbrechung, ist außerdem innerhalb von sechs Wochen nach ihrem Ende gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 DEÜV eine Abmeldung vorzunehmen.

Die Arbeitgeber müssen damit zum Ende des Krankengeldbezugs die Abmeldung des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses vornehmen (Abgabegrund 30: Ende der Beschäftigung).

Krankengeldanspruch
Bundessozialgericht Urteil vom 30.11.2023, B 3 KR 23/22 R
Krankenversicherung - Krankengeldanspruch - kein Ruhen bei fehlender elektronischer Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten durch den Vertragsarzt - gesetzlich begründete Pflicht seit 1.1.2021
Leitsätze:

Der Anspruch des Versicherten auf Krankengeld ruht nicht, wenn durch den Vertragsarzt entgegen seiner seit 1.1.2021 gesetzlich begründeten Pflicht die unmittelbar elektronische Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten an die Krankenkasse nicht erfolgt.

Auszug aus den Entscheidungsgründen:

Bei einem Scheitern der Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten im elektronischen Verfahren bleibt danach ab 1.1.2021 der Vertragsarzt zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit an die Krankenkasse verpflichtet. Dem Versicherten ist diese möglich, obliegt ihm aber nicht. Eine Obliegenheit des Versicherten nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V besteht seither nur noch für die Meldung von Arbeitsunfähigkeitsfeststellungen durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte und Einrichtungen (zB Privatärzte und Rehabilitationseinrichtungen), soweit nicht auch für diese eine Übermittlungspflicht begründet ist (zB Krankenhäuser nach § 39 Abs 1a Satz 8 SGB V).

Höhe der Entgeltfortzahlung

Während der Entgeltfortzahlung wird das Entgelt weitergezahlt, das der Arbeitnehmer ohne die Arbeitsunfähigkeit bekommen hätte. Tariferhöhungen oder Arbeitszeitverkürzungen wirken sich also auf die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aus. Es gilt damit das Lohnausfallprinzip (aktuelle, gegenwartsbezogene Betrachtungsweise). In Tarifverträgen wird aber häufig als Berechnungsgrundlage für die Lohnfortzahlung der Durchschnittsverdienst festgelegt. Wenn der Stundenlohn erhöht wird, müssen die Durchschnittswerte korrigiert werden. Es müssen also die Stunden des Durchschnittszeitraums mit dem anderen Stundenlohn neu bewertet werden. Zum fort zuzahlenden Entgelt gehören auch Gefahren-, Erschwernis-, Nacht-, Sonntags- oder Feiertagszuschläge sowie zusätzlich zum Arbeitslohn vom Arbeitgeber gewährte vermögenswirksame Leistungen.
Wenn ein Arbeitnehmer an einem Sonntag oder einem Feiertag hätte arbeiten müssen, wegen Krankheit aber ausfällt, dann muss die Lohnfortzahlung einen vereinbarten (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag) Sonntags- bzw. Feiertagszuschlag enthalten. Einen gesetzlichen Anspruch auf Lohnzuschlag für Sonn- und Feiertagsarbeit gibt es aber nicht. Wenn die anderen Arbeitnehmer ihn bekommen, muss ihn auch der kranke Arbeitnehmer als Lohnfortzahlung bekommen.
Dazu gibt es ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14.01.2009 - 5 AZR 89/08.
Auszug aus den Entscheidungsgründen:

Das Entgeltausfallprinzip erhält dem Arbeitnehmer grundsätzlich die volle Vergütung einschließlich etwaiger Zuschläge. Lediglich Leistungen, die nicht an die Erbringung der Arbeitsleistung in einem bestimmten Zeitabschnitt gekoppelt sind, sondern hiervon unabhängig aus besonderem Anlass gezahlt werden, bleiben unberücksichtigt.
Die Entgeltfortzahlung für wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ausgefallene Feiertagsarbeit schließt die entsprechenden Zuschläge mit ein, gleiches gilt für Sonntagszuschläge. Diese Zuschläge sind zusätzliche Gegenleistung für die an Sonn- und Feiertagen zu leistende besonders lästige bzw. belastende Arbeit. Als Entgelt rechnen diese Zuschläge nicht zum Aufwendungsersatz iSv. § 4 Abs. 1a Satz 1 EFZG, der im Krankheitsfall nicht geschuldet ist.

