Flexible Arbeitszeitmodelle im Überblick

Um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können, fragen immer mehr Fachkräfte schon bei der Bewerbung nach flexiblen Arbeitszeitmodellen im Unternehmen.
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, Arbeitszeiten flexibel zu gestalten.

Seit 01.01.2009 können auch versicherungsfreie geringfügig entlohnte Beschäftigte Wertguthaben aufbauen. Soll bei einem Stundenlohn und schwankender Arbeitszeit lediglich die Zahlung eines verstetigten Arbeitsentgelts erreicht werden, ist dies auch über eine sonstige flexible Arbeitszeitregelung möglich.

Jahresarbeitszeit In Zeitkonten können Zeitguthaben und Zeitdefizite in einem fest gelegten Umfang gebildet werden. Die Mehrzahl der Regelungen sieht Grenzwerte vor, die bei Plus- oder Minusstunden nicht überschritten werden dürfen. Die Information der Beschäftigten über den Kontostand erfolgt in der Regel monatlich.
Langzeitkonto Das Langzeitkonto dient der Anpassung der Arbeitszeit an Schwankungen im Arbeitsanfall über mehr als ein Jahr. Es kann sich über das gesamte Arbeitsleben ausdehnen (Lebensarbeitszeitkonto).
Variable Arbeitszeiten Auf der Grundlage einer bestimmten, individuell vereinbarten monatlichen oder jährlichen Sollarbeitszeit werden Dauer und Lage der Arbeitszeit festgelegt. Der Einsatz erfolgt z. B. in Wechselschichtsystemen.
Gleitende Arbeitszeit Bis auf eine Kernzeit, in der alle Mitarbeiter anwesend sein müssen, können Beginn und Ende der Arbeitszeit selbst festgelegt werden. Für die Verteilung der Arbeitsstunden gibt es jedoch häufig einen Rahmen (ab einer gewissen Uhrzeit morgens bis zu einer bestimmten Uhrzeit abends).
Teilzeit Wenn die regelmäßige Wochenarbeitszeit weniger Stunden als die Regelarbeitszeit der vergleichbaren Vollzeitkräfte beträgt, handelt es sich um Teilzeitarbeit. Die Verteilung der Arbeitszeit kann in sehr flexiblen Formen erfolgen.
Eine besonders abartige Form ist die "Arbeit auf Abruf".
Altersteilzeit Die Möglichkeit zur Altersteilzeit eröffnet sich Arbeitnehmern/-innen, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeit mindestens 1.080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gestanden haben. Diese besondere Form der Teilzeit soll den gleitenden Übergang in den Ruhestand fördern.
Die Förderleistungen der Agentur für Arbeit an den Arbeitgeber setzen die Wiederbesetzung des freigemachten Arbeitsplatzes voraus und können für einen Zeitraum von bis sechs Jahren gewährt werden. Förderleistungen können für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 nur noch erbracht werden, wenn die Altersteilzeit vor diesem Zeitpunkt begonnen hat.
Auch nach diesem Datum kann Altersteilzeit vereinbart werden. Diese kann jedoch nicht mehr von der Arbeitsagentur gefördert werden.
Job-Sharing (Arbeitsplatzteilung) Die Arbeitsplatzteilung ist ein Arbeitszeitmodell, welches auf Teilzeitarbeit basiert. Zwei oder mehr Arbeitnehmer teilen einen Arbeitsplatz unter sich auf. Die Arbeitnehmer bestimmen dabei die Lage und Verteilung der individuellen Arbeitszeit zum größten Teil in gegenseitiger Absprache.
Kurzarbeit Wenn in Betrieben oder Betriebsabteilungen die regelmäßige betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit infolge wirtschaftlicher Ursachen oder eines unabwendbaren Ereignisses vorübergehend verkürzt wird, kann der Arbeitgeber Kurzarbeitergeld beantragen.
zeitautonome Arbeitsgruppe Besondere Form der gleitenden Arbeitszeit. Ein Arbeitsteam regelt in eigener Kompetenz, wie langer jeder Einzelne arbeitet und wie die Arbeitszeit verteilt wird. Der Kompetenzumfang kann bis zur Urlaubsplanung und der Arbeitszeitverteilung im Jahresverlauf reichen.
Vertrauensarbeitszeit Die Arbeitnehmer können im Rahmen eines festgelegten Zeitkorridors die Lage und Verteilung ihrer Arbeitszeit selbst bestimmen. Der Arbeitgeber verzichtet auf die Erfassung und die Kontrolle der Arbeitszeit. Die Leistungsbeurteilung erfolgt anhand des Arbeitsergebnisses.
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 14.05.2019 (C-55/18) und dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13.09.2022 (1 ABR 22/21) ist das Konzept der Vertrauensarbeitszeit in der alten Form nicht mehr möglich.
Vertrauensarbeitszeit sowie Homeoffice und mobiles Arbeiten wird nur möglich sein, wenn die Arbeitszeiten entsprechend dokumentiert werden.

