Das Bundesarbeitsgericht - Erfurt
Grundsätzliches
Das Bundesarbeitsgericht wurde am 10. Mai 1954 in Kassel eröffnet. Bis zur Verlegung des Gerichts 1999 war es gemeinsam mit dem Bundessozialgericht
am Graf-Bernadotte-Platz in Kassel untergebracht. Der Neubau in Erfurt wurde Ende September 1999 von der Staatsbauverwaltung Thüringen an das
Bundesarbeitsgericht übergeben.
Adresse
Bundesarbeitsgericht
Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
Das Bundesarbeitsgericht entscheidet als oberster Gerichtshof des Bundes Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des Arbeitsrechts.
Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist dreistufig aufgebaut und besteht aus den Arbeitsgerichten, den Landesarbeitsgerichten und dem Bundesarbeitsgericht.
Verfahren beim Bundesarbeitsgericht
Das arbeitsgerichtliche Verfahren unterscheidet zwei verschiedene Verfahrensarten, das Urteils- und das Beschlussverfahren. Im Urteilsverfahren obliegt es allein den Parteien, dem Gericht die für die Entscheidung erforderlichen Tatsachen zu unterbreiten und ggf. unter Beweis zu stellen, während das Gericht den Sachverhalt im Beschlussverfahren weitgehend von sich aus zu ermitteln und aufzuklären hat.
Im Beschlussverfahren werden Streitigkeiten zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber behandelt.
Entscheidungen im Urteilsverfahren:
- Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern
- Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses.
- Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und dessen Nachwirkungen.
- Unerlaubte Handlungen, die mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen.
- Arbeitspapiere
Damit geht es unter anderem um folgende Ansprüche:
- Lohn oder Gehalt
- Gratifikationen
- Urlaub, Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld
- Zeugniserteilung bzw. Zeugnisberichtigung
- Herausgabe der Arbeitspapiere
- Betriebsrente
- Kündigungsschutzklage
- Überprüfung der Wirksamkeit einer Befristung, Anfechtung oder eines Aufhebungsvertrages.
Wichtige Entscheidungen der letzten Jahre:
- Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) war nie tariffähig
- Gleiches Arbeitsentgelt für Leiharbeitnehmer - Etwaiges Vertrauen der Verleiher in die Tariffähigkeit der CGZP ist nicht geschützt
- Einsatz von Leiharbeitnehmern - Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats (Unbefristete Leiharbeit ist verboten)
- Leiharbeiter können sich auch bei dauerhafter Einsatzdauer nicht in Betrieb einklagen.
- Leiharbeitnehmer sind bei der für die Größe des Betriebsrats maßgeblichen Anzahl der Arbeitnehmer eines Betriebs grundsätzlich zu berücksichtigen
- Bei der Bestimmung der Betriebsgröße iSv. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG sind im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem "in der Regel" vorhandenen Personalbedarf beruht.
- Das Bundesarbeitsgericht hat die sachgrundlose Befristung trotz Vorbeschäftigung ermöglicht (Urteil vom 06.04.2011; 7 AZR 716/09). Eine Befristung ist möglich, wenn das vorherige
Arbeitsverhältnis länger als 3 Jahre zurückliegt.
Das Bundesverfassungsgericht hat am 06.06.2018 eine Entscheidung zum Anschlussverbot bei sachgrundlosen Befristungen gefällt. Danach ist eine sachgrundlose Befristung grundsätzlich nur zulässig, wenn zuvor keine Beschäftigung beim selben Arbeitgeber bestand. Damit hat das Bundesverfassungsgericht dem vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Modell, wonach mit Abstand von drei Jahren immer wieder eine sachgrundlose Befristung möglich sein sollte, eine Absage erteilt. Gerichte können aber in wenigen Ausnahmefällen davon abweichen (1 BvL 7/14; 1 BvR 1375/14). - Betriebliche Altersversorgung und befristet beschäftigte Arbeitnehmer
- Wiederholte Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags - Kettenbefristung
- Weihnachtsgeld - betriebliche Übung - Kombination von Freiwilligkeitsvorbehalt und Widerrufsvorbehalt
- Anspruch auf Weihnachtsgeld bei gekündigtem Arbeitsverhältnis
- Urlaub an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen bei Schichtarbeit
- Urlaubsanspruch und Bruchteile von Urlaubstagen
- Nach dem Lebensalter gestaffelte Urlaubsansprüche verstoßen gegen das Verbot der Altersdiskriminierung
- Lange andauernde Erkrankung und Urlaubsanspruch
- Kontrolle von Arbeitsverträgen
- Arbeitgeber sind nicht dazu verpflichtet, einem Bewerber die Stellenabsage zu begründen
- Frage nach der Schwerbehinderung im Einstellungsverfahren bzw. im bestehenden Arbeitsverhältnis
- Einen gesetzlichen Anspruch auf Lohnzuschlag für Sonn- und Feiertagsarbeit gibt es nicht.
- Unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung - Scheinwerkverträge
- Der Ausschluss von befristet Beschäftigten aus der betrieblichen Altersversorgung eines Arbeitgebers ist sachlich gerechtfertigt.
- Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz
- Das Bundesarbeitsgericht hat die Tarifeinheit mit mehreren Beschlüssen im Jahr 2010 gekippt.