Keine Berücksichtigung bei der Lohnfortzahlung finden:

  • Überstundenvergütungen und Überstundenzuschläge
  • Auslagenersatz
  • Auslösungen
  • Fahrkostenzuschüsse
  • Schmutzzulagen

Im § 4 Abs. 1a EFZG steht dazu:

(1a) Zum Arbeitsentgelt nach Absatz 1 gehören nicht das zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt und Leistungen für Aufwendungen des Arbeitnehmers, soweit der Anspruch auf sie im Falle der Arbeitsfähigkeit davon abhängig ist, dass dem Arbeitnehmer entsprechende Aufwendungen tatsächlich entstanden sind, und dem Arbeitnehmer solche Aufwendungen während der Arbeitsunfähigkeit nicht entstehen. ....

Im Zusammenhang mit dem § 4 Abs. 1 EFZG gab es hier in der Vergangenheit Probleme. Dort steht:

(1) Für den in § 3 Abs. 1 oder in § 3a Absatz 1 bezeichneten Zeitraum ist dem Arbeitnehmer das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen.

Probleme gab es bei der Definition von Überstunden bzw. der Festlegung der maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit.

  • Gemäß § 4 Abs. 1 a Entgeltfortzahlungsgesetz sind weder Entgelt noch Zuschläge für geleistete Überstunden bei der Entgeltfortzahlung zu berücksichtigen.
  • Die Gesetzesvorschrift umfasst ihrem Wortlaut nach auch wiederholt geleistete Überstunden.
  • Überstunden im Sinne des § 4 Abs. 1 a Entgeltfortzahlungsgesetz liegen aber nur vor, wenn diese wegen bestimmter besonderer Umstände vorübergehend zusätzlich geleistet werden.

Zu diesem Sachverhalt gibt es ein Grundsatzurteil vom Bundesarbeitsgericht in Erfurt (BAG, 21.11.2001 - 5 AZR 457/00). Danach müssen bei der Lohnfortzahlung regelmäßige Überstunden berücksichtigt werden.

  • Arbeitet ein Arbeitnehmer mit einer gewissen Regelmäßigkeit über die tarifliche oder betriebsübliche Arbeitszeit hinaus, ist die individuelle regelmäßige Arbeitszeit nach dem Durchschnitt eines Referenzzeitraums von 12 Monaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zu bestimmen.
  • Wenn das Arbeitsverhältnis bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit weniger als 12 Monate bestanden hat, ist der gesamte Zeitraum maßgebend.
  • Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass in diesem Zeitraum Überstunden geleistet wurden, die zu einer Minderung der durchschnittlichen maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit führen.

Wenn im Unternehmen Kurzarbeit eingeführt wird, wirkt sich die Arbeitszeitverkürzung auch auf die Lohnfortzahlung aus. Im § 4 Abs. 3 EFZG steht dazu:

(3) Wird in dem Betrieb verkürzt gearbeitet und würde deshalb das Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers im Falle seiner Arbeitsfähigkeit gemindert, so ist die verkürzte Arbeitszeit für ihre Dauer als die für den Arbeitnehmer maßgebende regelmäßige Arbeitszeit im Sinne des Absatzes 1 anzusehen. Dies gilt nicht im Falle des § 2 Abs. 2.

§ 2 EFZG:

(1) Für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte.
(2) Die Arbeitszeit, die an einem gesetzlichen Feiertag gleichzeitig infolge von Kurzarbeit ausfällt und für die an anderen Tagen als an gesetzlichen Feiertagen Kurzarbeitergeld geleistet wird, gilt als infolge eines gesetzlichen Feiertages nach Absatz 1 ausgefallen.
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Ausführliche Informationen zum Thema Kurzarbeitergeld und Krankheit des Arbeitnehmers.