Mit einem Katalog von Maßnahmen lassen sich Umsatzeinbrüche kostengünstig abfedern.

Der § 2 Abs. 2 des Mindestlohngesetzes bestimmt Besonderheiten für Arbeitszeitkonten. Wenn die Stundenlöhne nicht erheblich über dem Mindestlohn liegen, müssen die Zeitkontenstände der Arbeitnehmer regelmäßig überprüft werden, damit der Mindestlohn trotz Mehrarbeit gewährt wird.

In der Broschüre "Flexible Arbeitszeitmodelle" der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin werden sechzehn flexible Arbeitszeitmodelle ausführlicher vorgestellt.


Im Koalitionsvertrag 2021 - 2025 von SPD, GRÜNEN und FDP werden Aussagen zu flexiblen Arbeitszeitmodellen sowie Arbeitszeit und Arbeitsort getroffen.
Auszug:

Um auf die Veränderungen in der Arbeitswelt zu reagieren und die Wünsche von Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmern und Unternehmen nach einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung aufzugreifen, wollen wir Gewerkschaften und Arbeitgeber dabei unterstützen, flexible Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen. Wir halten am Grundsatz des 8-Stunden-Tages im Arbeitszeitgesetz fest. Im Rahmen einer im Jahre 2022 zu treffenden, befristeten Regelung mit Evaluationsklausel werden wir es ermöglichen, dass im Rahmen von Tarifverträgen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen und in einzuhaltenden Fristen ihre Arbeitszeit flexibler gestalten können. Außerdem wollen wir eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit schaffen, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, auf Grund von Tarifverträgen, dies vorsehen (Experimentierräume). Im Dialog mit den Sozialpartnern prüfen wir, welchen Anpassungsbedarf wir angesichts der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Arbeitszeitrecht sehen. Dabei müssen flexible Arbeitszeitmodelle (z. B. Vertrauensarbeitszeit) weiterhin möglich sein.

Arbeitszeiten in Deutschland - Entwicklungstendenzen und Herausforderungen für eine moderne Arbeitszeitpolitik

Auszug aus dem WSI-Report der Hans-Böckler-Stiftung (Nr. 19 November 2014):

Die Arbeitszeit ist in den beiden letzten Jahrzehnten kürzer, heterogener und flexibler geworden. Von einem einheitlichen Arbeitszeitmuster kann längst nicht mehr die Rede sein. Die Entwicklung zeigt sich auch in der tariflichen Arbeitszeitpolitik: Die Verkürzung der tariflichen Wochenarbeitszeiten seit den 1980erJahren wurde begleitet von einer starken Flexibilisierung der Arbeitszeiten; in begrenztem Umfang wurden individuelle Zeitoptionen vereinbart. Eine Reihe von Problemen fordert eine neue Arbeitszeitpolitik heraus: so führen Flexi-Konzepte zu sozialen und gesundheitlichen Belastungen bei den Beschäftigten; die Arbeitszeiten polarisieren sich, zwischen Frauen und Männern besteht eine große Arbeitszeitlücke (Gender Time Gap), die eng mit der beruflichen und sozialen Ungleichheit der Geschlechter verknüpft ist; Arbeitszeiten sind immer schwerer messbar und spielen bei ergebnisorientierter Leistungssteuerung in den Betrieben kaum noch die Rolle einer effektiven Begrenzung der Leistungsverausgabung.

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