Seit dem 10.07.2015 gilt das Gesetz zur Tarifeinheit (Tarifeinheitsgesetz). Das Gesetz soll zukünftig Arbeitskämpfe konkurrierender Gewerkschaften im selben Unternehmen - wie zum Beispiel bei der Deutschen Bahn oder der Lufthansa - verhindern. Es schreibt daher fest, dass im Streitfall nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern gilt. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 11. Juli 2017 erklärt, dass das Tarifeinheitsgesetz weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Karlsruher Richter machten aber Vorgaben für die Anwendung. Mit dem Qualifizierungschancengesetz wurde die im Tarifeinheitsgesetz enthaltene Regelung zur Tarifkollision verändert. Die Änderung tritt am 1. Januar 2019 in Kraft. - Mehrarbeit - Vergütungserwartung
- Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
- Höhe der Entgeltfortzahlung
- Das Bundesarbeitsgericht hat bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens die Nettomethode verbindlich vorgeschrieben.
- Werkverträge können nicht zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit abgeschlossen werden.
- Rechtsprechung zu Mindestlöhnen (Lohnwucher nach § 138 BGB Sittenwidriges Rechtsgeschäft)
- Sozialauswahl - keine Altersdiskriminierung durch Altersgruppenbildung
- Rechte von Schichtarbeitern im Streit um Nachtarbeit
- Angemessenheit eines Nachtarbeitszuschlags
- Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind in bestimmten Fällen beim Mindestlohn anrechenbar (25. Mai 2016; 5 AZR 135/16).
- Bereitschaftszeit ist mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten (29.06.2016; 5 AZR 716/15).
- Das Bundesarbeitsgericht hat mit 2 Beschlüssen vom 21.09.2016 die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung des Sozialkassenverfahren des Baugewerbes erklärt
Der Bundestag hat am 26.01.2017 den Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe beschlossen. Damit haben sich die Abgeordneten für den Erhalt der Sozialkassen im Baugewerbe ausgesprochen. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zugrunde. Das Gesetz hat am 10.02.2017 den Bundesrat ohne Einspruch passiert. Das Gesetz wurde am 24.05.2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist am Tag nach der Verkündung in Kraft getreten. - In dem Grundsatzurteil vom 25.09.2018 (8 AZR 26/18) hat sich das Bundesarbeitsgericht gegen Verzugspauschalen im Arbeitsrecht ausgesprochen.
Am 22.07.2014 wurde das Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes erlassen. Seit Einführung der Verzugspauschale war strittig, ob die Regelung des § 288 Abs. 5 BGB auch im Arbeitsrecht gilt. - Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 19. Dezember 2018 (10 AZR 231/18) entschieden, dass der Zuschlag für Mehrarbeit auch unterhalb der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten fällig wird.
- Für die Berechnung des gesetzlichen Mindesturlaubs bleiben Zeiten eines unbezahlten Sonderurlaubs unberücksichtigt (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. März 2019 - 9 AZR 315/17 - Änderung der Rechtsprechung).
- Eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag, die darauf abzielt, Feiertage aus der Vergütungspflicht auszunehmen, ist wegen der Unabdingbarkeit des gesetzlichen Entgeltfortzahlungsanspruchs unwirksam (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Oktober 2019 - 5 AZR 352/18).
- Am 1. Dezember 2020 befasste sich erstmals das Bundesarbeitsgericht mit Crowdworking. Es sprach einem Crowdworker (Plattformarbeiter) Arbeitnehmerrechte zu. Die vom Gesetz verlangte Gesamtwürdigung aller Umstände kann ergeben, dass Crowdworker als Arbeitnehmer anzusehen sind (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. Dezember 2020 - 9 AZR 102/20).
- Auswirkung von Teilzeitbeschäftigung auf die Höhe einer betrieblichen Altersversorgung - Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. März 2021, 3 AZR 24/20
- Ausländische Pflegekräfte bekommen den Mindestlohn auch für Bereitschaftsdienst - Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Juni 2021 (5 AZR 505/20)
- Muss der Arbeitgeber seinen Betrieb wegen eines staatlichen Lockdowns schließen, trägt er nicht das Risiko des Arbeitsausfalls und ist nicht verpflichtet, den Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen - Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Oktober 2021 (5 AZR 211/21).
- Eine nachträgliche Entgeltumwandlung bis zu 4% der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung zum Aufbau betrieblicher Altersversorgung ist vor Pfändung geschützt - Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Oktober 2021 (8 AZR 96/20)
- Arbeitgeber muss Fahrradlieferanten Fahrrad und Mobiltelefon als notwendige Arbeitsmittel zur Verfügung stellen - Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. November 2021 (5 AZR 334/21)
- Urlaubskürzung bei Kurzarbeit rechtens - Grundsatzurteil vom 30.11.2021 (9 AZR 225/21) des Bundesarbeitsgerichts zur Frage, ob bei Kurzarbeit Null der Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern anteilig gekürzt werden kann.
- Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 4. Mai 2022 (5 AZR 359/21) zur Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess
- Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für Arbeitgeber gilt ab sofort - Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13. September 2022 (1 ABR 22/21)
- Gleicher Lohn für gleiche Arbeit auch für Teilzeitbeschäftigte und Minijobber - Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Januar 2023 (5 AZR 108/22)
- Differenzierung bei Nachtarbeitszuschlägen ist grundsätzlich zulässig - Ungleichbehandlung muss aber durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Februar 2023 - 10 AZR 332/20 und 10 AZR 333/20)
Das Beschlussverfahren findet vor allem in betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten statt. Dabei sind meist Personen bzw. Stellen beteiligt, denen im allgemeinen Rechtsverkehr die Rechtsfähigkeit fehlt.
Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts
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