Bei Gehaltsempfängern wird das Gehalt während des Entgeltfortzahlungsanspruchs weitergezahlt.

Sonderfälle - Zusammentreffen von Krankheit und anderen Tatbeständen

Wenn während des Urlaubs ein Krankheitsfall auftritt, so werden die Krankheitstage nicht auf die Urlaubstage angerechnet. Es besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Wenn im Zeitraum der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ein gesetzlicher Feiertag liegt, so wird das Arbeitsentgelt wegen der Erkrankung weitergezahlt. Die Höhe des Entgelts richtet sich aber nach der Feiertagsregelung. Der Anspruch auf sechs Wochen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verlängert sich aber durch Feiertage die in diesem Zeitraum liegen nicht.

Erläuterung von Besonderheiten bei der Zahlung von Kurzarbeitergeld und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Während der Elternzeit besteht kein Anspruch auf Arbeitsentgelt, da das Arbeitsverhältnis ruht. Damit muss im Krankheitsfall auch keine Entgeltfortzahlung geleistet werden. Wenn während der Elternzeit eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt wird, besteht für diese Beschäftigung im Krankheitsfall aber ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Lange andauernde Erkrankung und Urlaubsanspruch

Eine lange andauernde Erkrankung eines Arbeitnehmers ändert nichts am Entstehen des Urlaubsanspruchs. Wenn ein Arbeitnehmer das gesamte Kalenderjahr krank geschrieben ist, hat er Anspruch auf den vollen Jahresurlaub. Dieser Urlaubsanspruch muss dann auf das erste Quartal des Folgejahres übertragen werden (§ 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz).

Nach der alten Rechtslage verfiel der übertragene Urlaub, wenn der Arbeitnehmer bis über den 31.03. des Folgejahres krank war und den Urlaub deshalb im Übertragungszeitraum nicht nehmen konnte.

Der Europäische Gerichtshof hat am 20.01.2009 entschieden, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub trotz langer Krankheit bestehen bleibt. Die Urlaubsansprüche erkrankter Arbeitnehmer verfallen nicht mehr automatisch zum Ende des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums. Vorbehaltlich einer tarifvertraglich vorgesehenen Abweichung zugunsten des Arbeitnehmers beträgt der Übertragungszeitraum drei Monate. Damit muss dieser Urlaub entweder gewährt werden (bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses) oder finanziell abgegolten werden.

Die Richter des Bundesarbeitsgerichts (BAG) haben sich dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs angeschlossen und damit ihre bisherige Rechtsprechung gekippt. Dabei begrenzte das BAG den Schutz aber auf den gesetzlichen Mindesturlaub von jährlich 24 Werktagen.

Zu diesem Sachverhalt gibt es ein weiteres Urteil vom Bundesarbeitsgericht in Erfurt (BAG, 23.03.2010 - 9 AZR 128/09). Danach besteht der Anspruch auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs bei Arbeitsunfähigkeit ebenso wie der Anspruch auf Abgeltung des Mindesturlaubs weiter. Die Tarifvertragsparteien können dagegen bestimmen, dass der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende tarifliche Urlaubsabgeltungsanspruch erlischt, wenn der Urlaubsanspruch wegen der Krankheit des Arbeitnehmers nicht erfüllt werden kann.

Wenn der Arbeitnehmer wieder gesund ist, muss er die angesammelten Urlaubsansprüche im laufenden Kalenderjahr nehmen, um den Verfall zu verhindern (BAG, 09.08.2011 - 9 AZR 425/10).

Am 22.11.2011 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Urlaubsansprüche langzeiterkrankter Arbeitnehmer auf 15 Monate begrenzt werden können. Nach Ansicht der Richter ist ein gesetzlich oder tarifvertraglich geregelter Übertragungszeitraum von 15 Monaten nach Ablauf eines Kalenderjahres zulässig.

Offen war nach dem Urteil noch die Frage, ob auch ein in einem individuellen Arbeitsvertrag geregelter Übertragungszeitraum von 15 Monaten zulässig ist. Weiterhin unklar war, ob der Gesetzgeber noch eine entsprechende Norm erlassen muss oder die Obergrenze von 15 Monaten ab sofort gilt.
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat am 21.12.2011 mit dem Urteil 10 Sa 19/11 weitere Klarheit geschaffen. Nach Ansicht der Richter gehen Urlaubsansprüche bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres unter und sind bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abzugelten.

Ausführliche Informationen zu Erkrankung und Urlaubsanspruch

Lange andauernde Erkrankung und betriebliches Eingliederungsmanagement

Die Unternehmen müssen sich für die Gesunderhaltung aller Mitarbeiter engagieren, die länger oder häufiger krank sind und deswegen am Arbeitsplatz mehr als 6 Wochen innerhalb eines Jahres fehlen. Es ist die Interessenvertretung der Mitarbeiter (Betriebsrat bzw. im öffentlichen Dienst der Personalrat) mit einzubeziehen. Bei schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten ist auch die Schwerbehindertenvertretung mit einzubeziehen (§ 167 Abs. 2 SGB IX).
Ein Betriebliches Eingliederungsmanagement kann nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers erfolgen. Die Teilnahme ist damit für den Arbeitnehmer freiwillig.
Davon zu unterscheiden ist das Krankenrückkehrgespräch. Ein Krankenrückkehrgespräch erfolgt auf Wunsch des Arbeitgebers nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz. Die Teilnahme ist für den Arbeitnehmer verpflichtend.
Ausführliche Informationen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement

Kündigung wegen Krankheit

Wenn das Kündigungsschutzgesetz gilt (in der Regel in Betrieben mit mehr als 10 Arbeitnehmern) bedarf eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber einer sozialen Rechtfertigung. Bei den Kündigungsgründen wird zwischen personenbedingten, verhaltensbedingten, und betriebsbedingten Gründen unterschieden. Die Kündigung wegen Krankheit des Arbeitnehmers gehört zu den personenbedingten Gründen.

Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung von Kündigungen, die aus Anlass von Krankheiten ausgesprochen werden, ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in drei Stufen vorzunehmen (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 30.9.2010, 2 AZR 88/09).

  1. Die Kündigung ist im Falle lang anhaltender Krankheit sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG), wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt (negative Gesundheitsprognose - erste Stufe).
  2. Es ist eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen (zweite Stufe).
  3. Eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (dritte Stufe).

Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen.

Bundesarbeitsgericht Urteil vom 30.9.2010, 2 AZR 88/09
Auszug aus den Entscheidungsgründen:

Eine Kündigung ist entsprechend dem das ganze Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie durch andere Mittel vermieden werden kann, dh., wenn sie zur Beseitigung der betrieblichen Beeinträchtigungen bzw. der eingetretenen Vertragsstörung nicht erforderlich ist. Dabei kommt bei einer krankheitsbedingten Kündigung nicht nur eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen, freien Arbeitsplatz in Betracht. Der Arbeitgeber hat vielmehr alle gleichwertigen, leidensgerechten Arbeitsplätze, auf denen der betroffene Arbeitnehmer unter Wahrnehmung des Direktionsrechts einsetzbar wäre, in Betracht zu ziehen und ggf. "freizumachen".
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Nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die die Kündigung bedingen. Dazu gehört auch die Darlegung des Fehlens - alternativer - Beschäftigungsmöglichkeiten.

Vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung muss in aller Regel ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt werden.

Erstattung von Entgeltfortzahlungen - Umlageverfahren U1

Kleinbetriebe (Arbeitgeber mit bis zu 30 Arbeitnehmern) müssen am Umlageverfahren U1 (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) teilnehmen. Durch die Zahlung eines Beitrages erhalten die Arbeitgeber im Krankheitsfall eines Arbeitnehmers einen bestimmten Prozentsatz der Lohnfortzahlung von der Krankenkasse erstattet. Die Krankenkassen haben in der Regel Wahltarife (höhere Umlage = höhere Erstattung). Eine Erstattung zu 100% gibt es aber nicht.

Kürzung von Sondervergütungen wegen Krankheit

Die Zulässigkeit der Kürzung von Sonderzahlungen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, ...) wegen Krankheit ist gesetzlich geregelt. Im § 4a EFZG steht dazu:

Eine Vereinbarung über die Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt (Sondervergütungen), ist auch für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zulässig. Die Kürzung darf für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten.

Es muss also eine Vereinbarung (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag) zur Kürzung geben. Nicht geregelt wurde im Gesetz, auf welcher Grundlage der Jahresdurchschnitt zu berechnen ist. Deshalb sollte das in der Vereinbarung ebenfalls geklärt werden.

Beispiel:

Ein Arbeitnehmer mit einem Gehalt von 2.600 € erhält ein Weihnachtsgeld von 1.000 €. Der Jahresverdienst ohne das Weihnachtsgeld beträgt 31.200 € (12 * 2.600 €).
Das Bruttoentgelt ist durch die Zahl der Jahresarbeitstage (einschließlich Urlaubstage) zu teilen. Bei einer 5-Tage-Woche sollen in dem Jahr 260 Arbeitstage anfallen.
Damit entfallen auf einen Arbeitstag 120 € (31.200 € / 260 Arbeitstage)
Die Kürzung darf für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit 30 € betragen (25% von 120 €)

Wenn der Arbeitnehmer 20 Arbeitstage im Jahr arbeitsunfähig wegen Krankheit ist, so kann die Kürzung maximal 600 € betragen (30 € * 20).

Bei einer Arbeitsunfähigkeit von 34 Arbeitstagen im Jahr, muss der Arbeitgeber in unserem Beispiel überhaupt kein Weihnachtsgeld zahlen (30 € * 34 = 1.020 €).

Lohnfortzahlungsbetrug

Der Lohnfortzahlungsbetrug ist ein häufig auftretendes Problem mit dem sich Unternehmen aus allen Branchen auseinandersetzen müssen.

Lohnfortzahlungsbetrug stellt einen Straftatbestand dar, der die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB ermöglicht.

Arbeitgeber sollten bei einem verdächtigen Mitarbeiter eine auf Lohnfortzahlungsbetrug spezialisierte Detektei noch am ersten Krankheitstag einschalten. Von dieser Maßnahme sollten so wenig Personen wie möglich wissen.

Geschichte der Entgeltfortzahlung

Im Jahr 1931 wurde die Gehaltsfortzahlung in Höhe von 100% durch den Arbeitgeber bei Krankheit eines Angestellten zwingend vorgeschrieben. Damit konnte sie vom Arbeitgeber oder in Tarifverträgen nicht mehr eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

Im Jahr 1957 wurde auch für Arbeiter eine gesetzlich zwingende Lohnfortzahlung im Krankheitsfall vorgesehen (keine 100%).

Die volle und zwingende Lohnfortzahlung bei Krankheit in Höhe von 100% durch den Arbeitgeber gibt es für Arbeiter erst mit dem Gesetz vom 27.07.1969.

Erst mit dem Entgeltfortzahlungsgesetz vom 01.06.1994 wurde die Lohnfortzahlung bei Krankheit auf eine einheitliche Basis gestellt.

Die gesetzlichen Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung wurden mit Wirkung vom 01.10.1996 in wesentlichen Punkten geändert. Die Höhe der Entgeltfortzahlung wurde auf 80% des Arbeitsentgelts abgesenkt. Krankheitstage und Kuren wurden auf den Urlaub angerechnet.

Das Entgeltfortzahlungsgesetz wurde ab 01.01.1999 erneut wesentlich geändert. Der Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht wieder in Höhe von 100%. Die Anrechnung von Krankheitstagen sowie von Fehltagen wegen einer Kur auf den Jahresurlaub ist entfallen.


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